Tatort – Zwei Leben

Stefan Gubser, Delia Mayer, Weber. Konventioneller Krimi mit Drama-Mehrwert

Foto: SRF / Daniel Winkler
Foto Volker Bergmeister

Ein Mann stürzt von einer Autobahnbrücke vor einen Fernbus. Der vermeintliche Suizid entpuppt sich als Mord. Im Busfahrer erkennt Kommissar Flückiger einen ehemaligen Militär-Kollegen. Der neue Schweizer „Tatort – Zwei Leben“ ist ein vielschichtig erzähltes Krimi-Drama, in dem neben der Tätersuche vor allem der traumatisierte Fahrer im Mittelpunkt steht. Wie der mit dieser Situation völlig überfordert ist, aggressiv reagiert und zum Rächer mutiert, schildert der 12. Fall aus Luzern, in dem Flückiger wohl eine feste Beziehung bekommt.

Gehen den „Tatort-Machern langsam die Titel aus? „Zwei Leben“ hieß bereits der 61. Fall mit dem legendären Kommissar Haferkamp aus dem Jahr 1976. Jetzt spielen also auch die Schweizer mit diesem Titel, der eigentlich schon vermuten lässt, wohin die Reise geht. Ein (zunächst) Unbekannter springt vor einen Fernbus. Der vermeintliche Selbstmord lässt beim Busfahrer traumatische Erinnerungen hochkommen. Als Lokführer hat er bereits zweimal so etwas durchgemacht. Zunächst reagiert er geschockt, dann aggressiv, er tritt auf den Toten ein und beschimpft ihn. Kommissar Flückiger (Stefan Gubser) erkennt in dem Busfahrer Beni Gisler (Michael Neuenschwander), einen ehemaligen Kollegen aus dem Militär, und nimmt sich – unterstützt von der zuständigen Psychologin des Care Teams (Stephanie Japp) – seiner an. Bald entpuppt sich der Fall als Mord. Das Opfer hatte eine hohe Dosis Benzodiazepin im Blut und hätte sich unmöglich allein von der Brücke stürzen können. Die Identität des Mannes zu klären, erweist sich für Flückiger und Liz Ritschard (Delia Mayer) als Herausforderung. Eine Spur führt in die Bauwirtschaft. Jakob Conti (Markus Graf), Ex-Chef eines heute erfolgreichen Bauunternehmens hat Ähnlichkeiten mit dem Opfer. Der soll jedoch bereits vor vielen Jahren umgekommen sein – beim Tsunami in Thailand. Dessen Witwe (Saskia Vester) und Sohn (Roland Bonjour) verhalten sich merkwürdig. Was haben sie zu verbergen?

Tatort – Zwei LebenFoto: SRF / Daniel Winkler
Prosit zum Jahrestag: Eveline (Brigitte Beyeler) und Reto Flückiger (Stefan Gubser). Der 13. „Tatort“ aus Luzern: Zwei Leben“

Filmisch beginnt der „Tatort – Zwei Leben“ vielversprechend: Ein Bus rollt nachts über den Asphalt, die Kamera ist nah am Fahrer. Auf einer Brücke sieht man einen Mann stehen, auch sein Gesicht gibt es in Nahaufnahme. Er springt, die Scheibe des Busses berstet, der Fahrer ist paralysiert – starke Bilder. Bald schon wird deutlich, dass der Film mehr als „nur“ ein Krimi sein will. Felix Benesch und Mats Frey schildern zwar die Suche nach dem Mörder. Die verläuft aber eher klassisch und konventionell, ist nicht gerade von großer Spannung geprägt und auch sehr dialoglastig in bekannten Mustern. Doch die Autoren erzählen auch die Geschichte eines Mannes, der von der Situation, jemanden überfahren zu haben, traumatisiert ist. Dabei gehen sie noch einen Schritt weiter: Dieser Mann hat bereits zweimal vorher so etwas erlebt und daraufhin seinen Job gewechselt. Ein Mensch in einer extremen psychischen Ausnahmesituation – ihm geben Benesch/Frey viel Raum, schildern seinen Kampf mit schweren Belastungsstörungen und aggressiven Ausbrüchen, und führen seine Geschichte zu einem dramatischen Finale. Denn der Busfahrer heftet sich, als er erfährt, dass der Mann nicht aus freien Stücken von der Brücke gesprungen ist, an die Fersen des Mörders. Dass Kommissar Flückiger zudem einen persönlichen Bezug zu dem Fahrer hat, macht die stellenweise etwas zu verkopft wirkende Story ein Stück intensiver und emotionaler.

Regisseur Walter Weber („Bella Block – Tod eines Mädchens“, „Ein Dorf sieht Mord“ sowie Reihenformate wie „Ein starkes Team“ oder „Wilsberg“) inszeniert die Geschichte extrem entschleunigt, wie man es vom Schweizer „Tatort“ kennt. Alles wirkt ein wenig bedächtiger als bei den meisten anderen Krimis der Reihe. Sehr dicht und eindringlich sind die Szenen mit  dem traumatisierten Gisler, von Michael Neuenschwander behutsam und reduziert gespielt. Wenn er, einer tickenden Zeitbombe gleich, bei der Psychologin sitzt, spürt man, dass jedes falsche Wort, jeder falsche Blick bei ihm zu einem Ausbruch führen kann. Besonders beklemmend, weil sehr präzise inszeniert, ist eine Szene, in der die Frau dieses Ticken immer deutlicher vernehmen kann: Zur Verteidigung hebt sie ihre Stimme an, springt auf und fordert ihn zum Verlassen des Raumes auf, doch er geht auf sie los, sie kann ihn dann aber doch beruhigen, und er verlässt schließlich die Wohnung und irrt durch die Straßen. Leider stehen überzeugende Szenen wie diese im Kontrast zu denen bei der Tätersuche. Wenn zum Beispiel Flückiger bei einer Observierung auf einer Bauschuttdeponie landet und dort mit dem ersten Blick in einem bis an den Rand gefüllten Bauschuttlaster das Handy des Verfolgten entdeckt.

Schließlich gibt es auch noch eine dritte Erzählebene in diesem vielschichtigen Krimidrama. Die dreht sich um Kommissar Reto Flückiger. Der hat jetzt eine feste Beziehung mit Eveline, die in der letzten Folge „Kriegssplitter“ noch seine Affäre war. Nur über den bevorstehenden Jahrestag Ihrer Zweisamkeit sind sie uneins: „Der erste Kuss zählt, nicht die Hotelrechnung“, sagt sie und muss bald schon erfahren, wie es ist, die Frau an der Seite eines Kommissars zu sein. Denn den lässt sein Job nicht los – Verabredung hin oder her. (Text-Stand: 27.8.2017)

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Reihe

SRF

Mit Stefan Gubser, Delia Mayer, Fabienne Hadorn, Jean-Pierre Cornu, Michael Neuenschwander, Stephanie Japp, Roland Bonjour, Saskia Vester, Markus Graf, Brigitte Beyeler

Kamera: Stéphane Kuthy

Szenenbild: Peggy Dix

Musik: Fabian Römer

Produktionsfirma: Turnus Film

Drehbuch: Felix Benesch, Mats Frey

Regie: Walter Weber

Quote: 8,46 Mio. Zuschauer (25% MA)

EA: 17.09.2017 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

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