Eigentlich ist schon nach wenigen Minuten alles klar: Es gibt einen Täter, der noch am Tatort weilt: Ein Ehemann, der seine Frau und deren beste Freundin getötet hat. Es gibt eine Tatwaffe mit seinen Fingerabdrücken: ein Küchenmesser. Es gibt ein Motiv: Mord aus Eifersucht. Und es gibt ein Geständnis. Feierabend für Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser)? Von wegen! Denn es läuft alles andere als „gschmeidig“. Mit Thomas Hafner (Julian Loidl), ein Lackaffe vor dem Herrn, übernimmt ausgerechnet der gerissenste Anwalt des Landes die Verteidigung des Angeklagten Stefan Weingartner (Johannes Zeiler). Moritz und Bibi ahnen nichts Gutes. Und so kommt es auch: Der Angeklagte wird freigesprochen, weil er in einem Ausnahmezustand und ohne Vorsatz gehandelt hat und, weil der Staatsanwalt nicht Körperverletzung mit Todesfolge mit in die Anklage aufgenommen hat. Selbst Weingartner ist vollkommen perplex. Hafner lässt sich feiern. Allerdings nicht lange: Kurz darauf wird der Anwalt an seinem Schreibtisch in der Kanzlei erschossen und landet selbst auf dem Obduktionstisch. Doch damit nicht genug: der Freigesprochene verschwindet kurz darauf spurlos. Eisner und Fellner suchen ihn und ermitteln im Mordfall Hafner.
Foto: ORF / Sara Meister
Eine Spur führt zu Maria Gavric (Ines Miro). Die hat es auf einen alten Freund von Bibi abgesehen: Inkasso Heinzi (Simon Schwarz). Der sitzt im Knast, wird dort angeblich im Auftrag von Gavric bedroht („Schönen Gruß von der Maria, du musst nicht glauben, dass du ihr auskommst“) und brutal verprügelt. „Sie glaubt immer noch, dass ich ihren Alten umgebracht habe“, sagt Heinzi zu Bibi, die ihm helfen soll. Im Gegenzug weiß er einiges über Anwalt Hafner zu berichten. Eisner zeigt dem Stritzi, dass er ihn nicht leiden kann. Doch nachdem Bibi ihrem Kollegen erzählt, dass Heinzi sie vor Jahren vor einer Vergewaltigung gerettet hat, ändert sich seine Haltung. Dann erfahren die Kommissare, dass Heinzi anwaltlich von Hafner vertreten wurde und dass er im Knast zudem einen sehr guten Kontakt zu Weingartner aufgebaut hat. Doch auch Weingärtners Tochter, die ihren Vater gehasst hat, könnte sich an dem Anwalt gerächt haben, zumal ihr Alibi durch einen pfiffigen Schachzug von Bibi, platzt. Und dann ist da noch Helene Schmiedinger (Marion Mitterhammer), die Weingartner in den Knast Briefe geschrieben, ihn besucht und sich in ihn verliebt hat…
Lange hat man auf seine Rückkehr warten müssen: Inkasso Heinzi ist wieder da. „Endlich wieder z’Haus“, sagt er in seiner ersten Szene im „Tatort – Alles was Recht ist“. 2018 in „Her mit der Marie“ war er letztmals im Wiener „Tatort“ zu sehen. Und mit ihm kehrt auch die Frau zurück, die ihn damals gejagt hat: Maria Gavric. Das muss man nicht wissen, um diesen „Tatort“ zu verstehen; es wird hier kurz & gut erklärt. Aber es erhöht den Unterhaltungswert, wenn man den alten „Tatort“ kennt. Mit der Figur dieses Wiener Stritzis kommt auf alle Fälle der Schmäh wieder zurück, auch wenn der Inkasso Heinzi im Knast ein wenig zahmer geworden ist und auch mächtig einstecken muss. Aber er weiß immer noch, wie man Strippen zieht und was man wann sagt. Simon Schwarz spielt ihn so hinreißend wie in den sechs Episoden, in denen man ihm die Figur in die „Tatort“-Drehbücher geschrieben hat. Schwarz ist ein Vielspieler, im Fernsehen und im Kino seit Jahren in diversen Produktionen zu sehen, aber in der Rolle des Inkasso Heinzi ist er unnachahmlich. Schön, dass er wieder da ist! Und er ist nicht nur launiger Sidekick, denn aus dem Gefängnis heraus gibt er den Kommissaren wichtige Hinweise und mit Bibis Geständnis, warum sie ihm immer wieder hilft, erwartet die Zuschauer:innen – zumindest die, die ihn von früher kennen – eine echte Überraschung.
Foto: ORF / Sara Meister
Den Autoren Karin Lomot und Robert Buchschwenter („Hinterland“), die vor zwei Jahren bereits den Wiener „Tatort – Pumpen“ geschrieben haben, ist eine Story mit Wow-Effekt gelungen. Ein scheinbar glasklarer Fall bekommt schon nach kurzer Zeit eine völlig überraschende Wendung: Der geständige Mörder wird von einem gefürchteten Anwalt verteidigt und freigesprochen. Wenig später wird der erschossen und der Freigesprochene ist spurlos verschwunden. Regisseur Gerald Liegel, der mit „Alles was Recht ist“ sein „Tatort“-Debüt gibt, hat daraus einen durchgehend spannenden Krimi gemacht. Liegel hat bisher Folgen für beliebte österreichische Serien wie „SOKO Kitzbühel“, „Schnell ermittelt“, oder „Letzter Wille“ gedreht. Hier zeigt er, dass er auch 90-Minüter kann. Er schafft bemerkenswerte Übergänge – etwa, wenn der Täter die Tür öffnet und für das Verbrechen das Zimmer betritt, in der nächsten Szene dann die Ermittlerin aus dem Zimmer kommt. Und er arbeitet mit Bildern (Kamera: Gero Lasnig), die fast kleine Gemälde sind: wenn die Kommissare den Raum betreten, in dem der Täter mit dem Opfer im Arm immer noch sitzt. Er bleibt in dieser Position, alles ist voll Blut, die Zimmereinrichtung beschreibt den Charakter des Spießers und er schildert beamtenhaft minutiös die Zeit vor und nach der Tat, ringt mit Erinnerungen, nur an die Morde selbst hat er keine. Eine Szene, die lange nachwirkt.
Regisseur Liegel spielt aber auch geschickt mit den kleinen Ritualen, die man aus dem Wiener „Tatort“ kennt. Auf dem Flachdach über dem Kommissariat treffen die Kommissare ihren Vorgesetzten, den „Ernstl“, bei einem Tschik wird der Fall besprochen. Das erinnert an die Kölner Cops und ihre Imbissbude. Nur, Bibi und Moritz haben diesmal eine eigene Würstlbude, und auch die hat Liegel wunderbar atmosphärisch in Szene gesetzt. Die wohl intensivste und tiefgründigste Szene ist das nächtliche Gespräch auf dem Balkon, wenn Moritz Bibi beim Bier gesteht, dass er viel über Freundschaft nachdenkt und merkt, dass er kaum noch Freunde hat. Gerade das zeichnet den Austria-„Tatort“ seit vielen Jahren aus: der ständige Stimmungswechsel, Passagen – mal mit Tiefsinn, mal mit Pointen – aber die eigentliche Story wird dabei nie aus den Augen verloren. Und die ist bis zum Russisch-Roulette-Finale intelligent gebaut und lässt die Zuschauer lange rätseln, ob der nicht verurteilte Doppelmörder vielleicht der Mörder des Staranwalts ist. Über den sagt Eisner nach der Gerichtsverhandlung: „Leute wie dieser Hafner gehören aus dem Verkehr gezogen, alles was Recht ist.“ Als sie in der Kanzlei vor seiner Leiche stehen, meint Bibi trocken: „Ist dein Wunsch wohl erhört worden.“. Das ist der „Tatort“ aus Wien: witzig, wendungsreich, wagemutig – und mit der überraschenden Rückkehr des Inkasso Heinzi. Wenn der „Geh, Puppi“ zu seiner Bibi sagt, ist das alles andere als political correct, aber der Heinzi darf das!