Er lässt sich gut gucken, dieser Jubiläums-„Tatort“ von Kommissarin Odenthal. Thomas Sarbacher, Corinna Harfouch und Jeroen Willems – das sind drei Hochkaräter, die scheinbar ohne jegliche Anstrengung eine Physis und Sinnlichkeit ins Spiel bringen, für die andere Schauspieler richtig arbeiten müssen. Ob „Vermisst“ richtig gut ist – das fragt man sich hinterher. Man hat sich gut unterhalten: der Film ist spannend, voller Fragezeichen, es passiert viel und man hat dennoch nicht den Eindruck, dass dieser Krimi mit Aktion(en) überladen ist.
Aber am Ende könnte man doch ein ungutes Gefühl haben… Die Handlung ist wendungsreich, steckt voller Überraschungen. Autor Christoph Darnstädt „plottet“ viel mit Tricks. Er führt nicht nur Lena Odenthal lange Zeit am Nasenring durch die Krimi-Manege, sondern mit der Identifikationsfigur auch den Zuschauer. Da fühlt man sich am Ende ähnlich irritiert wie bei Hitchcocks legendärem Krimiflopp „Die rote Lola“, bei dem die Handlung auf einer gelogenen Rückblende aufbaut und deshalb die Schluss-Pointe nicht zünden mag. Der „Tatort“ kann sich so etwas leisten. Acht Millionen Zuschauer dürften „Vermisst“ sicher sein.
Um was geht es? Eine Unbekannte will eine Aussage zu einem zwölf Jahre alten Mordfall machen. Als Lena Odenthal am Treffpunkt eintrifft, ist die Zeugin tot. Es handelt sich bei ihr um eine Frau, die seit zwölf Jahren als vermisst gilt. Als Michelle Boyer hat sie in Frankreich ein neues Leben begonnen, sehr viel glamouröser als in Ludwigshafen. Ein Immobilien-Unternehmer muss ihr das schöne Leben finanziert haben. In der Sache des zwölf Jahre alten Mordfalls gibt es nur Ungereimtheiten. Worüber hätte diese Frau eine Aussage machen wollen? Ritterling, der seine Frau nach einem Ehestreit getötet hat, ist rechtskräftig verurteilt worden. Er hat seine Strafe abgesessen, lebt auf einem Segelboot und ist mit sich im Reinen.
Lena Odenthal ist fasziniert von diesem Mann, der sie dazu bringt, ihr Leben, die letzten 20 Jahre, zu hinterfragen. Sie möchte glauben, dass Ritterling seine Frau nicht umgebracht hat… Es gibt Momente in diesem von Andreas Senn atmosphärisch klug und kühl inszenierten Krimi, in denen man der oft so strengen Kommissarin einen Neuanfang mit diesem außergewöhnlichen Mörder wünscht. Momente, in denen Ulrike Folkerts mit wenigen Blicken mehr andeutet über die Sehnsüchte ihrer Figur als in ihren 20 „Tatort“-Jahren, wo Odenthal eine Frau ohne private Eigenschaften blieb. Diese Momente und das Ehe-Endspiel von Harfouch als zickigem Eisschrank allein schon machen „Vermisst“ sehenswert.