Eine junge Frau macht sich klein – und zu zweit ist man eben doch weniger allein
Senta (Nicolette Krebitz) ist verwirrt. Mit Rainer (Niels Bruno Schmidt) hätte sie Kinder kriegen wollen, jedenfalls jetzt, wo er mit einer anderen Vater wird. Senta macht sich klein. Ihre Träume sind im Eimer. Die Bilanz zu ihrem 35. Geburtstag fällt erschreckend aus: kein Glück mit Männern, ein freudloser Job in einer Kunstgalerie und dazu noch ein Chef, der seinen eigenen Urin trinkt. Wenigstens hält ihre verheiratete Freundin Alina (Franziska Weisz) ihr die Treue. Für das neue Lebensjahr hat Senta viele gute Vorsätze. Die sind schnell über den Haufen geworden, als ihr Thomas (Clemens Schick) über den Weg läuft. „Was guckt der so?“, denkt sie. „Was weint die jetzt?“, fragt er sich. Minuten später reißen sie sich die Kleider vom Leib. Dabei ist dieser Thomas doch gar nicht Sentas Typ: dieses spießige Outfit, die zwanghafte Strenge um die Mundwinkel und dann auch noch IT-Spezialist! Dennoch treffen sie sich fast täglich, haben Sex und reden wenig; keiner lässt den anderen am eigenen Leben teilhaben. Ihr Deal ist: Nichts Festes! „Alle Zweifel werden weggevögelt“, strahlt Senta. Nur wie lange? Als Thomas, dessen Firma nach USA expandieren will, mehrere Tage unabkömmlich ist, geht die Phantasie mit ihr durch und sie spioniert ihm hinterher.
Foto: ZDF / Kolja Raschke
Die Filmemacherin Ulrike von Ribbeck über ihre Inspirationsquelle:
„2008 las ich zum ersten Mal Iris Hanikas Roman „Treffen sich zwei“. Sofort war ich von den beiden Hauptfiguren Senta und Thomas begeistert und stellte mir die Geschichte der beiden neurotischen Singles als Film vor. Da ich selbst in Berlin-Kreuzberg wohne, kannte ich alle im Roman beschriebenen Orte gut.“
Garant für Ironie und kluge Zwischentöne: die hinreißende Nicolette Krebitz
Die Geschichte, die Ulrike von Ribbeck für ihren zweiten Spielfilm gewählt hat, scheint auf den ersten Blick alles andere als originell zu sein. An romantischen deutschen Komödien mangelt es nun wirklich nicht – weder im Kino noch im Fernsehen. Doch „Treffen sich zwei“ begnügt sich nicht mit den gängigen Mustern des Genres: Die Filmemacherin erzählt – vornehmlich aus der Perspektive ihrer weiblichen Hauptfigur – nicht allein von den krummen Wegen zum vermeintlichen Happy End, vom erhofften Glück und den Qualen, die einen diese Liebesreise kostet, sondern vor allem erzählt sie auch von dem, was den Protagonisten immer wieder im Weg steht: die eigenen Wünsche, die überzogenen Erwartungen, die Vorstellungen vom Glück, die einem von „den Anderen“ unmerklich eingepflanzt werden. Das Gesellschaftliche ist quasi ganz in der Figur der Senta verankert: Sie hat die sozialen Zwänge verinnerlicht. Wofür andere Filme und Serien („Frauenherzen“) zahlreiche Frauenbilder entwickeln, das gelingt von Ribbeck mit einer einzigen Figur. Nicolette Krebitz spielt ihre Senta mit natürlicher Frische und neurotischer Erotik. Die Schauspielerin ist nicht das, was man gemeinhin „umwerfend komisch“ nennt. Das aber braucht dieser Film, der eher in der Tradition der Sophisticated Comedy steht, auch nicht: Ironie ist ihre Währung – und das ist auch die Haltung von Ulrike von Ribbeck und ihrer Ko-Autorin Ruth Rehmet, die ihr köstliche (gelegentlich betrunkene) Dialoge ins Drehbuch geschrieben haben. Vor allem die das Geschehen komisch kommentierenden Gedanken verfehlen ihre Wirkung nie: „Mein Busen ist klein, aber nicht so klein, wie man vielleicht denkt; dafür ist meine Unterwäsche tiptop.“
Foto: ZDF / Kolja Raschke
Natürlich fällt jedem Beziehungskomödienfan bei diesem Film Woody Allen ein
Dass die Liebeshändel dieser nur scheinbar auf- und abgeklärten Großstädter und das Stilmittel, die ängstlichen Gedanken der beiden Hauptfiguren für die Komödie zu nutzen, die Geschichte dadurch gleichsam zu vertiefen und den Erzählrhythmus zu beschleunigen, einen an Woody Allens „Stadtneurotiker“ erinnern, ist kaum zu vermeiden. Der Film, der ja im Original „Annie Hall“ heißt und in dem Diane Keaton die nicht minder neurotische Figur verkörpert, ist (auch für Kritiker) so etwas wie die Blaupause für alle modernen Beziehungskomödien. In „Treffen sich zwei“ wirkt es mitunter so, als würde besonders die weibliche Hauptfigur den Zuschauer zum Komplizen machen: So wie der Schwächere in einer Beziehung sich immer gern die Unterstützung eines Dritten sucht, die eines Freundes oder eines Therapeuten, so wanzt sich Senta quasi auch an den Zuschauer ran. Das Besondere für die Tonlage des Films aber ist das Spielerische, das Leichte, das sich aus diesem Beiseite- bzw. In-die-Kamera-Sprechen ergibt und die Handlung auf diese Weise permanent ironisiert.
Und welche Tonlage? „Stilistische und filmische Vorbilder für die Umsetzung waren Filme wie ‚Brautalarm’, ‚Der Name der Leute’, oder auch ‚Frances Ha’. Mir war es wichtig, die Inszenierung möglichst leicht und lebendig zu gestalten. Es ging mir darum, den Film trotz seiner möglichen Schwere unterhaltsam zu inszenieren und die Hauptfigur Senta trotz ihrer Lebenskrisen charmant und humorvoll bleiben zu lassen. Senta ist eine Figur, die von einer misslichen Lage in die nächste stolpert, aber dennoch ihre Würde und ihren Humor behält.“
Foto: ZDF / Kolja Raschke
Happy End ja – aber wer weiß denn schon, was kommen wird in der Liebe!?
„Treffen sich zwei“ gibt durch sein Genre zwar eine Art Glücksversprechen und der Plot besitzt damit eine gewisse dramaturgische Finalsteuerung, doch das Besondere dieses Films, der in der ZDF-Redaktion des Kleinen Fernsehspiels entstanden ist, offenbart sich stets im Detail. Die Frage, wie das potenzielle Paar zusammenfindet, ist zwar auch das Herzstück herkömmlicher Romantic Comedys; doch im Blick des Zuschauers verselbständigen sich bei Ulrike von Ribbecks Film immer wieder einzelne Szenen und Situationen: Tangotanzen auf dem Dach, Vater-und-Mutterspielen bei der Freundin, ein Kunstprojekt mit Kindern – in solchen Szenen weht ein Hauch Paris durchs sommerliche Berlin. Das wirkt oft beiläufig, locker, spontan. Nicht unmaßgeblich zu dieser Wirkung trägt die Musik bei, insbesondere das verspielte musikalische Leitmotiv. Der Verzicht auf die Komödien-übliche Chartshits zeigt auch, dass von Ribbeck Konventionen lieber umgeht und eher das Originelle sucht. Und das Happy End ist bei ihr ein Happy End im (Vorbei-)Gehen – einen Stück Lebensweg deutet dieses Hals-über-Kopf-lastige Schlussbild an. Da wird nichts, rein gar nichts emotional ausgekostet. Und wer weiß denn schon, was kommen wird…