Das betont junge Erfurter Ermittlertrio vom MDR-„Tatort“ konnte schon bei seiner Premiere im vergangenen Jahr nicht recht überzeugen. Zu bemüht und dabei auf ganzer Linie scheiternd war der Versuch, die neuen Kommissare als besonders „jugendlich“ zu inszenieren. Wie der neuste Fall für Henry Funck (Mücke), Maik Schaffert (Kramme) und Johanna Grewel (Levshin) zeigt, haben Redaktion, Produktion und die neuen Macher der mitteldeutschen Tatort-Reihe in den vergangenen zwölf Monaten jedoch nichts dazu gelernt.
Immerhin kann sich Ex-Juristin Johanna Grewel vom marginalisierten Mäuschen zum gleichberechtigten Teammitglied hocharbeiten. Sie trägt maßgeblich zur Lösung des durchaus sensiblen Mord- und Entführungsfalls bei, in dem es nicht nur um einen entlaufenen, schießwütigen Häftling, sondern vor allem um einen Maulwurf in den eigenen Reihen geht. Als dann auch noch Kriminaldirektorin Petra Fritzenberger (Block) entführt wird, spitzt sich die Lage gefährlich zu und wird von einem rein beruflichen zu einem persönlichen Projekt für die junge Kriminalcrew. Welche Rolle spielte „Fritze“ einst bei Lemkes Festnahme? Will der Rotlichtkönig Rache nehmen oder steckt vielleicht eine ganz andere Motivation dahinter?
So offensichtlich suggestiv wie diese letzte rhetorische Frage ist auch der ganze Tatort von den Autoren Leo P. Ard und Michael B. Müller. Subtilität gehört definitiv nicht zu ihren Gestaltungsmitteln. Da werden Hintergrundinformationen platt in umständliche Dialoge verpackt. Da offenbart sich der Täter frühzeitig durch einen rein dramaturgischen Fehler, nämlich eine viel zu auffällige narrative Ellipse. Spannung kann bei dieser Transparenz trotz des großen Potenzials des Maulwurf-Plots nicht aufkommen. Dazu hat aber auch Regisseur Johannes Grieser seinen Teil beigetragen. Statt eine dichte Atmosphäre des Misstrauens zu kreieren, ist seine Inszenierung größtenteils uninspiriert bis dröge. Immer wieder wird versucht, die „Jugendlichkeit“ der Vermittler auch in der visuellen Umsetzung ihrer Geschichte zu spiegeln, wie beispielsweise durch die Kameraflüge, die manch einen Szenenauftakt begleiten und diesem wohl Dynamik verleihen sollen. Die spärlich gesäte Action legt die fürs hiesige Fernsehen so typische Behäbigkeit an den Tag und erfüllt ohnehin zu offensichtlich die Funktion einer Energiespritze für die insgesamt eher lahmende Handlung.
Doch einige Gewerke haben sich bei diesem „Tatort – Maulwurf“ Mühe gegeben. Strahlende Grüntöne (oft auch als Wandfarbe) verleihen dem Antlitz des Films immer wieder fühlbare Frische und auch die Musik – so überladen sie zuweilen auch sein mag – rettet, was zu retten ist, und sorgt zumindest für den Spannungsfluss. Doch dieser „Tatort“ vermag es einfach nicht, mitzureißen und dafür gibt es einen simplen Grund. Zwar schmückt sich der Erfurter „Tatort“ mit dem jüngsten Ermittlerteam des bundesweiten Formats, doch ist er nicht in der Lage, diesen Figuren auch eine wie auch immer geartete Form individueller Charakteristik zu geben, die den Zuschauer für die Protagonisten einnehmen könnte. Die Kommissare Henry Funck, Maik Schaffert und Johanna Grewel gehören zu den blassesten und langweiligsten ihrer Art. Bis auf den Flirt des ernst genannten mit seiner alleinerziehenden Nachbarin, dem in „Der Maulwurf“ jedoch nur zwei kurze Szenen gewidmet werden, verfügen die jungen Polizisten weder über Privatleben noch über eine Persönlichkeit und schon gar nicht über Beziehungen, die der Handlung eine interessante Ebene verleihen könnten.
Die Folge dieser frappierenden „Gesichtslosigkeit“ ist am deutlichsten an Alina Levshin abzulesen, die mit „Kriegerin“ eine enorme Leinwandenergie unter Beweis gestellt hat, im Erfurter „Tatort“ jedoch über die Präsenz einer wandelnden Schlaftablette nie hinauskommt. Dem betont jungen „Tatort“-Konzept des MDR fehlt das Leben. Die „Jugendlichkeit“ ist nur behauptet. Das Versprechen, das sich ausschließlich durch die Altersangabe der Figuren artikuliert, wird weder auf der Ebene der Inszenierung noch der Handlung (an diesem Kriminalfall ist nun wirklich gar nichts „jugendlich“) noch der Figurenausgestaltung eingelöst. Das Ziel, mit jungen Figuren auch ein junges Publikum anzusprechen, wird daher um Meilen verfehlt. Die älteren Zuschauer hingegen freuen sich vermutlich. Ihnen wird ein Krimi geboten, der leicht verständlich und nicht zu nervenaufreibend gefilmt ist. Und ein paar junge Gesichter können ja auch nicht schaden… (Text-Stand: 26.11.2014)