Till Eulenspiegel

Matschenz, Striesow, Bederke, Theede. Lust am Spiel, Spaß auf hohem Niveau

Foto: NDR / Boris Laewen
Foto Rainer Tittelbach

Es war zu erwarten, dass im Zuge des Märchen-Revivals auch die Legende von „Till Eulenspiegel“ mal wieder verfilmt würde. Bedenkt man die Vorgabe „ein Film für die ganze Familie“, dann haben Dieter & Leonie Bongartz, Christian Theede & Co alles richtig gemacht. Dramaturgisch sinnvolle Erweiterungen, die Formatentscheidung zwei Mal 60 Minuten, ein Humor, der zwischen Hintersinn & Klamauk zu vermitteln weiß, eine vorzügliche Bildgestaltung, ein 1A-Ensemble mit dem idealen Eulenspiegel-Darsteller, Jacob Matschenz – all das macht den Film zu einem großen Vergnügen für Kinder & Fernseh-Nostalgiker.

Einer Marktfrau stibitzt er zwei Hühner und gibt ihr den eigenen Hahn als Pfand. Einem Gelehrten macht er weis, dass sein Esel sprechen könne. Und einen Politiker blamiert er, indem er ihm ein Selbstbildnis malt, ihm aber nur eine weiße Leinwand präsentiert, nicht ohne jenem selbstgefälligen Lübecker Bürgermeister zuvor ein Geheimnis anvertraut zu haben: „Nur der ehrliche Mann kann meine Kunst sehen – alle anderen sehen nichts.“ Den Blamierten bleibt nur Hohn und Spott. Alle fallen auf Till Eulenspiegel herein, werden Opfer seiner Streiche, bei denen er sich die Eitelkeit und (Neu-)Gier der Menschen zunutze macht, um ihnen am Ende den Spiegel vorzuhalten, in dem sie ihre eigene Dummheit oder Gefallsucht erkennen. Dieser Eulenspiegel ist mehr als ein alberner Narr – er ist charmant, witzig, wild, er ist mutig, ohne Ehrfurcht vor Rang, Namen und Gesetz. Auch der von ihm öffentlich lächerlich gemachte Bürgermeister ist diesem Schalk nicht gewachsen, aber er hat Macht und viele Soldaten…

Till EulenspiegelFoto: NDR / Boris Laewen
Die Schöne (Anna Bederke) und der Narr. Werden sie am Ende wieder zusammenfinden?

Es war an der Zeit, dass das seit ein paar Jahren äußerst Märchen- und Mittelalter-affine Fernsehen sich mal wieder der Legende von Till Eulenspiegel annimmt. Nach zum Teil ernsthaften Verfilmungen aus den 50er bis 70er Jahren geriet der Narrenkappenträger als Filmheld ein wenig in Vergessenheit. Ein Dauerbrenner dagegen blieb die von Erich Kästner bearbeitete Sagensammlung. Während sich die Nummern-Dramaturgie der Buchvorlage eher als Serie geeignet hätte, tat das Märchen-erprobte Autorenduo Dieter und Leonie Bongartz gut daran, dem Zweiteiler einen finalen Spannungsbogen zu geben und zwei Figuren, die Jugendliebe des Helden und ihre zehnjährige Tochter, hinzu zu erfinden. Der Lübecker Bürgermeister lässt die Mutter in den Kerker werfen und seine Getreuen machen Jagd auf den respektlosen Menschenverwirrer, der gemeinsam mit Marie, der Tochter seiner einst Angebeteten, die Befreiung der Eingekerkerten plant – nicht ohne eigene Gefahr für Leib und Leben. Auch die Präsentation der Geschichte in zwei Sechzigminütern ist die bestmögliche Format-Entscheidung: sie berücksichtigt die Aufmerksamkeitsspanne kleiner Kinder und spielt mit dem (zumindest für abgeschlossene Geschichten) eher altmodischen Mehrteiler-Muster des spannungssteigernden Aufschubs – inklusive der Vorfreude auf den nächsten Tag. Somit ist „Till Eulenspiegel“ der perfekte Familienfilm und ein Film für Fernseh-Nostalgiker.

Perfekt ist auch und vor allem die Besetzung. Devid Striesow als selbstherrlicher Machthaber darf dem deutlichen Hassobjekt und Antipathieträger ein vielgesichtiges Antlitz geben. Anna Bederke spielt Till Eulenspiegels Jugendliebe leise und mit dem nötigen Geheimnis. Auch Peter Jordans ernsthaftes Spiel als Medium zwischen Gut und Böse lässt frühzeitig erkennen, dass sein Sekretär des Bürgermeisters kein Ja-Sager bleiben wird. Und die zehnjährige Jule Hermann ist das, was man als ein Naturtalent bezeichnet, denn ihre Rolle verlangt es eben nicht, einfach nur Kind zu sein: ihre Marie ist vielmehr eine Art Wunderkind, das Leben und Schreiben kann, sprachgewandt ist und sich in den Wissenschaften bestens auskennt. Perfekter als perfekt, wenn es das geben sollte, ist Jacob Matschenz als Till Eulenspiegel. Kein anderer Schauspieler in den Noch-Zwanzigern (zur Ausstrahlung ist Matschenz bereits 30) drängt sich mehr auf für diese Rolle als jener König der Schmunzler („Finn und der Weg zum Himmel“), der aber auch ganz anders kann („Dreileben – Etwas Besseres als den Tod“). Bereits mit 24 Jahren holte er sich den Grimme-Preis für das TV-Drama „An die Grenze“.

Till EulenspiegelFoto: NDR / Boris Laewen
Der Bürgermeister von Lübeck (David Striesow) will Till Eulenspiegel hängen sehen.

„Till Eulenspiegel“ ist ein Spaß auf hohem handwerklichen Niveau. Die Handlung ist schnell durchschaut, die Färbung der Charaktere eindeutig, der finale Spannungsbogen klar – und doch ist der Film in seiner narrativen und ästhetischen Gesamtanmutung keinesfalls simpel. Auch der Humor ist teilweise hintersinnig, indem er die Eitelkeit der Macht an den Pranger stellt, kann aber auch von kleinen Kindern (anders) verstanden werden. Bei allen moralischen Zwischentönen macht dieser ARD-Zweiteiler vor allem Laune. Es ist die Lust am Spiel, die einem auf allen Ebenen begegnet. Nicht die Beute ist das oberste Ziel, die lange Nase für den „Gebeutelten“ ist zumeist der Sinn von Eulenspiegels Streichen. Es schwingt auch die Lust an der Freiheit mit, die sich dieser unabhängige Narr im 14. Jahrhundert um die Nase wehen ließ.

Die Enge der Städte und die Weite der Eulenspiegelschen Welt spiegelt Christian Theedes Film in eindrucksvollen Bildern. Kameramann Felix Cramer entfernt sich deutlich vom Einheitslook der ersten ARD-Märchenverfilmungen. Jede Situation bekommt ihre eigene Bildsprache. Wenn der Held Saltos schlägt in Gottes schöner Natur fliegt die Kamera, wenn er sich als großer Maler ausgibt, verfinstert sich das Bild ganz im Stil der alten Meister. Das Spiel mit Licht & Schatten, mit Farbe & Cadrage, der stimmige Erzählfluss zwischen Finalspannung & den unterhaltsamen Streichen en detail, all das sollte bei aller Präsenz von Matschenz & Co nicht gering geschätzt werden. Fazit: Weihnachten kann kommen! (Text-Stand: 28.11.2014)

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Serie & Mehrteiler

MDR, NDR

Mit Jacob Matschenz, Devid Striesow, Jule Hermann, Anna Bederke, Peter Jordan, Katja Danowski, Peter Heinrich Brix

Kamera: Felix Cramer

Szenenbild: Thorwald Kiefel

Kostüm: Elene Wegner

Schnitt: Martin Rahner

Musik: Peter W. Schmitt

Produktionsfirma: Zieglerfilm Köln

Produktion: Elke Ried, Torsten Flassnöcker

Drehbuch: Dieter Bongartz, Leonie Bongartz

Regie: Christian Theede

Quote: 1. Teil: 1,16 Mio. Zuschauer (10,3% MA)

EA: 25.12.2014 16:15 Uhr | ARD

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