Ein Toter fällt vom Himmel. Eine spektakuläre Leiche hält der „Tatort – Zorn Gottes“ bereit. Auch wenn man vorher schon mitbekommt, wie und durch wen der Mann zu Tode kommt. Ein Schleuser (Christoph Letkowski) am Flughafen Hannover wartet auf einen „Kunden“. Es kommt zum Gerangel, der Mann stürzt unglücklich zu Boden und ist tot. Kurz darauf taucht Kommissar Falke (Wotan Wilke Möhring) auf, wird von Sicherheitsbeamten gejagt, die ihn für einen Terroristen halten. Doch der testet in seinem neuen Job nur undercover die Flughafen-Security. Kurz darauf plumpst dann eine Leiche vor den Augen eines jungen Paares, das sich bei einem Glas Sekt im hauseigenen Pool vergnügt, aus heiterem Himmel ins Wasser. Falke ermittelt, dass der Mann ins Triebwerk eines Flugzeugs gelegt wurde. Schnell wird klar, dass es sich um einen jordanischen Geschäftsmann handelt, der Opfer einer Verwechslung wurde, und die Spuren eines Mordes auf dem Flughafen vertuscht werden sollten. Falke, derzeit ohne berufliche Partnerin, wird bei seiner Arbeit von der taffen Polizei-Oberkommissarin Julia Grosz (Franziska Weisz) unterstützt. Die beiden stoßen auf einen zweiten mysteriösen Passagier, offenbar ein Syrien-Heimkehrer. Der ist illegal nach Deutschland zurückgekehrt und plant ein Attentat. Doch der Flughafenbeamte, der den Jordanier getötet hat, bringt den extremistischen Islamisten namens Günday (Cem-Ali Gültekin) in seine Gewalt.
Foto: NDR / Marion von der Mehden
Irgendwie muss Kommissar Falke ja an eine neue Partnerin kommen, nachdem Petra Schmidt-Schaller als Katharina Lorenz am Ende der letzten Folge ausgestiegen ist. Franziska Weisz ist die Neue, Julia Grosz, Polizeioberkommissarin bei der Bundespolizei, (nette Kleinigkeit am Rande: beide mit sz am Ende!) bereits in Afghanistan eingesetzt, von dort mit einem traumatischen Erlebnis zurückgekehrt und jetzt am Flughafen eingesetzt. Wie Falke sie „kennenlernt“, nun, das ist schon arg bemüht. Der Undercover-Sicherheitstester wird von ihr auf der Flucht niedergestreckt und sieht in den Lauf einer Waffe. Autor Florian Oeller, der die Bücher für zwei bemerkenswerte „Polizeiruf 110“-Folgen aus Rostock geschrieben hat („Sturm im Kopf“ und „Fischerkrieg“), hat sich für eine spektakuläre Begegnung entschieden. So richtig überzeugend und logisch ist das aber nicht gerade, dass Falke plötzlich über die Flughäfen tingelt und die Kontrollen unter die Lupe nimmt, dann aber Reißaus nimmt, ausgerechnet die Neue ihn überwältigt, er dann sogleich als Kommissar am Flughafen ermittelt und gleichzeitig eine neue Partnerin für weitere Einsätze suchen muss, die er am Ende dann auch findet. Da raschelt das Papier schon gewaltig. Keine Frage, Franziska Weisz ist eine gute Wahl, hat viel Präsenz und eine starke Ausstrahlung vor der Kamera, liefert einen soliden Einstieg, auch wenn es bei ihrer Figur noch ein wenig holpert. Liegt aber mehr daran, was da so alles in die Rolle reingepackt wird. So ganz erschließt sich die bewegte Vergangenheit in der ersten Folge noch nicht. Aber dazu ist auch kaum Zeit – die Story steht im Vordergrund. Prima ist, dass diese Julia Grosz körperlich wie verbal schlagfertig ist, auch wenn die Worte nicht gerade aus ihrem Mund sprudeln. Und dem Krimi tut auch gut, dass der Falke mit ihr an der Seite wieder ein wenig mehr Humor zeigt. Davon wünscht man sich demnächst mehr.
Foto: NDR / Marion von der Mehden
Der Titel „Zorn Gottes“ geht auf ein religiöses Motiv aus dem Koran zurück. Damit sind diejenigen gemeint, die nachdem sie gläubig waren, vom Glauben abfallen, sich den Zorn Gottes zuziehen und eine gewaltige Strafe zu erwarten haben. Autor Florian Oeller verwendet dieses Motiv für seine Geschichte um einen IS-Heimkehrer, der ein Selbstmordattentat plant. Aktualität und Brisanz passen immer gut in die „Tatort“-Reihe. Nur hat man hier das Gefühl, der Autor hat sich für die naheliegendste, und damit auch unoriginelle Lösung entschieden: der islamistische Fanatiker und der Anschlag. Dass da ideologische Basisarbeit in erklärenden Dialogen geliefert wird, ist wohl unvermeidlich. Vielleicht hätte man sich gerade deshalb mal einen anderen Ansatz gewünscht. Und das Ende gerät dann allzu „öffentlich-rechtlich“…
Regisseur Özgür Yildirim inszenierte auch schon den ersten Möhring-“Tatort – Feuerteufel“. Eine gute Idee des Senders, ihm den Neustart des Kommissars mit seiner neuen Partnerin anzuvertrauen. Yildirim (war erst mit „Boy7“ im Kino) beweist ein gutes Timing, bringt viel Atmosphäre in die Keller-Duelle zwischen dem IS-Kämpfer Günday und seinem Entführer Rocky Kovac und er spielt mit dem Motiv wortkarge Kommissarin vs. hemdsärmeliger Straßenbulle. Musikalische Unterstützung bei seinem zweiten „Tatort“ bekommt der Regisseur von Mousse T.. Der grammy-nominierte Musikproduzent zeichnet gemeinsam mit Peter Hinderthür für die Musik verantwortlich, die sich zwar nicht sonderlich spektakulär anhört, aber gut zur Atmosphäre dieses Krimis passt. Fazit: Die Logik nimmt kleine Auszeiten, das Team muss noch mehr zueinander finden und die Story ist zwar brandaktuell, aber nicht sehr originell; insgesamt ist noch viel Luft nach oben für Kommissar Falke und seine neue Kollegin Grosz. Die Idee, dass der Straßenbulle mal hier, mal da ermittelt, kein festes Einsatzgebiet hat, bietet Möglichkeiten, die man künftig noch besser nutzen sollte. (Text-Stand: 29.2.2016)