Ihre Oma findet Tango traurig, aber Lilli sagt, „Traurig kann auch schön sein“, als sie auf dem Dachboden ein verstaubtes Grammophon und eine uralte Tangoplatte entdeckt. Lilli ist ungefähr zehn und ein ganz besonderes Mädchen; und das nicht bloß wegen ihres ausgefallenen Musikgeschmacks. Den hat sie von ihrer Großmutter: Ella Talbach bildete einst mit ihrem Partner Franz Zeller das „Traumpaar aus Wien“; er spielte Klavier, sie sang dazu. Aber das ist lange her, aber so richtig vergessen konnte Ella dieses andere Leben nie.
„Tango im Schnee“ ist der romantische Titel dieses Films von Gabi Kubach, der allerdings nur ansatzweise romantisch ist, auch wenn Lilli in ihrer kindlichen Unschuld alles dafür tut, eine alte Romanze neu zu beleben. Als Oma 60 wird, lädt die Enkelin keck den Franz aus Wien ein. Der Musiker (Bongartz) ist mittlerweile naturgemäß in die Jahre gekommen, macht jedoch immer noch was her; und wenn er sich ans Klavier setzt, schmelzen die Damen dahin. Ella ergeht es nicht anders, doch das ist gar nicht gut, denn Ella ist seit Jahrzehnten vergeben. Gatte Manfred (Winkler) mag nicht immer der perfekte Familienvater gewesen sein, aber Ella ist im Großen und Ganzen mit ihrem Leben zufrieden. Außerdem kann Manfred derzeit keine Turbulenzen gebrauchen, weil seine ganze Aufmerksamkeit der Bürgermeisterwahl gilt.
In der fast sachlichen Inszenierung Kubachs, die auf Kitsch und Sentimentalitäten weitgehend verzichtet, entpuppt sich die Geschichte gewissermaßen als Lebensbilanz. Ella, von Ursela Monn sehr natürlich und nachvollziehbar verkörpert, muss sich, von Franz bedrängt, entscheiden: zwischen dem berechenbaren Leben an der Seite des Gatten oder dem riskanten Abenteuerdasein als Musikerin. Immerhin hat sie Franz damals verlassen, weil er sämtliche Tantiemen am Spieltisch zu verlieren pflegte… Natürlich ist der Handlungskern nicht neu; gerade in ihren Freitagsfilmen konfrontiert die ARD die Heldinnen gern mit ihrer Jugendliebe. Immerhin darf Ella der Versuchung nachgeben und mit Franz in Wien einen gefühlvollen Abend verbringen, bei dem sie noch mal als Duo auftreten; offenbar haben sie dabei nicht nur die Bühne miteinander geteilt. So viel Liberalität kommt in einem Film dieser Art schon fast einer sexuellen Revolution gleich. Bemerkenswert ist auch die Leistung der Zwillinge Aline und Lea Kolditz als Lilli, deren Kommentare immer lebens- und nie altklug wirken. Dass Drehbuch reichert die Geschichte ohnehin gern um Details an, die wahlweise rührend, romantisch, nostalgisch oder von sympathischer Heiterkeit sind, wenn Lilli zum Beispiel ihrem Opa den Tango beibringt. Und am Ende löst der Film auch noch sein Titelversprechen ein.