Wutanfälle, kleine Dummheiten & eine neue Geschäftsidee
Günther Kuballa (Armin Rohde) und Wolfgang Krettek (Ludger Pistor) lassen sich nicht unterkriegen. Mit großem Enthusiasmus verfolgen die beiden Langzeitarbeitslosen eine neue Geschäftsidee: Sie wollen einen T-Shirt-Druck-Laden eröffnen. Die 4000 € Startkapital erhoffen sie sich von Frau Gottschalk (Ramona Kunze-Libnow), ihrer Sachbearbeiterin im Jobcenter Dortmund. Doch die nimmt den Möchtegern-Jungunternehmern den Wind aus den Segeln. Wutentbrannt macht sich daraufhin Günther am Wagen der „alten Bratze“ zu schaffen – was der ebenfalls wutentbrannten Dame beinahe das Leben kostet. Doch Wolfgang rettet sie vor einem heranrasenden LKW, schiebt allerdings dem Freund, zwischen dem und Gottschalk seit Jahren eine herzliche Antipathie besteht, die Heldenrolle zu. Da bleibt der von Gedächtnisverlust geplagten Sacharbeiterin nichts anderes übrig, als sich erkenntlich zu zeigen. Durch Zufall sind die Fragen und Antworten der nächsten Runde der TV-Ratesendung „Quizdoppel“ auf ihrem Tisch gelandet. Die alleinerziehende „Hartzerin“ Johanna (Kathi Angerer) wurde als Redaktionspraktikantin der Show gefeuert; aus Wut darüber hat sie die geheimen Quiz-Infos mitgehen lassen, bereut aber ihr Verhalten und gab Gottschalk jenen Zettel mit den Fragen, aus Angst vor einer weiteren Dummheit. Die begeht die Arbeitsvermittlerin, indem sie Kuballa den Zettel zusteckt. Die 4000 €, die die beiden Freunde für ihren Laden brauchen, sind ihnen somit sicher, würde Günther in der Show nicht eine weitere Dummheit begehen. Unter tosendem Applaus verkündet er: „Wir machen weiter.“
Das schnelle Geld wird erträumt, aber ist längst nicht alles
Zum dritten Mal träumen die beiden ungleichen Freunde aus dem Ruhrpott vom schnellen Geld. Fiel ihnen in „Schnitzel für drei“ (2010) ein ganzer Koffer mit Erspartem vor die Füße und versprach in „Schnitzel für alle“ (2013), Deutscher Comedy Preis Gewinner 2014, ein autistischer junger Mann mit einer visionären Gabe die beiden zu Roulettekönigen zu machen, so könnte ihnen in „Schnitzel geht immer“ eine Quiz-Show aus der finanziellen Bredouille helfen. Eigentlich brauchen die beiden nur 4000 € für ihr Start-up-Unternehmen. Doch die Anerkennung, die den beiden im Alltag verwehrt bleibt, wird ihnen in der Fernsehsendung plötzlich zuteil. So jedenfalls empfindet Armin Rohdes Günther die Situation in der Show: „Die klatschen alle wie verrückt und dann betatscht einen der Moderator auch noch.“ Beim zweiten Auftritt im „Quizdoppel“ lässt sich der gelernte Tierpfleger weniger von außen euphorisieren, jetzt ist es der Gedanke an seine neue Flamme, seine ebenfalls arbeitslose Nachbarin, die Günther weiter machen lässt. Jener Johanna droht die Kündigung. So wird es auch im dritten Streich deutlicher denn je, dass es nicht die Gier ist, die diese Helden des Alltags antreibt. Viel wichtiger ist es für beide, endlich wieder eine Aufgabe zu haben. Freundschaft, Gemeinschaft und ein liebender Partner liefern die beste Motivation zum Handeln. Und vielleicht hat ja Frau Gottschalk recht mit ihrem Einwand: „Ich seh’ Sie gar nicht so als Unternehmer.“
Gegensätze ziehen sich an, und Gegensätze sind oft komisch
Zuschauer und Kritiker haben bei Fortsetzungen nicht zu Unrecht häufig den Verdacht, dass da dieselbe Geschichte noch einmal – nur leicht variiert – erzählt werde. Für „Schnitzel geht immer“ mag das vielleicht sogar zutreffend sein, in diesem speziellen Fall aber ist die geringe Variation eine besondere Stärke des Films. Denn dieses Pärchen, Armin Rohde und Ludger Pistor, sucht seinesgleichen in Zeiten, die nicht gerade als Hoch-Zeiten der Komödie angesehen werden können. Aber auch in den beiden Dortmunder Underdogs, der eine mit der Jeans auf Halbmast, der andere immer noch seiner Zeit als Fachverkäufer für Herrenoberbekleidung nachtrauernd, steckt so viel Leben, aber auch so viel perfekte komödiantische Struktur, dass man gut daran tat, an der Grundidee festzuhalten, anstatt den beiden Erzkomödianten ein neues Rollenmäntelchen zu verpassen. Gegensätze ziehen sich nicht nur an, Gegensätze können auch komisch sein. In diesem Sinne bekommt es der Zuschauer nun zum dritten Mal zu tun mit dem beflissenen, pflichtbewussten, preußisch akkuraten und überkorrekten Familienvater Wolfgang Krettek und dem schnoddrigen, zu cholerischen Ausbrüchen neigenden, liebenswerten Single-Chaoten Günther Kuballa. Wenn mit dem einen das Bauchgefühl durchgeht, bremst der andere mit dem Kopf. Wenn der eine poltert, versucht der andere zu beschwichtigen. Und so überlegen wie er vielleicht denkt, ist der ehemalige Fachverkäufer seinem proletenhaften Freund keineswegs. Beide basteln sich ihre Ansichten aus Stereotypen und Gemeinplätzen: Der eine vertraut dabei auf sich selbst, seine Wut beispielsweise, der andere setzt auf Angelerntes, glaubt zu wissen, wie die der Hase läuft. Diese Selbstgewissheit sozial angepasster Protagonisten ist oft besonders komisch, man denke nur an Loriots Direktor Melzer oder seinen Mann von Welt mit einer Nudel im Gesicht. Von Pistors „Monty-Python-Genen“ spricht Rohde, und er selbst wirkt wie einer, der den britischen Sozialkomödien entsprungen sein könnte. Aber so richtig funktioniert der Witz erst im Doppelpack: klein vs. kräftig, lang vs. schmal, prollig vs. pingelig, brummig vs. höflich.
Dicht geplottet und Arbeitslosigkeit reicht als relevantes Thema
Während „Schnitzel für drei“ angelegt war als Komödie mit einem Schmunzel-Terzett (Branko Samarovski als Alzheimer-Nachbar war der Dritte im Bunde), versetzt mit ein paar Krimi-Momenten, und es in „Schnitzel für alle“ die beiden Freunde etwas unvermittelt mit einer jugendlichen Behinderten-WG zu tun bekamen, hat sich Drehbuchautor Ingo Haeb im dritten Streich, der im Übrigen sein erster in dieser Sache ist, ganz auf Günther und Wolfgang konzentriert. In „Schnitzel geht immer“ werden den beiden keine Figuren von außen, aus fremden Milieus, aufs Auge gedrückt. Günthers Herzblatt wohnt im selben Haus, hat ähnliche Probleme und einige Erfahrungen mit „Quizdoppel“ hinter sich. Es werden auch keine gesellschaftlich sozial „relevanten“ Themen bemüht (als ob der Kampf mit der Arbeits-losigkeit nicht schon reichen würde) oder jüngere Zielgruppen ins Visier genommen. Stattdessen werden die Handlungsstränge eng geführt, vieles ist aufeinander bezogen. So gehören die meisten Nebenplots und ihre Figuren zum Quizshow-Strang; selbst die Krettek-Frauen bekommen eine Funktion fürs Ratespiel. Was im Alltag oder in einem realistischen Genre Zufall wäre, das wird hier als Konstruktion der Geschichte sichtbar gemacht. Und so kommt eins zum anderen: die Pleite im Jobcenter, der verhinderte Unfall, die Lüge, die Gegenleistung für das gerettete Leben, die Chance in der Quiz-Show usw. Die ästhetische Distanz, die Komödien gern nachgesagt wird, hält sich dennoch bei „Schnitzel für immer“ in Grenzen. Diese „Stehaufmanderl“, wie Regisseur Wolfgang Murnberger sie nennt, sind komisch und uns Zuschauern gleichsam nah. Wie schön wäre es, wenn sie mal den Jackpot knacken würden, wenn sie die Fernsehdeppen mit ihrer verqueren Vorstellung von Allgemeinwissen kräftig abzocken würden… Die „Schnitzel“-Filme beschwören zwar das soziale Miteinander, aber so sehr Märchen sind sie nun auch wieder nicht. Und Geld allein macht ja bekanntlich nicht glücklich. Gegen einen weiteren Versuch der beiden, an die große Kohle zu kommen, wäre dennoch nichts einzuwenden. (Text-Stand: 19.12.2016)