Ein Mann ist Opfer einer grausamen Tötung geworden. Zersägt und verbrannt in einer stillgelegten Fabrikhalle. Es handelt sich um einen Russen, der in einem Dortmunder Hotel abgestiegen war. In dessen Zimmer stoßen die Kommissare Faber (Jörg Hartmann) und Bönisch (Anna Schudt) auf einen kleinen verschüchterten Jungen (Cecil Schuster), offenbar der Sohn des Toten, aus dem jedoch kein Wort herauszukriegen ist. Nur auf den Namen „Kambarow“ reagiert der Junge. Oleg Kambarow (Samuel Finzi), ein russischer Oligarch, hat sich in demselben Hotel eingemietet. Weil es auch das Haus ist, in dem Bönisch einst in den Nächten Abwechslung vom tristen Alltag suchte, muss sie nun dort undercover ermitteln. Neben der überkorrekten Rezeptionistin (Victoria Mayer) fällt ihr vor allem jener Kambarow auf, anfangs nicht, weil er sich besonders verdächtig machen würde, sondern weil er ein charismatischer Mann ist und sein Interesse an der schlagfertigen Deutschen sofort geweckt ist. Der eifersüchtig reagierende Faber spielt derweil den Wachhund, Nora Dalay (Aylin Tezel) muss sich um den Jungen kümmern, der als möglicher Augenzeuge des Mordes in Gefahr sein könnte, und der Neue, Jan Pawlak (Rick Okon), muss in einem Fightclub, in dem Mixed-Martial-Arts praktiziert wird, mitmischen, um etwas über die illegalen Kämpfe zu erfahren, mit denen sich offenbar der Tote seine Finanzen aufgebessert hat. Auch Bönisch kommt durch die Bekanntschaft mit Kambarow in Kontakt mit dieser Kampfsportszene und deren streng geheimen Fight- und Wett-Events. Und natürlich bringt sie sich damit in große Gefahr.
Foto: WDR / Thomas Kost
Das Gladiatoren-like Scenario der Schwitzkastenkolosse und Knochenbrecher war Regisseurin Maris Pfeiffer offenbar düster genug. Sie hat deshalb den zwölften „Tatort“ aus Dortmund mit dem Titel „Tod und Spiele“ nicht in stylishes Grau-in-Grau getaucht, hat den Bildern mehr Farbe gegeben als üblich und auf die für diesen Reihen-Ableger typische strenge Kameraarbeit verzichtet. Das passt auch zur Grundtonlage des Drehbuchs von Wolfgang Stauch. Diese ist – abgesehen von der kalten Parallelwelt mit dem „Eyes Wide Shut“-verdächtigen Maskenspiel und den brachialen Fight-Einlagen – gemäßigt, ist heller, weniger schwer, und der Umgangston zwischen den Kommissaren ist für Dortmunder Verhältnisse geradezu freundlich. Der Kamikaze-Kommissar Faber hält sich deutlich zurück. Der Junge, den er Kleinkhan tauft, erweicht offensichtlich sein Herz und lässt ihn sein Trauma zumindest für diese eine Episode vergessen. „Nach den letzten Teilen wie ‚Sturm‘ und ‚Tollwut‘ dürfen die Zuschauer mal ein wenig Luft holen; aber natürlich nur, um bereit zu sein für die Zuspitzungen, die bald folgen werden“, verspricht Jörg Hartmann. Sein Faber zeigt Anflüge von Empathie. „Sie haben gelächelt … so ein kleines, sympathisches Lächeln“, stellt denn auch Martina Bönisch in der Schlussszene fest. Der Kollege kontert zwar, „Ich kann gar nicht lächeln, das geben meine Gesichtsmuskeln gar nicht her“, doch am Ende muss er sich geschlagen geben von dieser Frau, die ihn so unverfroren anstrahlt. Und glaubt man dem letzten Blickkontakt zwischen den beiden, dürfte das wohl nicht der Anfang einer wunderbaren Freundschaft werden, sondern vielleicht etwas noch Spannenderes. Den Subtext ihrer Beziehung zwischen sexueller Anziehung und banaler Eifersucht jedenfalls nähren die 90 Filmminuten. „Ich gehe mit ihm nicht ins Bett und ich gehe mit Ihnen nicht ins Bett“, stellt Bönisch klar – und sie lügt.
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Mit dem neuen Kollegen, der Faber & Co bereits im vorangegangenen „Tatort“ aus Dortmund als Undercover-Mann begegnete, bekommt auch das kommunikative Viereck der Kommissare neue Impulse. Jan Pawlak fügt sich gut ein, ist weder Mimose noch Alphamännchen. Der junge Mann weiß Faber zu nehmen, ist – wie er sagt – glücklich verheiratet und wird sich deshalb wohl nicht wie sein Vorgänger sofort verlieben in Nora Dalay, die im Übrigen deutlich auf Distanz zu dem jungen Hauptkommissar geht (sie ahnt offenbar, dass sie als nur Oberkommissarin wahrscheinlich künftig die Drecksarbeit alleine machen muss). Und der scheint kein Karrierist zu sein, sondern einfach nur ein sehr guter Ermittler, wie er bei seinem Einstand gleich beweisen darf. Er erkennt das schwächste Glied in der Kette, handelt professionell und steht zu seinem Wort. Was die kriminalistischen Optionen angeht, dürfte diese Figur in die kommenden „Tatort“-Fälle mehr einbringen als Kossik, der ja als Fabers Gegenspieler zuletzt so viel tun musste für das aus dem Gleichgewicht geratene Viereck.
Die untypischen Ermittlungsmethoden von Pawlak und vor allem Bönisch sind das Herzstück dieses dichten Krimis, der auf allen Ebenen bestens funktioniert. Als Zuschauer ist man emotional besonders nah bei diesen beiden, deren falsche Identität jede Sekunde aufzufliegen droht. Sogar Faber stößt einen diesmal nicht permanent vor den Kopf. Geschichte und Dramaturgie harmonieren gut miteinander, die Handlung lebt von einer latenten Spannung, die Interaktionen mit ihren Verbalscharmützeln und der ironischen Grundausstattung der „erwachsenen“ Kommissare sorgen für fast heitere Momente, und das, wovon in diesem Krimi erzählt wird, das besitzt – bei aller Überhöhung – einen gesellschaftspolitisch relevanten Kern: Die extreme Schere zwischen Arm und Reich findet in der Geschichte vom modernen Gladiatoren-Kampf seine stimmige Metapher. Die einen sind verzweifelt, die anderen übersatt und gefährlich dekadent. Und anders als bei den „Tatort“-Kollegen aus Köln muss dies erfreulicherweise keiner der Kommissare mit moralinsaurer Bittermiene kommentieren.
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