Wie gut, dass das „Erste“ den neuen Fall der niedersächsischen LKA-Beamtin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) noch in Sichtweite zu ihrem letzten Auftritt ausstrahlt: Fast nahtlos schließt „Dunkle Wege“ an „Märchenwald“ an. Staatssekretär Tobias Endres (Hannes Jaenicke) spielt immer noch eine wichtige Rolle im Leben der Kommissarin. Auch hinter der Kamera funktioniert die Fortsetzung: Regie führt erneut Christiane Balthasar, die gerade für die mal schroffe, mal zärtliche Beziehung des ungleichen Paars die richtigen Töne findet. Im Vordergrund der Geschichte steht zwar der übliche Mord, doch das Drehbuch von Thorsten Näter und Susanne Schneider findet einen cleveren Weg, das reizvolle Duo auch beruflich zusammenzuführen: Polizeischüler führen eine Übung mit Geiselnehmer durch; sie endet mit einem echten Toten. Lindholm übernimmt die Ermittlungen. Wegen der Bedeutung des Falles soll auch ein Vertreter des Innenministeriums anwesend sein: Endres.
„Dunkle Wege“ ist erst der sechste Fall für die Niedersächsin, doch im Gegensatz etwa zur Bodenseekommissarin Klara Blum (Eva Mattes) hat sich Maria Furtwängler längst etabliert. Völlig zu Recht gehören ihre „Tatort“-Krimis zu den beliebtesten. Das liegt nicht zuletzt an der Konstellation der Figuren, die immer wieder für Überraschungen gut ist. Selbst wenn die Auftritte von Hannes Jaenicke als Lindholms „Lebensabschnittspartner“ nicht von Dauer sein werden: Die Idee war gut. Sie sorgt naturgemäß für zusätzliche Spannung in der Beziehung zwischen der Kriminalistin und ihrem fürsorglichen Mitbewohner Martin (Ingo Naujoks).
Nicht ohne ist allerdings auch die Krimiebene. Da der Tote vor dem tödlichen Schuss durch Hiebe und Tritte misshandelt wurde, scheint er gleich eine ganze Reihe von Feinden gehabt zu haben. Tatsächlich erweist er sich als Streber, der seinen Mitschülern gewaltig auf die Nerven gegangen ist. Ein Motiv hat allerdings auch sein Ausbilder (Arnd Klawitter), dem der junge Mann die Frau ausgespannt hat. Ins Visier der LKA-Ermittlerin gerät außerdem der örtlicher Mini-Mafioso, ein Autohändler, dem ein illegales Glücksspielschiff auf der Weser gehört und der mit Hilfe der Polizeischüler in großem Stil geklaute Luxuslimousinen mit den Papieren verschrotteter Autos versorgt; der tote Junge ist ihm auf die Schliche gekommen.
Ungewohnt für die Krimis mit Charlotte Lindholm sind zwei Action-Szenen, die Maria Furtwängler aber mit Bravour meistert. Zu allem Überfluss mussten die Aufnahmen vom unfreiwilligen Bad in der eiskalten Weser einige Tage später wiederholt werden: Zwischendurch hatten sich Furtwängler und Jaenicke wieder aufgewärmt, so dass sie mitten in der Szene plötzlich dampften. Dieser sorgfältige Blick für Details hat ohne Frage mit dazu beigetragen, dass sich Furtwängler schon nach relativ wenigen Filmen (und im Gegensatz etwa zum NDR-Kollegen Atzorn) unter den Top-Teams der „Tatort“-Reihe etabliert hat.