Tatort – Dein gutes Recht

Folkerts, Bitter, Borgmann, Nova, Eigler. Geschlechterkampf hautnah durchgespielt

Foto: SWR / Benoît Linder
Foto Martina Kalweit

Im 80. Fall aus Ludwigshafen erzählt Martin Eigler, Odenthal-Regisseur der ersten Stunde, mehrperspektivisch und zeitlich verschachtelt die Umstände eines Juristenmordes. Parallel dazu konzentriert sich „Tatort – Dein gutes Recht“ (SWR) auf Kommissarin Odenthal, die ins Visier der internen Ermittlung gerät. Aus der Kombination der beiden Handlungsstränge ergibt sich ein spannender Fall, der der Tatort-Veteranin den Raum gibt, der ihr in einem Jubiläumsfall zusteht. Ulrike Folkerts geht mit großer Ruhe durch den Sturm.

Patricia Prinz (Sandra Borgmann) setzt einen nächtlichen Notruf ab. Kommissarin Odenthal (Ulrike Folkerts) findet die Juristin aufgelöst neben ihrem erschossenen Mann. Schon am nächsten Morgen hat sich die Anwältin wieder im Griff. Bevor sie sich Fragen zu ihren Klienten verbittet, klären Rückblenden über das zerrüttete Verhältnis des Paares auf. So weit, so üblich. Bevor es langweilig wird, wechselt Regisseur und Autor Martin Eigler zu einem zweiten Schauplatz. Da sitzt Lena Odenthal einem Kollegen der Internen gegenüber. Pflaster auf der Stirn und Verband an der Hand bezeugen ihre Blessuren. Aber auch Odenthal hat sich im Griff, den Gebrauch ihrer Waffe kann sie erklären. Und sie ahnt, dass ihre Partnerin Lisa Bitter (Johanna Stern) sie nicht, wie behauptet, für psychisch labil hält. Parallel zur Vernehmung durch den schmerbäuchigen Kurt Breising (Bernd Hoelscher) dokumentieren Rückblenden den Verlauf der Ermittlungen. Die konzentrieren sich auf Marie Polat (Emma Nova). Von ihrem Chef Piet Sievert (Matthias Lier) sexuell bedrängt, hat die junge Frau ihren Job verloren und streitet vor Gericht um das Sorgerecht für ihren Sohn. Polats Gegnerin ist Sieverts Anwältin Patricia Prinz. Unterstützt wird sie von ihrer aktenkundigen Lebensgefährtin Luisa Berger (Samia Chancrin). Odenthal und Stern haben die beiden Frauen schon auf dem Schirm. Das Netz um sie zieht sich zu.

Tatort – Dein gutes RechtFoto: SWR / Benoît Linder
Oben: Odenthal (Ulrike Folkerts) findet die Anwältin Patricia Prinz (Sandra Borgmann) verängstigt im Büro, nachdem ihr Mann überfallen und tödlich verletzt wurde. Unten: Marie Polat (Emma Nova) wird von ihrem Chef (Matthias Lier) sexuell bedrängt. Sie hat ihren Job verloren und streitet vor Gericht um das Sorgerecht für ihren Sohn.

„Tatort – Dein gutes Recht“ nimmt die Verdächtigen in dem Mordfall ebenso akribisch unter die Lupe wie die Akteure innerhalb des Kripo-Apparats. In verschiedenen Spielarten prallen immer wieder Erfahrung und übertriebener Ehrgeiz aufeinander. Hierarchiegerangel und Geschlechterkampf werden nicht wie oft nur behauptet, sondern gründlich durchgespielt. Unterstellungen und männliche Machtposen bestimmen Odenthals Vernehmung durch Kurt Breising. Während sich die abgeklärte Kommissarin sichtlich zur Beherrschung zwingt, lädt der LKA-Kollege seine Assistentin noch dazu ein, der Vernehmung beizuwohnen, um „etwas daraus zu lernen“. Getoppt wird das Kompetenzgerangel zwischen Mann und Frau zum Finale des Falls. Erbittert streitet das weibliche Kripo-Team mit dem Chef eines mobilen Einsatzkommandos. Unter hohem Druck trifft Odenthal am Ende dann die Entscheidung, für die sie sich vor Breising rechtfertigen muss.

Für unterhaltsame Passagen im dauernden Kräftemessen sorgen die AnwärterInnen auf die vakante Assistenzstelle in Ludwigshafen. Die eingestreuten Szenen bringen dem Team zusätzliche Sympathiepunkte ein. Unverkennbar prallt aber auch hier langjährige Erfahrung auf Naivität und Forschheit. Die jungen Bewerberinnen (in der Mehrzahl weiblich) fragen nach der „Work Balance und so“, haben sehr genaue Vorstellung von einem Job nach ihrer Fasson – oder nutzen ein verschobenes Bewerbungsgespräch, um Odenthal im Online-Blog zu diffamieren. Damit streift der Fall aktuelle Streitthemen und stellt vor allem klar, dass Frauen nicht automatisch die solidarische Hälfte der Menschheit stellen. Exemplarisch dafür steht auch Patricia Prinz. Mit ängstlich-flatternder Stimme eingeführt, wandelt sich die androgyn gestylte Sandra Borgmann zur bösen Eiskönigin. Dabei bleibt die Figur vielschichtig und, als betrogene Ehefrau und Besitzerin eines Waffenscheins, verdächtig.

Tatort – Dein gutes RechtFoto: SWR / Benoît Linder
Dieser Typ ist so ziemlich das Letzte: Kurt Breising (Bernd Hölscher) leitet das interne Verfahren gegen Lena Odenthal (Ulrike Folkerts). Die Kommissarin unter Druck: Unterstellungen und männliche Machtposen bestimmen die Vernehmung.

Mit „Gewaltfieber“ drehte Martin Eigler 2001 seinen ersten Odenthal-Krimi. Gemeinsam mit Kameramann Andreas Schäfauer (Kamera in 20 SWR-„Tatort-Episoden, vier davon mit Martin Eigler) und Richard Ruzicka (Musik) steuert ein eingespieltes Trio in der zweiten Filmhälfte auf ein spannendes Finale, diverse Abrechnungen und Richtigstellungen zu. Einziges Manko ist eine Kurzschlusshandlung des verdächtigen Duos Polat/Berger, die es braucht, um das Finale zu dynamisieren. Der Twist fühlt sich etwas gewollt an. Er schenkt dem Fall zwar etwas „Thelma und Louise“-Flair im Getreidefeld, zwingt die Figuren aber in einen Panikmodus, der übertrieben wirkt. Umso besser, dass die etwa zehnminütige Sequenz in offener Landschaft ohne übertrieben forcierte Actionszenen auskommt. Nach dem Ausflug ins hellgelb-Flirrende endet „Dein gutes Recht“, wo er begann: in schwarzblauer Nacht.

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Reihe

SWR

Mit Ulrike Folkerts, Lisa Bitter, Sandra Borgmann, Emma Nova, Samia Chancrin, Bernd Höscher, Matthias Lier, Christina Hecke, Davina Fox

Kamera: Andreas Schäfauer

Szenenbild: Irene Piel

Schnitt: Claudia Lauter

Musik: Richard Ruzicka

Redaktion: Ulrich Herrmann

Produktionsfirma: Südwestrundfunk

Produktion: Nils Reinhardt

Drehbuch: Martin Eigler

Regie: Martin Eigler

Quote: 8,45 Mio. Zuschauer (29,1% MA)

EA: 27.10.2024 20:15 Uhr | ARD

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