Es ist mehr als ein Nichtangriffspakt, den Sophie (Aglaia Szyszkowitz) und ihr „Untermieter“ Barthl (Friedrich von Thun) mittlerweile geschlossen haben. Der grantelnde Pflanzenversteher hat nach wie vor im Stall seine Zelte aufgeschlagen und verbringt seine Zeit mit botanischen Studien. Und die Ex-Stewardess versucht, ihre Zimmervermietungen anzukurbeln und mit besonderen Events aus den dunkelroten Zahlen zu kommen. Die Hochzeit einer Tochter aus besserem Hause (Anne-Marie Waldeck) und ihrem Verlobten (Matthias Gärtner) auf Sophies Grund mit über 100 Gästen käme ihr da gerade recht. Doch dem Brautvater (Rainer Will) macht der Hof zu wenig her, und auch die Vermittlungsversuche der Mutter (Katja Weitzenböck) scheitern. Dass ausgerechnet jetzt Barthel mit seinen Experimenten den Stall in Brand setzt und die Versicherung in Richtung Brandstiftung und Betrug ermittelt, das hat Hausbesitzerin Sophie gerade noch gefehlt. Da mit der psychologischen Sachverständigen (Annette Paulmann) nicht zu reden ist, bleibt nur noch ein Ausweg, damit die Versicherung zahlt – Unzurechnungsfähigkeit: Barthel muss eine geistige Umnachtung vortäuschen.
Sterne-Vergabe von „Zimmer mit Stall“ im Detail:
„Feuer unterm Dach“ erhält vier Sterne, „Die Waschbären sind los“ hat sich 4,5 Sterne verdient.
Foto: Degeto / Susanne Bernhard
Die ARD-Reihe „Zimmer mit Stall“ geht in die nächste Runde. Zwei Menschen unter einem Dach, die grundverschieden sind, sich aber mittlerweile respektieren und sich nichts Böses wollen, dieses Prinzip bekommt in „Feuer unterm Dach“ Konfliktstoff durch den Titel gebenden Unglücksfall. Zu Schaden kommt niemand, allerdings steht für Sophie und Barthel, der lebenslange Stallnutzungsrechte besitzt, mal wieder die Existenz des Fuchsbichlerhofs auf dem Spiel. Miteinander gegen die Anderen – das hat mehr Charme als das alberne Gegen-einander Marke sturer Bock gegen zickige Ziege, wie bereits der sehr stimmige, dritte Film „Berge versetzen“ gezeigt hat. Und so bekommt das Geschehen spätestens zur Halbzeit von Episode vier komödiantischen Schwung und mit dem Wiedereinzug des Alten in den Wohntrakt seines Elternhauses auch ein paar ernsthafte, melancholische Zwischentöne. Friedrich von Thun, der bis in seine siebziger Jahre gern als Schwerenöter besetzt wurde, darf hier in seiner köstlichen Altersrolle mit Nachthemd, Kruzifx und (Zahnpasta-)Schaum vorm Mund den Geisteskranken mimen. Die anfangs skeptische psychologische Gutachterin, die Annette Paulmann zwischen Respektsperson und Komödienfigur köstlich verkörpert, bescheinigt dem alten Zausel „mindestens eine schizoide Störung“. Das allerdings führt zum nächsten Problem: Wer einmal in der Psychiatrie sitzt, kommt da so schnell nicht wieder raus.
„Feuer unterm Dach“ ist im Reihen-Kontext gesehen eine Konsolidierungsepisode. Den komödiantischen Höhepunkten der zweiten Filmhälfte und dem stets fein nuancierten Spiel der beiden Hauptdarsteller steht ein durchschnittlicher B-Plot gegenüber. Die Patriarchen-Familie mit ihrer Rollenverteilung, die narrativen Motive (die „aufmüpfige“ Tochter hat ein Herz für ein schwarzes Schaf) und die abschließende Problemlösung sind aus dem Setzkasten für Unterhaltungsfilme. Dem entspricht die ziemlich blasse Besetzung. Eine Klasse besser ist dagegen die zweite „Zimmer mit Stall“-Episode in diesem Frühjahr: „Die Waschbären sind los“ beginnt – auch wenn es wahrscheinlich nicht Absicht war, sondern „Pech“ mit dem Drehplan – mit Nebel rund um den Fuchsbichlerhof. Mit ausgestellten sonnigen Alpenpanoramen hat es diese Reihe (trotz der Traumsommer) zwar ohnehin nicht, aber das ist schon mal ein untypischer Einstieg in einen ARD-Freitagabendfilm. Auch die Familie, die dieses Mal das idyllische Anwesen besucht, der Gegenentwurf zu „Familie Protz“ aus „Feuer unterm Dach“, ist ein Fall für sich: eine Mutter mit drei Kindern von drei verschiedenen Vätern – und der neue Lebensabschnittsgefährte heißt „Zecke“. Berliner Luft in Oberbayern.
Foto: Degeto / Susanne Bernhard
Die Befürchtungen, es bei dieser dysfunktionalen Familie mit einer klischeebeladenen Karikaturen-Schau zu tun zu bekommen, sind schnell verflogen. Dafür sorgen nicht zuletzt Anna Thalbach in einer Rolle, wie sie einst ihre Mutter Katharina gern spielte, und Gerdy Zint, prädestiniert für Unterschicht-Rollen in Krimis aller Art, der durchaus auch im Gefühlsfernsehen eine gute (= etwas andere) Figur macht. Es sind die vielen kleinen Geschichten und launigen Episoden, die von Autor Philipp Weinges ebenso gut erdacht wie dramaturgisch glaubwürdig kombiniert wurden, die „Die Waschbären sind los“ zu einem Wohlfühlfilm erster Güte machen. Da ist die hochbegabte und wissensbegierige Mandy (Leni Erceg), die einen schweren Stand hat in ihrer Familie und derer sich Barthel liebevoll annimmt. Da ist der langsame Abnabelungsprozess der Mutter von ihrem „vierten Kind“, ihrem von einem Arbeitsunfall traumatisierten Freund, der unter Partnerschaft sich von der Frau bedienen lassen versteht. Und da ist eine Bürgermeisterwahl, bei der die Neu-Wiesenriederin Sophie eher aus einer spontanen Laune heraus plötzlich gegen den alten Platzhirsch, Barthels Bruder Ludwig (Christian Hoening), als Gegenkandidatin antritt.
Außerdem sind da noch die Waschbären, die zwar nicht viel zur Geschichte, aber zur allgemeinen Belustigung beitragen, und die neckischen Nebenbei-Späße der Jugend, die die Handlung zu einer runden Sache machen. Besonders gut gelungen ist in dieser Episode auch das Zusammenspiel der Generationen, das seinen szenischen Höhepunkt findet, wenn Jung und Alt zusammen auf größtenteils handgemachten Instrumenten im Stall einen Blues anstimmen. Wie sich Fremde näherkommen, wie sich Generationen in einer Gemeinschaft verbinden, indem jeder seine Besonderheit einbringt, wie man das Leben über soziale Grenzen hinweg meistert – daraus machen allzu viele Dramödien Kitsch. Diese Werte mit den Mitteln der Komödie anzugehen, sich immer das Hintertürchen für Witz, Ironie, aber auch Lebenserfahrung offenzuhalten, darin liegt weiterhin die Chance von „Zimmer mit Stall“.
Foto: Degeto / Susanne Bernhard
„Die Waschbären sind los“ ist auf jeden Fall ein solches gelungenes Feelgood-Movie mit gewissem moralischem Mehrwert, der erfreulicherweise nie penetrant in den Vordergrund rückt, sondern eher locker & komödiantisch überspielt wird. Die Heldin ist eine lebenskluge Frau, aber alles andere als eine notorische Helferin. Mal ein guter Rat, mal ein Wink zur rechten Zeit, mehr braucht es nicht, um etwas beim Gegenüber zu bewegen. Und ob sich überhaupt etwas ändert, beispielsweise bei den Brieschkes, wer weiß das schon – oder? (auch diese Frage löst der Film im Stil einer Komödie). Etwas ändern aber wird sich im schönen Wiesenried. Von daher ist diese Episode, die von der preisgekrönten, im Arthaus-Fach beheimateten Michaela Kezele luftig, frisch und schwungvoll (forciert durch die stimmige Musik) inszeniert wurde, auch für das Konzept und die Dramaturgie der Reihe von besonderer Bedeutung. Die Konflikte könnten sich mehr in Richtung Dorf verlagern, es könnten sich ungewöhnliche Koalitionen ergeben. Hauptsache nur, die Tonlage bleibt ein bisschen schräg!