Gerade waren die Kommissare noch beim Konzert in den Stuttgarter Wagenhallen – da liegt einer der Geschäftsführer des alternativen Kulturzentrums in seinem eigenen Blut. Von seinem Tod profitiert am meisten der mächtige Bauunternehmer Rühle, eine schwäbische Institution. Er ist einer, der sein Umfeld tyrannisiert – aber Rühle ein Mörder?! Auch dass der schwer kranke Mann für seine letzte „Baumaßnahme“ einen Mörder anheuert, ist eher unwahrscheinlich. Zum Kreis der Verdächtigen gehört außerdem Ko-Geschäftsführer Timo Holzmann: Er fühlte sich allein gelassen mit der Arbeit im Kulturhaus – und er gibt sich ausgesprochen fürsorglich der Frau des Toten gegenüber. Aber Holzmann wirkt grundehrlich. Auch die Witwe, eine mazedonische Kick-Boxerin, die gerne mal hinlangte bei ihrem Liebsten, könnte die Täterin sein. Im Affekt ist ihr alles zuzutrauen. Aber diese Frau ist schwanger. Ins Spiel kommt außerdem noch Rühles Fußabstreicher Clemens Doll. Aber der ist ein alter Schulfreund von Bootz, hat eine krebskranke Mutter und wirkt insgesamt zu nett. Bliebe noch der schwule Kunsthistoriker, der ein Auge auf Lannert geworfen hat. Der ist ziemlich auskunftsfreudig und sieht nicht so aus, als ob er einen brutalen Mord begehen könnte.
Foto: SWR / Stephanie Schweigert
„Grabenkämpfe“ ist ein klassischer Whodunit. Allerdings legen die üblichen Verdächtigen in diesem „Tatort“ eine solche Harmlosigkeit und Nettigkeit an den Tag oder brüllen so laut, dass man nicht glauben kann, sie könnten auch beißen. Das Resultat ist ein launiger Wohlfühlkrimi, der das Sympathie-Potenzial seiner beiden Kommissare voll ausschöpft – die Möglichkeiten des Krimis allerdings nicht einmal ansatzweise. Der Fall besitzt nur wenig innere Logik, der Film folgt der äußeren Logik des Rätsels, eines Rätsels für den Zuschauer. Krimi ist hier ein Spiel mit Versatzstücken und Figuren, die wie Marionetten geführt werden. Die Autoren sind die Strippenzieher. Und obwohl einer der fünf Verdächtigen auch der Täter ist, bekommt man als Zuschauer den Eindruck, der Mörder werde am Ende aus dem Hut gezaubert.
Diese Art Krimi ist effektiv, bringt viele Zuschauer, sie ist hinreichend erprobt beim „Tatort“ in Köln und Münster – aber von der hohen Kunst des Krimis oder Krimidramas ist dieser „Tatort“ so weit entfernt wie „Inga Lindström“ vom Grimme-Preis. Auch die „aktuelle Brisanz“ der Geschichte in Hinblick auf Stuttgart 21, die das SWR-Presseheft behauptet, bleibt leider auch im Film nur eine Behauptung. Etwas mehr Mühe hätten sich die Autoren Stefan Cantz und Jan Hinter schon geben können. Oder scheute der SWR letztlich die Brisanz des Themas? Wesentlich besser kommt dagegen der Insider-Joke des Stuttgarter Pathologen, der auf einer Tagung in Westfalen war: der lästert mit schwerem Kopf von den „pausenlosen Schwadronaden des geschätzten Münsteraner Kollegen“. (Text-Stand: 25.4.2011)