Ein iranischer Diplomat und Atomphysiker stürzt aus dem obersten Stock eines Wiener Nobelhotels in die Tiefe. Selbstmord? Nur, warum kaufte der Mann für denselben Abend noch teure Opernkarten? Moritz Eisner und seine Kollegin Bibi Fellner gehen der Frage nach. Doch sofort mischen sich die iranische Botschaft und das österreichische Außenministerium ein. Laptop und Handy des Toten werden beschlagnahmt. Der Fall unterliegt strengster Geheimhaltung – sehr zum Unmut der beiden Ermittler. Doch die geben nicht auf. Das Überwachungsvideo des Hotels führt sie auf die Spur eines zwielichtigen Lobbyisten (Udo Samel). Dieser hat mit dem Ermordeten einen geheimen Deal eingefädelt. Eisner und Fellner finden heraus, dass es um Ventile und Pumpen geht, die für Kernreaktoren benötigt werden. Eine Zugladung der hochwertigen Bauteile soll über Drittländer in den Iran verschickt werden. Für die beiden Ermittler beginnt ein Wettlauf mit der Zeit – und mit dem israelischen Geheimdienst Mossad, der stets genau Bescheid weiß, was Bibi und Moritz gerade tun.
Schon der Einstieg ist sehr gelungen. Da grantelt ein Wiener Taxler neben seinem Wagen und plötzlich fällt ein Mann aufs Autodach. Binnen Sekunden ist man mittendrin in der Geschichte, für die Max Gruber als Autor verantwortlich zeichnet. Der hat für die Austro-Kommissare auch schon den exzellenten „Tatort – Operation Hiob“ geschrieben. Nun also der nächste Streich „Deckname Kidon“. Und damit dreht er wieder am ganz großen Rad. Ein inhaltlich engagiertes, politisch brisantes Thema, ein realer, gut recherchierter Hintergrund – fernab jeder Räuberpistole – und lebensnahe, zuweilen auch pointierte Dialoge hat der Drehbuchautor dem Regisseur Thomas Roth auf den Weg gegeben. Roth („Trautmann“), Erich-Neuberg- und Romy-Preisträger, nimmt die Vorlage auf, atmosphärisch dicht, dramaturgisch stringent und mit einer modernen Bildsprache (Kamera: Jo Militoris) setzt er den komplexen Fall in Szene und zeigt viel Gespür im Umgang mit den beiden Ermittlern. Wie Majorin Bibbi Fellner und Kollege Moritz Eisner zwischen die Fronten korrupter Lobbyisten und des israelischen Geheimdienstes geraten und sich zu behaupten versuchen, ist packend inszeniert. Roth setzt weniger auf Tempo, er ist nah dran an seinen Wiener Cops, spielt mit Korruption, Verflechtungen und politischen Druck auf die Kommissare. Der „Tator – Deckname Kidon“ ist ein politisch unkorrekter Krimi wie ihn wohl nur die Österreicher erzählen können. Kidon ist der hebräische Name für „Bajonett“, er bezeichnet eine Spezial-Einheit des israelischen Geheimdienstes Mossad, die Attentate unter höchster Geheimhaltungsstufe ausführt.
Die Rollen sind stimmig und – wie meist im „Ösi-Tatort“ – eher unspektakulär besetzt. Eine Ausnahme gibt es: Udo Samel mimt jenen mondänen und abgefeimten Lobbyisten, dass es eine wahre Freude ist. „Ich bring nur die Leute zusammen“, legt der seine Philosophie offen. Allein Samels Interpretation dieses zynischen, über allen stehenden „Weißer-Kragen-Täters“ lohnt das Einschalten. Die Szenen mit ihm sind kleine filmische Kabinettstückchen, wie der Krimi auch sonst immer mal wieder mit witzigen Momente zur Auflockerung aufwartet. So trocken wie Bibi und Moritz diese servieren, auch das macht Spaß. „Wir zwei mitten im Agentenkrieg“, sagt Bibi in der Eröffnungsviertelstunde und gibt so schon mal bestens vor, was die beiden Kommissare erwartet. Und das ist eine ganze Menge. Eine Güterzug bei voller Fahrt zum Stehen bringen – die Austro-Ermittler bekommen auch das hin. Ohne den Etat eines James-Bond-Films schafft es Thomas Roth, die Verfolgung der Schmuggelware als spannenden Wettlauf zwischen Schiene und Straße zu inszenieren. Action nicht um der Action willen, sondern dramaturgisch gut eingebunden in die Story. Und aufgelöst wird das typisch österreichisch in einem Provinz-Bahnhof der Alpenrepublik auf dem Abstellgleis mit den – Vorsicht Dialekt! – Worten: „Ihr habt‘s ja einen Klopfer“. Heißt auf deutsch: Ihr spinnt.