Soll die coole Investmentbankerin zum Bauernopfer gemacht werden?
Elena Wagner (Julia Koschitz) hat es geschafft: Sie residiert in der 39. Etage einer Frankfurter Investment-Bank, nur eine Etage unter dem Big Boss Dr. Ahrends (August Zirner). Doch obwohl sie als Teilhaberin des Bankhauses im Gespräch war, weht ihr aus der Chefetage plötzlich ein eisiger Wind entgegen. Aus Meetings wird Elena ausgeschlossen, wichtige E-Mails verschwinden, und Ahrends ist nicht mehr für sie zu sprechen. Weiß er, was sie ahnt? Die Investmentbankerin ist auf ein geheimes Dokument gestoßen; demzufolge steht die Bank wegen eines 950-Millionen-Kredits für eine chinesische Scheinfirma kurz vor der Insolvenz. In einer schicksalhaften Nacht- und Nebelaktion geht sie mit ihrem Ex, dem gefeuerten EDV-Chef des Bankhauses, dem Pleite-Deal auf den Grund: Marc (Jürgen Vogel) knackt das Sicherheitssystem, hackt die geheimsten Geheimdaten und findet heraus, dass ausgerechnet Elena für das China-Desaster verantwortlich gemacht werden soll. Und noch etwas entdeckt Marc: Ahrends besitzt ein millionenschweres Schwarzgeldkonto in der Schweiz. Wäre es nicht mehr als nur gerecht, wenn sich Elena für die Sündenbock-Rolle, die sie übernehmen soll, entschädigen würde? Doch der Wachmann (Sascha Alexander Gersak) ist auf die beiden Nachtschwärmer aufmerksam geworden – und die Polizei ist unterwegs…
Die Frau, die ihre Unabhängigkeit liebt, und der anarchistische Romantiker
Eine Frau, drei Männer, ein Hochhaus, ein Tag, eine Nacht und ein paar handfeste Überraschungen. „Vertraue mir“ ist ein reduzierter Kammerspielthriller, der sich ganz auf seinen dramatischen Plot konzentriert und gelegentlich ein Versprechen auf Romantik gibt, welches allerdings so zurückhaltend bleibt wie die Hauptfigur des Films. Elena ist Workaholic, Kontrollfreak, keine Frau für Beziehungen. Sie liebt ihre Unabhängigkeit. Und sie kann auch ein ganz schönes Biest sein. Disziplin und Demütigung waren die Parameter ihrer Erziehung. „Der Mangel an bedingungsloser Liebe und Wertschätzung, die Eltern ihrem Kind geben müssten, hat sie zu einem misstrauischen Menschen gemacht, der sich einzig und allein auf sich selbst verlässt“, charakterisiert Julia Koschitz ihre Figur. Der emotionale Gegenpart ist Marc, den Jürgen Vogel als einen „anarchistischen Romantiker“ verkörpert, der dieser verführerischen Welt der glatten Fassaden & kalten Herzen nie viel abgewinnen konnte. Wenn er denen, die am ganz großen Rad drehen, etwas auswischen kann, ist er dabei. Umso lieber, wenn er damit bei seiner Ex, zu der er sich noch immer hingezogen fühlt, punkten kann.
Wo Misstrauen & Intrige lauern, wird Glas zum Stoff, aus dem die Kontrolle ist
Eine Intrige, ein Alptraum, ein Genrefilm ohne viel Psychologie und ein Clou, der einen Hauch von Bitterkeit hinterlässt. „Vertraue mir“ spielt mit dem Glanz der Oberflächen, der sich als trügerisch erweist. Die Frankfurter Bankenwelt leuchtet, aber den Menschen hier fehlt es an dem, was das Leben lebenswert macht. Das Misstrauen lauert überall. Das Glas der Luxus-Käfige wird zur Kontrollinstanz. Die Heldin gehört zu dieser Welt der eisernen Disziplin, für die Vertrauen inakzeptabel ist. Koschitz’ verpanzerte Bankerin ist – obwohl offenbar eindeutig Opfer einer Firmenintrige – keine klassische Sympathiefigur; allerdings kitzelt Vogels hingabebereiter Gegenpart aus ihr zunehmend mehr „Menschliches“ heraus. Und sie scheint, etwas dazu zu lernen. Jedenfalls beginnt und endet der Film von Franziska Meletzky („Nur eine Handvoll Leben“) mit folgenden Sätzen: „Mir hat mal jemand gesagt, Menschen, denen du dein Vertrauen schenkst, drückst du ein Schwert in die Hand, mit denen sie dich verteidigen oder vernichten können. Heute weiß ich: Vertrauen ist die stillste Art von Mut.“
Das visuelle Konzept: Wie sich der Zuschauer den „Sinn“ herbei sehen muss
Postmodernes Styling, viel Glas, coole Totalen, Gesichter, in die sich die Kamera hineinfrisst, subjektive Momente, die wiederkehren, Flashbacks. „Vertraue mir“ ist ein sehr aufgeräumter Thriller, der sein Bankskandal-Setting mit den Codes des Beziehungsfilms kurzschließt. Der ZDF-Fernsehfilm verzichtet auf die minutiöse Psychologie eines „ernsthaften“ TV-Dramas. Meletzky und ihr Visual-Design-Team um den großartigen Kameramann The Chau Ngo, den Szenenbildner Wolfgang Baark und Cutter Jürgen Winkelblech entwickeln vielmehr einen Stil, der vom kommerziellen TV-Movie der späten 1990er Jahre inspiriert ist und transformieren ihn in ein zeitgemäßes (farbentsättigtes) Bild-Konzept. Auch dramaturgisch erinnert der Film an die besten RTL-Thriller jener frühen Privatsender-Fiction-Jahre. Der Handlungsfaden ist vergleichsweise dünn; dennoch legt sich eine gewisse Spannung, ein Mix aus dezentem Thrill und mehr oder weniger latentem Beziehungsspiel, über die 90 Minuten. Am Ende ist es wohl mehr der Look und der Flow als die Relevanz der Geschichte, mehr Koschitz und Vogel als ihre Charaktere, die den Reiz des Films ausmachen, der sicher nicht zufällig von dem langjährigen RTL-Fiction-Chef Sam Davis produziert wurde. Es ist ein Film, dessen „Sinn“ man sich – im wahrsten Sinne des Wortes – herbei sehen muss. (Text-Stand: 15.5.2016)