Tatort – Ausgelöscht

Harald Krassnitzer & Adele Neuhauser. Dank Suchterfahrung & Diät in Hochform!

Foto: ORF / RBB / Ingo Pertramer
Foto Rainer Tittelbach

Ein bulgarischer Killer und Einbrüche im großen Stil halten Eisner & Co in Atem. Den Rest besorgen die besorgniserregenden Leberwerte. „Ausgelöscht“, Krassnitzers 25. „Tatort“ als Kommissar, hat dramaturgisch & Ermittler-technisch alles, was ein guter (Reihen-)Krimi haben sollte. Und der präzise von Harald Sicheritz inszenierte Film hat vor allem eines: Wiener Schmäh. Auch deutsche Ermittler können einen „spannenden“ Umgangston finden – aber da hört man oft das „Klickediklick“ des Autors dahinter. Bei diesem Paar „fließt“ es. Krassnitzer, wie er den von der Diät angefressenen Eisner hingrantelt, und Adele Neuhauser als „Bibi, Puppe“, der nichts Menschliches fremd ist, das passt wie der Grinzing nach Wien.

Zwei bizarre Morde treiben Moritz Eisner und seine Kollegin Bibi Fellner um. Jedes Opfer wird nackt auf einem Parkdeck gefunden, zusammengepfercht in einen Einkaufswagen, zwei Kugeln im Körper. Eine Hinrichtung? Eine Warnung, adressiert an Feinde und Verräter? Ein Zeichen für die Polizei? Eine Einbruchswelle in Wien scheint in einer direkten Verbindung zu den Morden zu stehen. Offenbar haben es Eisner & Co mit einer bulgarischen Bande zu tun, die im Ausland Einbrüche in großem Stil durchzieht. Amtshilfe bekommt die Wiener Polizei von einer bulgarischen Sonderermittlerin. Einer der Toten war einer ihrer Informanten. Bei den Ermittlungen stößt das Trio auf einen undurchsichtigen Anwalt, zu dessen Klienten sowohl Täter als Opfer der Verbrechen gehören. Bibi Fellner hat diesen selbstgefälligen Macho gefressen. Sie steht bekanntlich mehr auf Zuhälter. Ihr besonderes Spezerl, Inkasso Heinzi, bringt sie zwar mächtig in die Bredouille, gibt ihr aber einen entscheidenden Tipp.

Tatort – AusgelöschtFoto: ORF / RBB / Ingo Pertramer
Ganovenehre. Inkasso Heinzi (Simon Schwarz) hat immer was am Laufen. Notfalls hat er „Bibi, Puppe“ dabei, wenn er einen Tatort ausspioniert. Adele Neuhauser und Harald Krassnitzer

„Ausgelöscht“ hat alles, was ein guter (Reihen-)Krimi haben sollte. Der Fall kreist um ein relevantes Thema, ist komplex, aber nicht kompliziert. Die Ermittler sind ernst zu nehmen als Ermittler, besitzen aber zugleich eine individuelle, persönliche Aura, mit der sie den Zuschauer auf einer breiten Spur der Sympathie mitnehmen und durch den Film führen, ohne sich dabei anzubiedern oder sich im privaten Befindlichkeitsmief zu verlieren. Der Film von Harald Sicheritz nach dem Buch von Uli Brée hat ein gutes Erzähltempo, wirft nicht zu viele Fragen auf, bevorzugt eine dichte, runde Dramaturgie, die sich nicht nur an den üblichen Verdächtigen entlang hangelt. Der Film besitzt einerseits eine realistische Anmutung und ist nah bei seinen Protagonisten, andererseits scheut Sicheritz keine Effekte, wenn sie der Sache dienen. Der Showdown im Neon-Club ist eine coole Abwechslung nach grauem Polizei-Alltag, und der Clou am Ende entlässt den Zuschauer in einer augenzwinkernd pessimistischen Stimmung aus dem Film, die es so ähnlich allenfalls mal in der ZDF-„Nachtschicht“ gibt.

Eisners Ärztin hat gute Nachrichten: „Vom biologischen Alter her hast du die Werte von einem 30-Jährigen – allerdings von einem, der mit 15 angefangen hat zu saufen, Kette zu rauchen und der sich ausschließlich von Junk-Food ernährt.“

Tatort – AusgelöschtFoto: ORF / Felix Vratny
Großkopferte im Nacht-Club-Ambiente zu befragen, macht wenig Sinn. Da sind Eisner auf Diät und Fellner auf Entzug noch angefressener. Neuhauser, Krassnitzer

Was aus diesem guten „Tatort“ einen sehr guten macht, das ist der atmosphärische Mehrwert im Allgemeinen und der Wiener Schmäh im Besonderen. Auch deutsche Ermittler können einen „spannenden“ Umgangston finden – aber da hört man zu oft das „Klickediklick“ des Drehbuchautors dahinter. Bei diesem Paar Eisner/Fellner „fließt“ es einfach. Wenn da die Kollegin mit dem Alkoholproblem nach Eisners unerfreulichen Gesundheitscheck anmerkt, „Dreifach erhöhte Leberwerte, wow! Ist das dein Befund oder meiner?“, wird das von Sicheritz behandelt wie ein Nebensatz. Die Deutschen müssen Lockerheit inszenieren, die Österreicher (wenn sie nicht gerade mit dem MDR kooroduzieren) haben sie im Blut und können sie deshalb viel beiläufiger herauslassen. Außerdem kommt Larmoyanz auf Österreichisch einfach besser. „Ich bin Polizist geworden – damit ich einen Scheißdreck verdien, mein Leben riskier, krank werd und kein Privatleben haben muss.“ Klingt nicht furchtbar originell. Wie Eisner/Krassnitzer das über den Dächern von Wien aber seinem Vorgesetzen vorjammert – das hat Klasse: die Leiden eines einsamen Polizisten auf Diät. Die „Verjüngungsspritze“, die die ältere Kollegin mit ausgeprägter Suchterfahrung dem ein paar Jährchen jüngeren Chef mit etwas weniger ausgeprägter Suchterfahrung verpasst hat, schlägt auch auf die Schauspieler durch. „Bibi, Puppe“ und die Neuhauser, Adele lassen den österreichischen „Tatort“ zu unerwarteter Hochform auflaufen.

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Reihe

ORF, rbb

Mit Harald Krassnitzer, Adele Neuhauser, Bernhard Schir, Dessi Urumova, Tanja Raunig, Simon Schwarz, Stefanie Dvorak, Hubert Kramar

Kamera: Thomas Kiennast

Schnitt: Ingrid Koller

Musik: Lothar Scherpe

Produktionsfirma: Superfilm

Drehbuch: Uli Brée

Regie: Harald Sicheritz

Quote: 7,31 Mio. Zuschauer (22,2% MA)

EA: 29.05.2011 20:15 Uhr | ARD

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