Eine junge Frau kommt auf mysteriöse Weise ums Leben – und die Brüder ermitteln
Eines Nachts stürzt eine junge Frau in einen offenen Fahrstuhlschacht auf einer Berliner Großbaustelle. Die Polizei legt den Fall schnell zu den Akten. Gerd Weisshappel (Michael A. Grimm), der Vater der Toten, glaubt nicht an einen Unfall und erst recht nicht an Selbstmord. Von Privatdetektiv Andi Schwartz (Devid Striesow) will er sich bestätigen lassen, was er längst weiß: Der Immobilien-Tycoon Hans-Jochen Steuffers (Fabian Hinrichs) hat seine Johanna, die als Praktikantin bei diesem Menschenmanipulierer gearbeitet hat, auf dem Gewissen. Der schwerreiche Großbäcker, den es aus Bayern in die Hauptstadt verschlagen hat, zahlt ausgezeichnet. Das muss auch Mads (Golo Euler), Andis Bruder, erkennen, der nach dem Rauswurf bei der Polizei finanziell in der Klemme steckt. Und so sieht er ausnahmsweise darüber hinweg, dass ihm sein älterer Bruder bisher immer nur Unglück gebracht hat. Mit den nötigen Infos aus der Polizeidatenbank versorgt werden die beiden von Mads ehemaliger Kollegin Iris Doppelbauer (Brigitte Hobmeier). Als wenig später der einzige Zeuge des „Unfalls“ ermordet wird, ist sie ohnehin wieder offiziell mit im Spiel. Derweil muss sich Mads mit den Weisshappels herumschlagen, mit Johannas Zwillingsschwester Leonie (Stephanie Amarell) und mit ihrem cholerischen Proletenbruder Leo (Karl Schaper). Andi indes, der sich vor seinem Auftraggeber mal eben zum Diplompsychologen ernannt hat, gelingt es, sich in Steuffers Firma einzuschleichen, um dem Mann auf die Finger zu schauen, der sich – ähnlich wie er seine Investoren verführt – die Frauen hörig machen soll. Zwar erfährt er von einer Mitarbeiterin (Milena Straube) brisante Dinge, aber Steuffers kommt ihm auf die Schliche.
Am Rande des Betrugs: Filou Andi gibt den Ton an – und Bruder Mads klein bei
Die Perspektive hat sich verschoben. Stand in der Auftakt-Episode zur neuen ZDF-Reihe „Schwartz & Schwartz“ Kriminaldauerdienstler Mads Schwartz, dessen erster Fall bei der Mordkommission auch sein letzter wurde, im Zentrum und schlich sich sein Bruder eher beiläufig in dessen Leben und das seiner Familie, gibt diesmal Filou Andi den Ton an. Er hat einen lukrativen Auftrag an Land gezogen, er hat von beiden momentan das überzeugendere Geschäftsmodell – und er scheint in seiner Arbeit völlig aufzugehen. Kleine Unwahrheiten, muntere Rollenwechsel, das Gegenüber ein bisschen manipulieren und etwas Psychologie für Anfänger: dieser Mann ist geboren zum Privatdetektiv! Und Devid Striesow, der manische Rollensammler, ist die perfekte Besetzung für diesen Getriebenen, der sich stets am Rande des Betrugs bewegt und daraus offenbar den Kick zieht, den er zum (Über-)Leben braucht. Ein ähnlicher Typus von Schauspieler, allerdings zumeist in Rollen mit einem Hang zu größerer Coolness und Cleverness, ist Fabian Hinrichs. Sein visionärer Immobilienentwickler ist ebenfalls ein gerissener Manipulierer, ein genialer Verkäufer seiner Ideen, ein Motivations-As. Diese beiden Männer aufeinander zu hetzen, die ihre Gabe bisher so unterschiedlich zu nutzen verstanden (so lebt der eine im Wohnwagen, während der andere in einer Luxuswohnung residiert), verspricht einiges. Noch verblüffender allerdings ist die Auflösung, die plötzlich ein anderes Licht auf den großen Verführer wirft. Aber was können wir ihm glauben?
Devid Striesow über Andi und die Beziehung zu dessen Bruder:
„Andi hat generell ein schlechtes Gewissen. Das ist Teil des Geheimnisses, das die Brüder umgibt. Vielleicht werden wir irgendwann erfahren, was da genau passiert ist. Auf jeden Fall ist er jedes Mal in der Lage, aus verfahrenen Situationen wieder Hoffnung zu schöpfen und mit seiner überbordenden Fantasie die Dinge in den Griff zu bekommen. So hat er immer wieder die Vision, dass die beiden Brüder gemeinsam am stärksten agieren könnten. Als Detektive beispielsweise.“
Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Detektive müssen genau hinhören und hinschauen
Ermittler benötigen objektive Fakten, bekommen es aber allzu oft vor allem mit subjektiven Sichtweisen zu tun. Selektive Wahrnehmung, gepaart mit einem Bündel an Vorurteilen, das könnte auch für die Weisshappels gelten. Als „ein Stück Scheiße auf zwei Beinen“ bezeichnet der Sohnemann den Unternehmer, der es offensichtlich nur mit Bestechungsgeschenken für den „Leiter der Transparenzoffensive im Portfolio-Ausschuss“ (Jörg Witte) ganz nach oben geschafft hat. Die Schwester der Toten scheint signifikantere Beweise dafür zu haben, dass Johanna ein Verhältnis mit ihrem charismatischen Chef hatte. Oder war sie ihm sogar hörig?… Mit der subjektiven Realitätswahrnehmung müssen sich in Fernsehkrimis die Ermittler herumschlagen. Im „Tatort – Die Wahrheit“ wurde dieses Phänomen explizit thematisiert. Auch in „Der Tod im Haus“ spielt es eine nicht unbedeutende Rolle. Rückblenden zeigen das Gesagte. Aber wie wirklich ist diese Wirklichkeit? Die Gefahr, falschen Fährten oder gar einer falschen Prämisse zu folgen, ist bei Filmen mit Detektiven ungleich größer als bei klassischen Kripo-Krimis. Ein Kommissar hat andere (gesetzliche) Möglichkeiten und legitimierte Druckmittel, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. Dem Detektiv fehlt der Polizeiapparat. Umso genauer muss er hinhören und hinschauen. Daraus ergibt sich ein besonderer Reiz für den Zuschauer. Auch bei „Schwartz & Schwartz“. Das Brudermotiv, der langjährige Zwist dieser ungleichen Männer, dessen Geheimnis auch diesmal noch nicht gelüftet wird, ist ein weiteres Moment, das die Reihe interessanter macht als die vielen Gebrauchskrimis im ZDF.
Beziehungspolitik, Fremdschäm-Momente und die Frechheit des Chaos-Bruders
Der gute Eindruck, den die von Alexander Adolph und Eva Wehrum, den beiden „München Mord“-Erfindern, entwickelte Reihe bei ihrem Einstand hinterlassen hat, bestätigt auch die zweite Episode, die nach Rainer Kaufmann nun Jobst Christian Oetzmann („Verbrechen – nach Ferdinand von Schirach“) flüssig und sehr flott, mit angenehm moderner, aber nicht überstilisierter Anmutung inszeniert hat. Die Bereitschaft des Zuschauers zur Empathie ist hoch bei diesem Duo, das einem schnell ans Herz wachsen kann. Hinzu kommt das Spiel im Spiel von Devid Striesows Figur. Es macht Laune, wie sie den König der Backmischungen dreist belügt: „Ich kann einen Mörder dazu bringen, dass er gesteht. Das sind psychologische Techniken – die habe ich studiert, hier und in den Staaten.“ Besonders köstlich ist Striesows Darstellung seines übermotivierten Arbeitslosen, der als Straßenmusiker mit dem tatverdächtigen Unternehmer gewinnend Kontakt aufnimmt, bevor er sich wie ein strahlendes Honigkuchenpferd in dessen Firma wie zuhause fühlt. Neben den Fremdschäm-Momenten besonders faszinierend ist die Frechheit, mit der sich dieser ewige Chaot, mit sich und der Welt offenbar im Reinen, an die detektivische Arbeit macht. Aber auch die Angst vor der Entdeckung macht diesen Einsatz unter falscher Identität in der Höhle des Löwen aufregend. Was „Der Tod im Haus“ vor allem dramaturgisch unterscheidet von durchschnittlichen Whodunit-Krimis ist die kluge Beziehungspolitik – sprich: die Veränderungen der Figuren-Koalitionen, Rollenwechsel inklusive. Das Personal ist überschaubar, aber dafür können aus „Tätern“ Opfer, aus großzügigen Auftraggebern rachsüchtige Proleten und im Showdown aus zwei vermeintlichen weiblichen Rivalinnen, Iris Doppelbauer („die rote Rübe“) und Jasmin Schwartz (Cornelia Gröschel), ein gutes Team werden. Und in der Szene, in der sich zwischen Andi und Steuffers psychologisch so einiges umkehrt, macht vor allem Hinrichs den Zuschauer staunen. Und bei solchen Spieler-Typen bleibt immer ein Stück Ungewissheit…