Frank Schuster ist ein Workaholic aus Leidenschaft. Ein Entscheider in allen Lebenslagen. Da kommt die Familie regelmäßig zu kurz. Doch es gibt eine Art Stillhalteabkommen zwischen ihm seiner Frau und den beiden Töchtern. Schließlich sorgt sein Führungsposten für ein Leben in Wohlstand – mit Villa am Starnberger See, Sportwagen, Yacht. Doch dann trägt es den Mann auf der Überholspur sprichwörtlich aus der Kurve. Sein Auto ist Vollschrott und auch er sieht kaum besser aus. Jetzt besinnt er sich – und macht eine 180°-Wende, kündigt den vermeintlichen Traumjob und will sich auf die wichtigen Dinge im Leben konzentrieren. Ehefrau Veronika findet es prinzipiell gut, wären da nicht diese Chef-Allüren: ständig mischt er sich ein, alles weiß Frank besser, dafür aber kennt er nicht den Unterschied zwischen Familienmensch und Klette. Bald potenziert sich das Problem: die Ersparnisse sind weg. Jetzt heißt es, den Gürtel enger schnallen: Auto und Yacht verkaufen und die Villa gegen ein nicht mehr ganz taufrisches Reihenhäuschen eintauschen. Bei alldem trifft das „Familienoberhaupt“ seine Entscheidungen ganz allein für sich. Und so wird es um Frank bald sehr einsam.
Soundtrack: Zaz („Eblovie pa la nuit“), Kinks („A well respectd man“), Deodato („Also sprach Zarathustra“), Weezer („Island in the sun“), Gary Jules („Mad world“), Eels („I like Birds“), Jack Johnson („Go on“), The Head and the Heart („Down in the valley“)
Foto: Degeto / Hendrik Heiden
„Weniger ist mehr“ erzählt von einem Mann, der seine „zweite Chance“ wahrnehmen möchte und dabei seiner Familie viel abverlangt. Es ist weniger der „soziale Abstieg“, mit dem sich alle zunehmend besser abfinden, als vielmehr die Art und Weise, wie der Vater die Kinder und vor allem die eigene Frau ständig vor vollendete Tatsachen stellt. Einmal Chef immer Chef – mit diesem familiären Konflikt federt der Film das sozial relevante, mit Ängsten und Konflikten behaftete Thema ab, was schließlich entscheidend mit dazu beiträgt, dass im Film ein Happy End ohne Bauchschmerzen möglich wird. Das einfache Leben ist der neue Luxus. Am Ende fügt sich die Familie nicht nur in ihr Schicksal, das vom Vater aus ja stets auch etwas Selbstbestimmtes hatte, sondern sie zeigt einen neuen Familiensinn. Die Familie nimmt ihren vermeintlichen sozialen Abstieg nicht mehr wahr, weil es im wahrsten Sinne des Wortes Wichtigeres gibt. Am Ende steht etwas mehr als nur das „kleine Glück“ der deutschen Spießer-Komödie im Raum dieses bemerkenswerten Degeto-Movies. Denn diese Schusters erstreben keinen gesellschaftlichen Glücksmythos, sie leben ihr Leben, sie kümmern sich nicht um die anderen. Da ist es nur konsequent, auch beruflich etwas anzupacken, was keine ungesunden Abhängigkeiten schafft. Auch wenn man zu Beginn des Films von Georg Heinzen („Von der Unmöglichkeit erwachsen zu werden“) und Jan Ruzicka anfangs als Zuschauer befürchten muss, hier würde der Wunsch nach einfachem Leben („ein Sonnenuntergang, ein gutes Gespräch, dem Gesang der Vögel lauschen“), das Lebenskonzept des sogenannten „Downshifting“, nur milde belächelt werden, gerät der Film nie in „ideologische“ Schieflage.
Und auch ästhetisch erweist sich „Weniger ist mehr“ als ein echtes ARD-Freitagabend-Highlight. Der Film hat ein gutes Tempo, alltagsnahe Dialoge und einen großartigen Independent-Soundtrack. Und einem Benno Fürmann, der seinen häufig verkörperten gebrochenen Mann in der leichten Variante als einen Suchenden in der Orientierungsphase geben darf, schaut man einfach gern dabei zu, wie er zwischen Witz und Ironie, Ernst und Emotion zu vermitteln weiß und wie es ihm als Hauptdarsteller gelingt, die verschiedensten Tonlagen in ein stimmiges Ganzes zu binden. Ulrike C. Tscharre, endlich öfters in größeren Rollen zu sehen, verkörpert ihre verständnisvolle, letztlich souveräne Ehefrau, die durch ihren Gatten sehr unterschiedlich in Druck gerät, ohne übermäßigen Dampf, sondern sehr realistisch, leise und mit kleinsten Mittel agierend. Ein Mal nimmt sie ihre kreuzunglückliche Filmtochter in den Arm und setzt dabei einen Blick in Richtung Gatten auf, der mehr sagt als die berühmten 1000 Worte. Glück hatten beide natürlich mit einem Drehbuch, das mit wenig Dramaturgie auskommt und in dem die Konflikte nicht künstlich emotional hoch gejazzt werden. Feinsinnig ist auch der Blick auf die Kinder: Selbst in Nesthäkchen Leonie, im sehr speziellen, völlig kopfgesteuerten Verhalten dieser Figur, die mit viel Eigen-Sinn und ohne dieses nur „Kindersüße“ von Lara Sophie Rottmann gespielt wird, schlagen sich die Probleme der Schusters psychologisch nieder. So macht Familie am Freitagabend Sinn & Spaß!
Foto: Degeto / Hendrik Heiden