Ein Überfall auf die Stadtkämmerei beschäftigt die Kommissare Kira Dorn und Lessing. Ein Schuss durch die Decke hat die sexy-Sekretärin mit Hang zu Höherem niedergestreckt. Ein dummer Zufall? Aber weshalb dann fünf Schüsse? Hätte es ein Warnschuss nicht auch getan?! Jedenfalls rast wenig später der Rummelhilfsarbeiter „Kongo“ mit der Beute, immerhin 112.00 Euro, durch das beschauliche Weimar. Aber ist dem diese Tat überhaupt zuzutrauen? Caspar, der Droschkenkutscher, mittlerweile aus dem Gefängnis „ehrenhaft entlassen“, kann sich nur wundern über seinen ehemaligen Knastkumpel. Dorn und Lessing dagegen scheint gar nichts mehr zu wundern. Sie trauen dem Kämmerer sogar ein windiges Doppelleben zu. Aber ist nicht auch der eifersüchtigen Frau Gemahlin, die schon mal mit der Axt durch die Tür kommt, so allerhand zuzutrauen. Und wie steht es um die kriminelle Energie der Geisterbahnbetreiberin Rita Eisenheim? Und wo ist ihr Gönnergatte abgeblieben?
In der Stadt, in der einst die schönen Künste ihre Heimat fanden, ist im „Tatort“ der Wahnwitz zuhause. Christian Ulmen und Nora Tschirner machen in „Der Irre Iwan“ endlich das, was man sich von den beiden so sehnlich erhofft hat (und was einige Zuschauer & Kritiker auch schon in „Die Fette Hoppe“ umgesetzt sahen): Sie bringen einen neuen Geist nach Weimar, vor allem aber in den (komödiantisch angehauchten) Fernsehkrimi. In den besten Momenten atmet der Film von Grimme-Preisträger Richard Huber („Dr. Psycho“) Screwball-Krimi-Comedy-Touch – so als hätten sich die Autoren Murmel Clausen und Andreas Pflüger die Hollywood-Krimikomödien-Klassiker um den „Dünnen Mann“ noch einmal angeschaut und hätten Eleganz durch Schmuddellook, Extravaganz durch „Credibility“ und den Fox Terrier durch ein Baby ersetzt. Die fließenden Übergänge und beiläufigen Kollisionen zwischen Krimifall und Beziehungsspiel sind die besondere Stärke dieser Kriminalkomödie. Die Wirkung ist stark gebunden an die Tempo-, Timing- und Tonfall-Qualitäten von Ulmen und Tschirner, deren Filmreferenzspuren sich lustvoll hineinziehen in diesen hintersinnig absurden „Tatort“.
Schnoddrig, quasi im Vorbeigehen, ermitteln Lessing und Dorn. Sie ist fix, forsch und ihr Mundwerk wird einigen männlichen Wesen auf ewig ein Rätsel bleiben. Er dagegen hat die Ruhe weg, hört zu und zieht nicht gern vorschnelle Schlüsse. Bodenständig und bescheiden sind sie beide, schön sarkastisch auch. Dass ihre Kommunikation nicht zwingend auf Pointe angelegt ist, sondern die Witzchen gelegentlich auch schon mal zerläppern, sich in nichts auflösen oder man sie als Zuhörer gar nicht vollständig mitbekommt, gehört zur internen Kommunikation der beiden, gibt dieser eine besondere Glaubwürdigkeit und stellt im Vergleich zu anderen Krimis geradezu ein Alleinstellungsmerkmal dar. Darin spiegelt sich auch so etwas wie eine „jüngere“ Kommunikation; die realisiert sich anders als nur über die wortgetreue Wiedergabe dessen, was im Textbuch steht. Nennen wir es simpel „Chemie“, was da wirkt zwischen den beiden Darlings der deutschen Komödie, und was ja bereits in „Die Fette Hoppe“ vor einem Jahr durchschimmerte. In „Der Irre Iwan“ ist es aber weniger eine Ironie, die explizit in den Dialogen verankert ist, als vielmehr eine Ironie, die sich aus der Situation, dem feinen Zusammenspiel und der Körpersprache der beiden Komödianten speist.
Soundtrack: Kylie Minogue („I should be so lucky“), Taste of Honey („Boogie Oogie Oogie“), Günter Geißler („Ich hab die gute Laune im Gepäck“), Prince („Cream“ ab 2:00 min.), The Clash („The Guns of Brixton“), Kiss („I was Made For Lovin‘ You“), Body Count („Cop Killer“), Bran Van 3000 („Astounded“), in The Miracles („Love Machine“), Peter Beil („Du bist die Schönste von allen“), Silver Convention („Fly Robin Fly“), Element of Crime („Wenn der Wolf schläft“)
Hochgradig sexy sind auch die Milieus und das Ambiente, in denen die skurrile Geschichte, von deren Auflösung noch nichts verraten werden soll, zuhause ist. Das Rudolfstädter „Vogelschießen“, der größte Rummel Thüringens, ist als Schauplatz Gold wert. Und die Besetzung mit krassen Schauspieler-Typen, von Sophie Rois über Pit Bukowski bis Dominique Horwitz, passt vorzüglich zur komödiantisch angeschrägten Gangart dieses „Tatort“-Highlights. Zusammengehalten wird das alles von Regisseur Richard Huber, der maßgeblich für den Qualitätssprung verantwortlich zu machen ist. Sein filmisch pointierter Zugriff sowohl auf das Paar als auch auf den Fall, machen „Der Irre Iwan“ zu einer äußerst kurzweiligen Tour de Force durch ein Weimar, von dem man plötzlich sogar eine sinnliche Vorstellung bekommt. Dazu gehört auch die anschauliche Auflösung des verzwickten Falls mit Rückblenden und Visualisierungen von Lessings und Dorns Mutmaßungen zum Tathergang. Als kleine Stimmungsaufheller gut sind auch die Running Gags um Kripo-Chef Stichs sterbendes Auto, um den FKK-Club Weimar („Hier herrscht eigentlich Nacktpflicht“), eine flüchtige Leiche und der mit Schlagern und Seventies-Disco-Mucke durchwirkte Soundtrack. Und am Ende wird es – Sven Regener und Element of Crime sei Dank – sogar noch traumhaft melancholisch – mit einem Tanz des Herrn Lessing und seiner schönen Kira.