Bei Sat 1 dürfte niemand alt genug sein, um sich noch an den Skandal rund um die Francis-Durbridge-Verfilmung „Das Halstuch“ (1962) zu erinnern. Der Sechsteiler über einen Frauenmörder war einer jener legendären Straßenfeger der sechziger Jahre. In die deutsche TV-Geschichte ist der Krimi eingegangen, weil der Kabarettist Wolfgang Neuss kurz vor Ausstrahlung der letzten Folge in einer Zeitungsanzeige verraten hat, dass Dieter Borsche der Mörder war. Damit sich so etwas nicht wiederholen konnte, wurden bei späteren Durbridge-Adaptionen verschiedene Schlussvarianten gedreht. So weit ist Sat 1 bei „Zodiak – Der Horoskopmörder“ zwar nicht gegangen, aber spannend haben sie’s schon gemacht. Alle Beteiligten mussten sich zu Stillschweigen verpflichten, und die vorab verschickte DVD mit dem vierten Teil endet rund 15 Minuten vor dem Schluss. Die Heldin ist in die Falle des Mörders getappt, das Bild wird schwarz, und ein Insert erscheint: „Wer ist der Zodiak?“
Diese Frage sollte sich natürlich auch ein möglichst großes Publikum stellen. Nach diversen Pleiten in den letzten ein bis zwei Jahren vor allem im Serienbereich („Blackout“, „Allein unter Bauern“), den negativen Schlagzeilen über den Personalabbau und der Abrechnung des Ex-Chefs Roger Schawinski hätte es Sat 1 ohne Frage richtig gut getan, mit dem ersten Mehrteiler seit Dieter Wedels „König von St. Pauli“ (1998) noch mal einen echten Knüller zu landen. Seit dem Ausstieg von Alexandra Neldel beim Überraschungserfolg „Verliebt in Berlin“ gab es nicht mehr viel zu feiern. Kein Wunder, dass die Schauspielerin auch die Besetzung von „Zodiak“ anführt. Ob sich der Sender damit wirklich einen Gefallen getan hat, wird man intern analysieren. „Zodiak“ war zwar kein Flop (durchschnittlich 12,8 Prozent in der Zielgruppe & damit deutlich über dem Senderschnitt), eine Marke hat man auch nicht gerade gesetzt; am Ende wollten bloß knapp 3,8 Millionen Menschen wissen, wer der Zodiak war.
Das lag sicher nicht allein an der Hauptdarstellerin. Letztlich aber scheinen Neldels Mittel zu limitiert, um einer solchen Großproduktion über die unweigerlichen Durchhänger hinweg zu helfen. Damit ist die zweite Schwäche des Vierteilers schon angedeutet: Acht Stunden (inkl. Werbung) an zwei Doppeltagen sind verdammt viel Zeit; da muss ein Stoff ungewöhnlich packend sein. Dabei hat Autorin Spreitzhofer das französische Original (11 Mio. Zuschauer!) bereits um einen Teil gekürzt. Trotzdem enthät auch die österreichisch-deutsche Adaption immer noch Nebenstränge, die offenkundig bloß der Verwirrung des Publikums dienen sollen. Selbst wenn man die vier Filme in konzentrierter Version, ohne Reklame-Unterbrechungen, an zwei Abenden anschaut, dauert es eine Weile, bis man den Stammbaum durchblickt. Krimi-Fans mögen es zwar, wenn sie mitknobeln dürfen, doch in der Regel erweist es sich als kontraproduktiv, wenn man erst mal rätseln muss, wer gerade wieder entführt und/oder ermordet worden ist und welche Rolle er/sie im Clan der Fischer-Hellwarths gespielt hat.
Dabei ist die Geschichte, wenn man sie auf die Grundzüge der Handlung destilliert, richtig reizvoll: Ein Mörder tötet nach und die Mitglieder einer Wiener Bankendynastie, versieht die Opfer mit einem Tierkreisamulett (daher Zodiak) und verteilt Botschaften mit düsteren Prophezeiungen von Nostradamus. Wie immer in solchen Geschichten ereilt es gern jene, die der ermittelnde Kommissar (Fritz Karl) gerade erst zum Hauptverdächtigen erkoren hat. Dass als erstes unmündige Kinder dran glauben müssen, hätte es vor vierzig Jahren zwar nicht gegeben, erhöht aber natürlich die Antipathie gegen den Killer, den ein Jahrzehnte lang gehegter Rachedurst antreibt. Neldel spielt Esther, die uneheliche Tochter von Gabriel Fischer-Hellwarth, der sich sein Vermögen einst offenbar unrechtmäßig angeeignet hat und dafür auch über die Leiche seines besten Freundes gegangen ist. Just an dem Tag, als der Patriarch die bis dahin verheimlichte Esther der Familie vorstellen will, beginnt die Mordserie.
Der Österreicher Andreas Prochaska durchsetzt den Vierteiler mit diversen Thrillermomenten, die durchaus für Schockeffekte sorgen, von den „Cliffhangern“ am Ende der Episoden ganz zu schweigen. Ansonsten aber begnügt er sich viel zu oft mit Füllbildern, wenn die Kamera (David Slama) der energisch durch lange Gänge stapfenden Hauptdarstellerin nachschaut, Wiener Sehenswürdigkeiten vorstellt (das jedoch äußerst hübsch) oder Autos durch die pittoreske Landschaft rund um den Wörthersee fahren lässt. Außerdem müssen die Protagonisten vor allem nach Anrufen angestrengt viel sagende Blicke ins Leere werfen. Die Einheimischen bemühen sich hörbar darum, hochdeutsch zu sprechen, damit es nicht so auffällt, dass auch Darsteller mitwirken, die in Deutschland oder gar ganz woanders großgeworden sind (Maticevic, Peeters). Die Bankiers-Mischpoke ist selbstredend dekadent und egoistisch, es gibt eine Menge alter Rechnungen, diverse Motive sind abgeschmackt (der verwaiste Swimmingpool, in dem Laub schwimmt, als Bild für den Verlust jeglicher Lebensfreude), und die Figuren müssen den Fluss der Handlung immer wieder stoppen, um die komplizierte Konstellation der Personen zu erklären oder die bisherigen Ereignisse zusammenzufassen. Spätestens in Teil 4, wenn sich die Story zuspitzt, ist „Zodiak“ überaus packend. Dennoch: ein Zweiteiler hätt’s auch getan! (Text-Stand: 3.9.2007)