Schmalzbarde Roman König, ein Kind der Stadt, weilt vor einem Konzert in Münster. Zeitgleich befindet sich ein weiblicher Fan des Frauenschwarms auf Boernes blankpoliertem Edelstahl: eine Journalistin aus Bremen. Der Schlagersänger und der Pathologe freunden sich an, da sie – einem lebensgefährlichen Bananenspinnen-Malheur in Boernes Haus sei Dank – im Nobelhotel der Stadt Suite-Nachbarn sind. Roman König ist wieder in der Hitparade, sein Titel „Egoist“ ist aber offenbar geklaut. Wird er deshalb wenig später mit Hilfe eines Bienenstichs erstickt? Hat also der um seine Tantiemen geprellte Gitarrenrocker Manni, ein alter Kumpel von Thiel Senior, die Hände im Spiel? Oder wurde König dessen Sexsucht zum Verhängnis? Da gibt es die süße Stalkerin, die dem Herzensbrecher mit ihrem Wohnmobil ständig hinterher reist, und plötzlich ziemlich sauer auf ihn reagiert. Und da ist noch eine Verehrerin, die offenbar zur „Herde der dummen Kühe“ gehört. Und auch die tote Journalistin war eine aus Königs Harem. Die Körper all dieser Frauen ziert das gleiche Tattoo: eine blaue Tulpe.
Der „Tatort – Summ, Summ, Summ“ ist ganz anders als das poetisch versponnene „Wunder von Wolbeck“, der filmisch komplexe Jubiläumsfall, der der ARD die höchste Einschaltquote für einen „Tatort“ seit fast 20 Jahren bescherte. Der neue Fall lotet konsequent die andere Richtung des Münster-Ablegers aus: Witz, Satire & popkulturelle Bedeutung. Da wird von den Autoren Stefan Cantz und Jan Hinter nicht lange nach einem Hintersinn gefragt, da wird wild und witzig getextet, schlüssig kriminalistisch geplottet und vor allem – das Wichtigste für eine gute Krimi-Komödie – flüssig erzählt, mit allerhand filmimmanenten Bezügen, aber auch mit zahlreichen Verweisen in die Wirklichkeit. Da wird der kleinwüchsigen Boerne-Assistentin eine amouröse Affinität zu Danny DeVito (ebenfalls kein Riese!) angedichtet. Da wird der einstige Schwerenöter Roland Kaiser zu Roman König gemacht. Da wundert sich Thiel (man kennt’s vom „Dschungelcamp“), wer alles plötzlich Schlager hört – sogar die toughe Staatsanwältin ist König-Fan. Nur Boerne und König selbst ziehen die Sopranistin Lotte Lehmann dem „Egoist“-Hit vor. Visuell gut gelungen ist auch der Konzert-Auftritt (in vielen Filmen wirkt so etwas oft eher peinlich). Es hat sich gelohnt, einen echten Schlagersänger zu verpflichten. Auch in den Spielszenen macht sich Roland Kaiser besser als unlängst Kati Witt auf Sat 1.
Die Vorgaben der Produktion und die Vorlage des Buchs (klare, wiederkehrende, attraktive Handlungsorte, extrem süffige, geschliffene Dialoge) sind die halbe Miete. Vor allem die Witze hängen nicht – wie sonst so oft in Münster – in der Luft. Wenn Boerne aus seinem selbstgefälligen Redefluss nicht mehr herauskommt, oder wenn Staatsanwältin Klemm, die endlich mal wieder mit trockenem Humor und ebensolchem Raucherhusten punkten darf, das letzte süffisante Wort hat („Manchmal kann man da wirklich nur noch reinhauen“, sagt sie über Boerne), wenn die Infos zum Fall wunderbar verspielt mit kleinen Scharmützeln versetzt werden, dann ist das etwas anderes als die kurzatmigen schadenfreudigen Gags, mit denen sonst oft das immergleiche Ritual beschworen wird. In „Summ, Summ, Summ“ ist alles eine Nummer besser, stimmiger, dramaturgisch klüger, hinterfotziger – was vielleicht auch am Ensemble liegt: Ulrike Krumbiegel, Fritzi Haberlandt, Petra Kleinert oder Guntbert Warns sind eine Klasse für sich. Dass viele Zuschauer nach 75 Minuten den Mörder erahnen werden, ist keine Whodunit-Schwäche, in einer Krimikomödie kommt es ohnehin vornehmlich auf das „Wie“ (der launigen Überführung) an. Und das stimmt bei diesem 23. Münster-„Tatort“, inszeniert von Kaspar Heidelbach, auch filmisch: edel das (Hotel-)Ambiente, elegant die Kamera, flüssig die Montage. Dieser „Tatort“ ist eine gute Antwort auf den Krimi-Overkill.