Werbung ist überall. Sie ist Anlass für Faszination und Bewunderung wie für Kritik und Vorurteile. Das gilt auch für ihre Macher, kreative Arbeitstiere im menschfeindlichen Agentur-Wahnsinn, ebenso genial wie oberflächlich. So zumindest das Klischee. Der Wunsch, hinter diese Fassade zu blicken, zeigt sich am erfolgreichen Einzug des „Werbemenschens“ in das Unterhaltungsfernsehen. Die stilbewusste US-Serie „Mad Men“ ist jedenfalls jetzt schon Kult.
Mit der Mockumentary „Twinfruit – Die Dose muss menschlich werden“ wählt das Kleine Fernsehspiel im ZDF eine ganze andere, jedoch nicht minder unterhaltsame Verpackung für den Blick in den Agentur-Alltag. Konsequent als Dokumentarfilm inszeniert, erzählt die Mockumentary die Geschichte einer fiktiven Werbekampagne für Dosenobst, ein in Zeiten des Bio-Hypes besonders herausfordernder Auftrag für die Agentur von Gunnar Kleiber (Michael Halberstadt). Glücklicher Weise konnte diese mit Lutz Wolf (Ben Rodrian) einen echten Meister seines Fachs gewinnen, der nun sein Kreativteam zu Höchstleistungen antreibt. „Twinfruit – Die Dose muss menschlich werden“ begleitet die Entwicklung der Werbekampagne von der ersten Idee bis zum Dreh des Fernsehpots. So erhält der Zuschauer nicht nur Einblick in den knallharten Agentur-Alltag, sondern kann auch hinter die Kulissen eines Filmdrehs schauen – inklusive Casting und Kostüm-Design. Regisseur und Autor Matthias Thönnissen schlüpft hier passender Weise in die Rolle des Werbefilmers Adrian Kosinovic und ist damit selbst das schauspielerische Highlight seiner Mockumentary. Auch der übrige Cast überzeugt, allerdings schießt Ben Rodrian in seiner Darstellung des arroganten Lutz Wolf zuweilen über das Ziel hinaus. Für die nahezu misanthropische Überheblichkeit hat man sich hier eindeutig den Kollegen „Stromberg“ zum Vorbild genommen, der jedoch in einem humoristischeren Kontext agiert. Für das deutlich gemäßigtere Konzept Thönissens ist Rodrians Darstellung der Werbe-Ikone zu affektiert, zu stark als Schauspiel erkennbar.
„Twinfruit – Die Dose muss menschlich werden“ arbeitet mit subtiler Komik, die durch Wortwitz und das Aufeinandertreffen absoluter Ernsthaftigkeit mit haarsträubender Absurdität entsteht. Dabei ist die scheinbar unangemessene Begeisterung der Protagonisten für ihre lächerliche Kampagne und das völlig gestrige Produkt wohl weniger komödiantische Überzeichnung als naturgetreue Darstellung einer Branche, die ohne systematische Selbstbeweihräucherung nicht überleben könnte. Insbesondere der zwanghafte Einsatz von Anglizismen wirkt immens authentisch. Dass Thönissen hier zuverlässig den richtigen Ton trifft, liegt sicher an seiner Berufserfahrungen im Werbefilm. Der Mann weiß wovon er spricht, hat seine Charaktere im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Leben gegriffen. Wie es sich für eine Mockumentary gehört, scheut er dabei auch nicht vor harscher Kritik zurück.
Damit diese auch als solche sichtbar wird, muss seine Inszenierung immer wieder in die Komödie kippen, müssen seine Figuren überzeichnet sein, muss ab und an mit der dokumentarisch geführten Handkamera gebrochen werden. Dem aufmerksamen Zuschauer entgeht vermutlich nicht, dass für eine „echte“ Dokumentation schließlich doch zu viele Kameraperspektiven zur Verfügung stehen. „Twinfruit – Die Dose muss menschlich sein“ bedient sich zwar den Regeln des Dokumentargenres, ergänzt zum Beispiel seinen Plot durch Interviews und Voice-Over-Sequenzen, versucht dabei jedoch niemals, den Zuschauer tatsächlich in die Irre zu führen. Der Film steht durch und durch zu seiner fiktionalen Natur und ist damit am Ende deutlich ehrlicher als die Branche, die er porträtiert.
So unterhaltsam und treffend der Einblick in die Welt der Werbung auch sein mag, so ganz kann die bissige Komik dann doch nicht durch die Handlung tragen. Der Spannungsbogen hängt insbesondere im letzten Drittel ein wenig durch, was vornehmlich daran liegt, dass es den Charakteren an Individualität oder zumindest einer persönlichen Note fehlt. Lutz, Gunnar und Adrian bleiben zu sehr funktionale Witzfiguren, um dem Zuschauer mehr als nur ein (distanziertes) Schmunzeln abzuringen. Bei der insgesamt recht knappen Gesamtlänge aber fallen die dramaturgischen Schwächen glücklicherweise dann doch nicht übermäßig ins Gewicht. Fazit: eine originelle Idee, höchst amüsant umgesetzt. (Text-Stand: 17.8.2015)