Die beiden Wien-Cops Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) sind unterwegs, raus aus der Stadt. Doch es erwartet sie alles andere als eine fröhliche Landpartie. Eher schon eine echte Sauerei. Max Winkler, Chef eines Schweinemastbetriebs, liegt tot im Stall, die Tiere haben ihn an Fuß und Hand bereits mehr als angeknabbert. Ein rumänischer Arbeiter (Marko Kerezovic) hat die Leiche entdeckt, bald fällt der Verdacht auf ihn, zumal er sich kurz darauf mit zwei Kollegen aus dem Staub Richtung Heimat machen will. Doch nicht mit der Postkommandantin Hofmüller (Karin Lischka). Als die Spurensicherer loslegen wollen, startet die automatische Stallreinigung und zerstört jegliche Spuren. Das Opfer wollte mit seinem Betrieb expandieren und zum Big Player der Schweinezucht in Österreich werden. Dazu hat er sich mit einem von Wien aus operierenden Agrarmulti in Bulgarien eingelassen. Doch das Projekt einer Futtermittelfabrik, die er mit Unterstützung der EU bauen wollte, floppte. Auch eine Tierschutz-NGO, die häufiger Aktionen auf dem Schoberhof gemacht hat, gerät ins Visier der Ermittler. Zu ihnen gehört die junge Mina (Julia Wozek). Dann kommt Hilfe von einer Beamtin der Europäischen Antibetrugsbehörde und einer Juristin von der Europäischen Staatsanwaltschaft. Moritz und Bibi stoßen auf ein Netz aus Schulden, Beihilfenbetrug und illegalen Machenschaften, während sie den Mordfall lösen, der bald schon eine tragische Wendung nimmt…
Foto: ORF / Petro Domenigg
„Bauernsterben“ ist der dritte Wien-„Tatort“ von Sabine Derflinger („Vorstadtweiber“). Bei „Falsch verpackt“ (2011) war sie die erste weibliche Regisseurin bei einem Österreich-„Tatort“. Für „Angezählt“ wurde sie 2014 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Nach knapp zehn Jahren führt sie das Wiener Duo Eisner & Fellner wieder sehr routiniert und unterhaltsam durch einen Fall. „Bauernsterben“ ist in seiner Erzählstruktur eine klassische Whodunit-Geschichte, in der es vor allem um gesellschaftspolitischen Frage geht: Wie wollen wir uns in Zukunft ernähren? Derflinger nutzt geschickt die Kraft des Ortes, der Schweinehof bietet spannende Motive, die die Regisseurin in starke Bilder (Kamera: Thomas Benesch) umsetzt. Und Martina Eisenreich liefert die passende Zither-dominierte ländliche Musik dazu.
Lukas Sturm, der mit „Body Complete“ 2011 sein Kinodebüt als Drehbuchautor gab und 2016 den Dokumentarfilm „Mein Vater, der Fürst“ gedreht hat, hat das Buch zu diesem „Wien“-Tatort geschrieben. Er schickt die Ermittler aufs Land, wo Bauern mit Agrarwende, Subventionsdschungel und mafiöser Einflussnahme zu kämpfen haben. Es geht um Landwirtschaft, Wirtschaftskriminalität und internationale Intrigen. Der Autor lässt die Zuschauer eintauchen in die Welt von Tierschützern und Schweinebauern, erzählt vom Überlebenskampf österreichischer Landwirten ebenso wie von der Enttäuschung der Jungen darüber, dass sich die Alten nicht um deren Zukunft auf einem lebbaren Planeten „scheren“. Thematisch ist Sturm auf der Höhe der Zeit. Nur die Herangehensweise zeigt die Probleme, die oft entstehen, wenn ein Film ein starkes Anliegen hat. In „Bauernsterben“ wird viel erklärt, manches kommt belehrend daher. Die künstlerische Distanz zum Thema fehlt zuweilen, ein wenig mehr Leichtigkeit hätte dem Krimi gutgetan. Sturm will viel, dreht am (zu) großen Rad. Bauernsterben, Protest der Tierschützer, EU-Subventionspolitik und dann noch ein handfestes Familiendrama … das ist ein bisschen zu viel für neunzig Minuten.
Foto: ORF / Petro Domenigg
Fazit: „Bauernsterben“ ist ein engagierter „Tatort“, ein Film, der sich mit einem gesellschaftlich höchst relevanten Thema auseinandersetzt und der dem wie immer überzeugenden Duo Krassnitzer/Neuhauser Möglichkeiten gibt, ihre Spielfreude zu zeigen, in schrägen Klamotten herumzulaufen, aber auch ein wenig zu moralisieren. Nur einen Tick mehr Leichtigkeit, die die Wien-„Tatorte“ sonst auch bei schweren Themen auszeichnet, hätte man diesem Krimi-Drama gewünscht. (Text-Stand: 2.10.2023)