Tierschutz vs. Klimaschutz: Zu diesem Interessenskonflikt gibt es gleich zu Beginn eine Lektion für den Zuschauer. „Gigantische Vogelschredder“ seien die Offshore-Windparks, schimpft Henrick Paulsen (Helmut Zierl) in seinem Videoblog. Paulsen ist auf die Plattform eines Windkraftrads im Meer geklettert, wo er tote Vögel aufsammelt und zornig in die Kamera hält. In seiner Wohnung wird etwa zur selben Zeit Pico, ein anderer Umweltaktivist, erschossen aufgefunden. Und Paulsen verschwindet, nachdem er sein Video gedreht und ins Netz gestellt hat. Den Windpark betreibt ein alter Freund Paulsens. Lars Overbeck (Thomas Heinze) ist vom Aktivisten zum Geschäftsmann geworden, doch seiner Firma droht der Konkurs. Um den abzuwenden, wäre das Öko-Zertifikat einer einflussreichen NGO hilfreich. Deren Vorsitzende ist Paulsens Ex-Partnerin Katrin Lorenz (Annika Blendl), die nun mit dem überaus engagierten Tierschützer Kilian Hardendorf (Lucas Prisor) befreundet ist.
Diesem Bremer Kuddelmuddel liegt ein spannendes politisches Thema zugrunde, das auch Fragen zum Selbstverständnis von Umweltschützern berührt wie: Welche Kompromisse darf man eingehen? Wo beginnt der Verrat der eigenen Ideale? Doch die „Tatort“-Folge „Wer Wind erntet, sät Sturm“ ist arg plakativ geraten, schon zu Beginn mit Sätzen, die wie vom Flugblatt abgelesen klingen, und Figuren, die übertrieben und klischeehaft agieren. Dieses „Zuviel“ überzeugt bestenfalls als satirische Überzeichnung: Rafael Stachowiak spielt den androgyn wirkenden Milan Berger, Manager eines Hedgefonds, kalt, gierig und verschroben. Berger als zynischer Kapitalist und Hardendorf als kompromissloser Aktivist bilden die Extreme – allerdings ist das aggressive Gebaren Hardendorfs ziemlich anstrengend. Dazwischen stehen Lorenz und Overbeck, die interessantesten Charaktere, die nach eigenen Wegen suchen.
Foto: RB / Jörg Landsberg
Nur: Ein guter Film will aus diesem gesellschaftskritischen Krimi nicht werden, zu unausgegoren ist das Drehbuch von Wilfried Huismann und seiner beiden Co-Autoren. Offenkundig verarbeitet der Dokumentarfilmer und dreifache Grimme-Preisträger mit diesem „Tatort“ – es ist sein viertes Drehbuch für das Bremer Team – unter anderem seine Auseinandersetzung mit dem World Wildlife Fund (WWF), über den er einen Film („Der Pakt mit dem Panda“) sowie das „Schwarzbuch WWF“ veröffentlicht hatte. Annika Blendl spielt die erfolgreiche NGO-Managerin schön undurchsichtig, aber wieso sie sich letztlich auf einen Deal mit dem Hedgefonds einlässt, bleibt rätselhaft. Drehbuch und Inszenierung gelingt es nicht, dieses Thema als Krimi-Lehrstück fesselnd und plausibel zu erzählen.
Schon das erste Opfer (Pico) ist offenbar nur deshalb interessant, weil durch diese Figur auch noch auf den Kampf gegen genmanipuliertes Soja hingewiesen werden kann. Die kriminalistischen Aspekte sind eher Beiwerk, die Zahl der Spannungs-Momente bleibt übersichtlich. Kommissarin Lürsen (Sabine Postel) und ihr Stedefreund (Oliver Mommsen) leisten die „Tatort“-typische Ermittlungsarbeit und sind vor allem Stichwortgeber in den zahlreichen Dialogen, die sich um das Thema Energie-Wende und Umweltschutz drehen. Der Streit über den richtigen Weg bleibt jedoch plakativ und oberflächlich und wird gerne mal (von Overbeck & Hardendorf) mit den Fäusten ausgetragen. Eher überflüssig auch die Eigen-Werbung für die Radio-Bremen-Klassiker „Drei nach neun“ und „buten un binnen“. Immerhin: Die Kamera liefert eindrucksvolle Bilder, einige ungewöhnliche Perspektiven und wirkt vor allem in den actionreichen Szenen sehr dynamisch. Doch das kann es auch nicht rausreißen.