Tatort – Vergeltung

Krassnitzer, Neuhauser, Murnberger: Wut-Jugend, Ösi-Asis & Eisners Wien-Blick

Foto: ORF / RBB / Oliver Roth
Foto Rainer Tittelbach

Ein mordender Serienkiller spielt Racheengel, Jugendliche laufen Amok. Ein schwieriger Fall ist auch Eisners neue Kollegin: 20 Jahre bei der Sitte – da braucht die Seele Hochprozentiges. Der gute Mensch und die Grenzgängerin, Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser – das ist ist eine vortreffliche Kombination. So unterschiedlich die Figuren und die Mentalitäten der beiden Schauspieler, so wunderbar treffen sich beide in der konzentriert realistischen Tonlage von Wolfgang Murnberger. Und der nicht unspannende Fall um die empathielose Ohnmacht der Eltern & die gnadenlose Wut ihrer Sprösslinge besitzt vor allem thematische Qualitäten.

Eine Hiobsbotschaft für Chefinspektor Moritz Eisner. Um einen jungen, frischen Kollegen hatte er ersucht. Und wen bekommt er an die Seite gestellt? Bibi Fellner, 20 Jahre bei der Sitte, seelisch ein Wrack und auch körperlich reichlich angeschlagen. Doch da muss Eisner durch. Und so donnern die beiden mit einer Zuhälterkarosse über die Straßen von Wien – einem Serienkiller auf der Spur, einem Racheengel, der brutal Selbstjustiz übt. „Der Mörder tötet seine Opfer auf die gleiche Art, wie sie selbst jemanden umgebracht haben“, stellt Bibi zwischen zwei Schnapserln im Dienst fest. Eisner nickt und setzt seine besorgte Wien-Miene auf. Ermittelt wird in Teenagerkreisen und Therapiegruppen, in wohlstandsverwahrlosten und kaputten Familien. Und eines steht fest: Der Täter kommt aus dem Umfeld der Opfer.

Tatort – VergeltungFoto: ORF / RBB / Oliver Roth
Die Fraktion der ohnmächtigen Erwachsenen: der Psychologe (Harald Schrott), die Schlagersängerin (Aglaia Szyszkowitz) und der Herr Kommissar (Harald Krassnitzer)

Der gute Mensch und die Grenzgängerin – das ist der eine Reiz des neuen ORF-„Tatorts“. Vater Eisner zeigte sich in der Vergangenheit gelegentlich arg moralisierend und betroffen. Da ist so eine desillusionierte Kollegin ein „gesunder“ Kontrast. Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser – das ist zudem eine wunderbare Kombination. Die Gesichter beider Schauspieler erzählen völlig andere Geschichten und vom Temperament her könnte man sich kaum ein unterschiedlicheres Pärchen vorstellen. Dennoch treffen sich beide wunderbar in der konzentriert realistischen Tonlage von Wolfgang Murnbergers Film. Die Gegensätze werden nicht künstlich hochgejazzt, sondern beide Figuren pendeln sich zunehmend aufeinander ein.

Bei einem so starken Duo, könnte der Fall Nebensache sein. Er ist es aber nicht. „Vergeltung“ kreist um die empathielose Ohnmacht von Eltern und die gnadenlose Wut ihrer Sprösslinge. Viel erklären lässt sich da nicht. Wo die Gesellschaft ratlos ist, können die Antworten eines Kommissars nur enttäuschen. Ein paar Andeutungen werden gemacht. Da sehen wir eine Schlagersängerin, die lieber auf der Bühne steht, als die Nacht am Krankenbett ihrer schwer verletzten Tochter zu verbringen: der Kommentierung durch die Ermittler hätte das nicht bedurft. Zwei Mal nimmt Autor Uli Brée den Zuschauer mit ins Wohnzimmer einer Ösi-Asi-Familie. Was nach Klischee aussieht, ist Teil eines maroden Beziehungssystems, in dem es nur Täter-Opfer oder offenbar nur völlig reflexions- und empathielose Menschen gibt. Ein Krimi kann nicht die Welt erklären, aber ein Abbild von realen Konflikten & Mustern geben. In diesem Sinne ist „Vergeltung“ ein guter Krimi und das Pärchen Eisner/Fellner vorbildlich. Wie sie, der Aufrechte und die Alkoholikerin, ihre desolate „Beziehung“ hin kriegen, hat Modell-Charakter: jeder „lernt“ vom anderen und Eisner verstrickt sich nicht in Ko-Abhängigkeit.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

ORF, rbb

Mit Harald Krassnitzer, Adele Neuhauser, Harald Schrott, Rasa Weber, Aglaia Szyszkowitz, Johannes Krisch, Tanja Raunig

Kamera: Thomas Benesch

Schnitt: Ingrid Koller

Musik: Matthias Weber

Produktionsfirma: Allegro Film

Drehbuch: Uli Brée

Regie: Wolfgang Murnberger

Quote: 8,33 Mio. Zuschauer (22,9% MA)

EA: 06.03.2011 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach