Das Schwarz-weiß-Foto zeigt eine Hinrichtung. Ein Wehrmachts-Soldat richtet seine Waffe auf einen vor ihm knienden Mann in Zivil, drei Menschen liegen bereits erschossen auf der Erde, dahinter stehen zwei weitere Soldaten. Das Foto wirkt authentisch; es erinnert an die bereits in mehreren Städten gezeigten Bilder, mit denen die Wehrmachts-Ausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung dokumentiert, dass sich deutsche Soldaten im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion zahlreicher Verbrechen schuldig gemacht haben.
Doch das Foto ist nicht echt, es wurde eigens für den „Tatort – Bildersturm“ produziert. Die Kölner Kommissare Max Ballauf und Freddy Schenk müssen den Mord an einem Bankier aufklären, der aus unbekannten Gründen erpresst wurde. Zur gleichen Zeit wird die Leiterin des Stadtmuseums, Anne Klee (Sabine Vitua), bedroht, weil sie eine Ausstellung über Verbrechen von Wehrmachts-angehörigen zeigt. Nachdem ein zweiter Mord geschehen ist, finden Ballauf und Schenk heraus, dass beide Mord-Opfer auf einem Foto in der Ausstellung zu sehen sind – als Soldaten bei der oben beschriebenen Exekution von Zivilisten. Wer aber ist der dritte Mann? Als ausgerechnet Freddy Schenks Onkel Richard (Traugott Buhre) in Verdacht gerät, aber die Beteiligung an dem Kriegsverbrechen leugnet, wird aus dem Kriminalfall ein Stück über die schmerzhafte Wiederkehr von verdrängter Vergangenheit.
„Was würde ich tun, wenn ich entdecken würde, dass ein Familienmitglied auf einem der Fotos zu sehen ist?“ Für Autor Robert Schwentke war diese persönliche Frage der Auslöser für das „Tatort“-Drehbuch. Nach der Folge „Manila“, die sich mit Kinderprostitution und Menschenhandel beschäftigte, nutzte der WDR damit erneut einen hochbrisanten und aktuell diskutierten Stoff für die ARD-Krimireihe. Gefordert ist in „Bildersturm“ vor allem Schauspieler Dietmar Bär, der dem Publikum die aufgewühlte Gefühlswelt von Kommissar Schenk zwischen Wut, Fassungslosigkeit und Verbundenheit mit seinem Onkel glaubhaft macht. Durch den persönlichen Konflikt in der Familie des Kommissars gelingt es dem Film, sich dem Thema behutsam emotional zu nähern und dabei zumeist auf allzu plakative Lehrsätze zu verzichten. Erst in der letzten Szene wird dem Publikum aus dem Munde einer Schülerin eine belehrende Schlussbemerkung mit auf den Weg gegeben – ein auch intern umstrittenes Ende. „Man will sicher sein, dass es ankommt“, betont Schwentke. „Lieber so und nicht falsch verstanden werden, als etwas nicht gesagt zu haben.“
Mehr Mut bewies das „Tatort“-Team in anderer Hinsicht: „Es geht hier um die Beweiskraft von Bildern“, sagt Regisseur Niki Stein, der die Zuschauer im „Bildersturm“ durch immer wieder eingebaute Video-Sequenzen irritiert. Der „Tatort“ nutzt diese Technik bei der täuschend echten Fälschung des für die Handlung entscheidenden Fotos, aber er macht auch auf die Gefahren aufmerksam. So kann im Film ein konservativer Politiker nachweisen, dass ein Foto der Ausstellung (übrigens ein authentisches aus dem Bundesarchiv) durch begrenzten Bildausschnitt falsche Tatsachen vorspiegelt. Eine solche Manipulation war in einem Einzelfall auch den Machern der Wehrmachts-Ausstellung vorgeworfen worden. Deshalb die historischen Tatsachen in Abrede zu stellen, wäre angesichts der Beweisfülle allerdings unbegründet und fatal. Das Hamburger Institut stellte für die Ausstellung im Film bisher noch unveröffentlichte Fotos zur Verfügung. (Text-Stand: 21.6.1998)