Kurz vor der Finalrunde der Castingshow eines Privatsenders wird Musikmanager und Jurymitglied Udo Hausberger stranguliert in seiner Villa aufgefunden. Alles deutet darauf hin, dass er sich auf der Suche nach dem perfekten Orgasmus bei extremen Sexspielen selbst erwürgt hat. Als das Wiener Cop-Duo Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) auf die Witwe treffen, scheint diese nicht sonderlich zu trauern. Angelika Hausberger (Aglaia Szyszkowitz) weist auf die offene Ehe hin, sie war bei ihrem jungen Lover Benny Raggl (Michael Steinocher), als ihr Mann umkam. Dann bekommt der Fall eine Wende. Bei der Obduktion wird in der Kehle des Opfers ein zerknülltes Stück Papier gefunden. Kein Zweifel, daran ist der Musikmanager erstickt. Auf dem Zettel entdecken die Ermittler einen Liedtext, den jener junge Mann mit toller Stimme singen soll, der als Favorit für den Sieg der Castingshow gehandelt wird: Aris Graf (Rafael Haider). Und bald schon haben Moritz & Bibi eine Handvoll Verdächtige, denn Hausberger entpuppt sich als rücksichtsloses und herrschsüchtiges Ekel, das die jungen Sangestalente gern auch für seine Sexspiele benutzte.
Drehbuchautor Ulli Brée lässt die Austro-Kommissare eintauchen in die Welt der Illusionen und Träume junger Menschen, die Musikstars werden wollen. Brée, der 2011 mit dem „Tatort: Vergeltung“ die Figur der Bibi kreiierte und seither drei weitere vielbeachtete Folgen („Ausge-löscht“, „Abgründe“, „Paradies“) für den Oberstleutnant und die Majorin geschrieben hat, blickt hinter die Kulissen dieses Geschäfts, in dem es hart zugeht, Zynismus und Ausbeutung dominieren und junge, lebensunerfahrene Menschen Träumen nachhecheln, ohne zu wissen, ob das wirklich ihre Lebenserfüllung ist. In knapp 90 Minuten verdichtet der Autor die Mechanismen und Typen der Castingwelt, spitzt zu und überspitzt, ist mal zynisch, mal böse, mal diferenziert, aber auch mal plakativ. Da sind der böse, hier auch noch abartige Manager, das ausgenutzte, gefallene Talent, der Junge, der zum neuen Star werden soll und es besser machen will, die Mama, die sich um die Karriere kümmert, die TV-Tussi aus der Produktion und die eiskalte Witwe. Zuweilen hat man das Gefühl, dass weniger Aspekte besser gewesen wären. Alles ist drin. Auch die Botschaft ist arg offensichtlich. Aber wie die Österreicher das erzählen, das ist unterhaltsam – mal traurig, mal humorvoll. Und diese herrlich pointierten Dialoge, in einer Dichte, wie man sie in deutschen Krimis selten findet.
Für den Witz in diesem Krimi sind Moritz und Bibi zuständig. Das Besondere am ORF-“Tatort“ der letzten Jahre sind zweifelsohne diese beiden Hauptfiguren und ihre Beziehung zueinander. Ihre unterschiedliche Art, an die Fälle heranzugehen und sie zu lösen, die unterschiedlichen Befindlichkeiten und der trockene, auch mal makabere Humor, mit dem Moritz Eisner und Bibi Fellner ihre Fälle lösen, das macht den „Tatort“ aus Wien stets zu einem echten Genuss. Auch diesmal. Wie sie sticheln, sich fetzen, beinahe wie ein altes Ehepaar angiften, wie sie bei den Ermittlungen mit Verdächtigen umgehen – das ist höchst vergnüglich. Der kauzige Bulle und die „coole Oide“, wie Adele Neuhauser selbst einmal die Bibi charakterisierte, dürfen diesmal sogar beide auf Braut bzw. Bräutigamschau gehen. Moritz fühlt sich zart und leise zur Mama des talentierten Nachwuchssängers Aris hingezogen, auch Bibi hat ein Date – und zudem landen beide dann auch noch gemeinsam beim Sexualtherapeuten, allerdings nicht privat, sondern rein beruflich.
Michi Riebl, ein durch ORF-Serie wie „Cop Stories“, „Die Detektive“, „Vier Frauen und ein Todesfall“ sowie „Schnell ermittelt“ Krimi-erprobter Regisseur, hat seinen zweiten „Tatort“ (nach „Glaube, Liebe, Tod“) in Szene gesetzt. Er führt Moritz und Bibi souverän und mit der nötigen Lockerheit durch den Fall, springt stilsicher zwischen der mondänen Welt und dem „normalen“ Leben hin und her, arbeitet die Atmosphäre rund um die Castingshows gut heraus. Aglaia Szyszkowitz mimt die gefühlskalte Witwe, die ihren Lover locker in die Wüste schickt und ebenso mit dem Tod ihres Mannes umgeht. Thomas Stipsits sorgt als lernbegieriger, vorlauter Kriminalassistent für kleine Spitzen. Und die Figur des Casting-Favoritin Aris hat man mit einem echten Sängerprofi besetzt. Der 24-jährige Rafael Haider, in der Alpenrepublik bekannt und beliebt, mimt den Jungstar. Den Song, der dieser Figur zum Sieg verhelfen soll, hat der aus einer Musikerfamilie stammende Tiroler übrigens selbst geschrieben.