Professor T.

Matthias Matschke, Lucie Heinze, Thomas Jahn. Schräg-genialer Kriminalpsychologe

Foto: ZDF / Martin Valentin Menke
Foto Volker Bergmeister / tit.

Jasper Thalheim ist Professor für Kriminalpsychologie und die titelgebende Figur der neuen ZDF-Krimiserie „Professor T.“. Ein bisschen „Monk“, ein bisschen „Dr. House“, dieser Typ ist ein echter Sonderling – sehr eigen(willig), aber am Ende hat er immer recht. Den Professor mit Ticks, Neurosen, genauer Beobachtungsgabe und messerscharfen Analysen spielt der wunderbare Matthias Matschke. Thomas Jahn hat die Adaption der belgischen Erfolgsserie clever & cool in Szene gesetzt. Ein Krimi, der keine Nebengeschichten braucht, dicht und stringent an dem Fall bleibt und mit einer interessanten Figurenkonstellation spielt: Die Kommissarin ist eine Ex-Studentin des Professors und deren Chefin seine Ex-Geliebte.

Mit eigenwillig ist dieser Professor für psychologische Kriminologie nur unzureichend beschrieben. Jasper Thalheim (Matthias Matschke) ist eine Koryphäe auf seinem Gebiet, berät die Kriminalpolizei Köln bei kritischen Fällen. Das heißt: Man muss ihn lange und intensiv bitten, dass er sich dazu herablässt, die Polizei zu beraten. Denn er hält sich für brillant. Und ist es auch. Ein genialer Ermittler. Dass muss auch seine ehemalige Studentin, Kommissarin Anneliese Deckert (Lucie Heinze), anerkennen, die mit ihm zusammenarbeitet. Und auch seine alte große Liebe, Kriminaldirektorin Fehrmann (Julia Bremermann). Aber Jasper ist auch ein Sonderling. Seine Studenten müssen seine bissig-sarkastischen Kommentare ertragen, nennen ihn aber dennoch liebe- und respektvoll „Professor T.“. Und sein Umfeld muss mit seinen Macken und Neurosen – ein ausgeprägter Wasch- und Hygienezwang – zu Recht kommen. „T.“ ist eine Herausforderung für seine Umwelt – und eine klasse Figur für eine Serie.

Professor T.Foto: ZDF / Martin Valentin Menke
Das Team um „Professor T.“ (v.l.n.r.): Daniel Winter (Andreas Helgi Schmid), Anneliese Deckert (Lucie Heinze), Professor Thalheim (Matthias Matschke), Christina Fehrmann (Julia Bremermann) und Paul Rabe (Paul Faßnacht).

In der Pilotfolge „Die Rückkehr“ ist Kommissarin Anneliese Deckert einem Vergewaltiger auf der Spur, der auf dem Campus der Uni Köln für Schrecken sorgt. Das Tatmuster gleicht einem alten ungelösten Fall von vor zehn Jahren, als Anneliese selbst noch Studentin war und ihrer besten Freundin damals nicht zu Hilfe kommen konnte. Gleicher Tathergang, gleiche Worte des Täters, und in beiden Fällen wurden den Opfern ihre Halsketten entrissen. Was hat der Mann in der Zwischenzeit gemacht? Warum schlägt er genau jetzt wieder zu? Wann sucht er sein nächstes Opfer? Kommissarin Deckert wendet sich an ihren ehemaligen Professor Jaspar Thalheim. Der streubt sich zwar erst, ihr und ihrem jungen Kollegen Daniel Winter (Andreas Helgi Schmid) zu helfen. Doch das Interesse an dem Fall ist geweckt und bald schon gelingt es „T“, mit einer außergewöhnlichen Methode, das Erinnerungsvermögen des traumatisierten Opfers zu reaktivieren. Doch dann schlägt der Täter erneut zu. Die Jagd wird zur ersten Bewährungsprobe für den Professor und die taffe Kommissarin.

„Ich wollte der Figur eine Unberechenbarkeit verleihen. Das heißt aber, dass man als Schauspieler doppelt wach sein muss. Einmal, um die Figur klar zu zeichnen und zum anderen, um ihr in jedem Augenblick die Möglichkeit zu geben, sprunghaft Richtung und Haltung zu wechseln.“ (Matthias Matschke)

Professor T.Foto: ZDF / Martin Valentin Menke
Ein Wort zu jemandem und ich komme wieder – und bringe es zu Ende!“ Eine Studentin (Marleen Maxeiner) wird im Studentenwohnheim Opfer eines Vergewaltigers.

„Professor T.“ ist die Adaption einer flämischen Serie, die in Belgien sehr erfolgreich ist, bereits in die 2. Staffel geht und auch in weitere europäische Länder verkauft wurde. Dort heißt der titelgebende Professor Jasper Teerlinck. Die Figur ist eine Mischung aus „Monk“ und „Dr. House“ und steht in der Tradition gewitzt-genialer Ermittler. Sehr gute Beobachtungsgabe, messerscharfe Analysen – Jasper ist den anderen immer einen Schritt voraus, findet schnell den Schwachpunkt seines Gegenübers und überrascht mit ungewöhnlichen Methoden und Lösungsansätzen. Die gefallen den Kommissaren nicht immer, aber sie führen zum Erfolg. Thomas Jahn, Serien- und Reihenerprobter Regisseur („Balko“, „Der Dicke“, „Der Kriminalist“, „Sperling“, „Tatort: Schwarzer Afghane“) hat die neue ZDF-Serie clever und spritzig in Szene gesetzt. Ein Krimi, trotz des harten Themas mal nicht skandinavisch-düster, sondern mit heiterer Note, aber nicht verkrampft witzig, sondern mit klug gesetztem trockenen Humor. Ein Krimi, der keine Nebengeschichten braucht, stringent, schnörkellos und auch pointiert erzählt. Ben Braeunlich (Autor der „Tatort“-Folgen „Schwerelos“ und „Echolot“), der gerade in Projekten mit Dominik Graf und Hans W. Geißendörfer steckt, hat das Original bearbeitet und die Geschichte auf deutsche Verhältnisse und Schauplätze (Köln) übertragen. Die interessante Figurenkonstellation blieb erhalten.

„Das belgische Original ist krimitechnisch an vielen Punkten nicht so klug. Es hat weniger realistischen Bezug. Die Belgier haben – was ich auch ganz toll finde – Tanz- und Gesangsszenen drin. Die sind viel verrückter. Wir sind geradliniger, puristischer, aber auch durchdachter.“ (Benjamin Braeunlich, Drehbuchautor)

Professor T.Foto: ZDF / Martin Valentin Menke
Unter Kollegen. Wie sollte es auch anders sein: Daniel (Andreas Helgi Schmid) ist in Anneliese (Lucie Heinze) verliebt.

Die Interaktionen des Professors & die Bildsprache der Serie
Höflichkeit und Konventionen sind seine Sache nicht. Sein Umfeld glaubt sogar, dieser Mann sei herz- und empathielos. Dabei gehört es zu seiner Methode, zum Beispiel traumatisierte Zeugen unter Druck zu setzen. In „Die Rückkehr“ erklärt Thalheim das Prinzip anhand eines Vergewaltigungsopfers: „Solange sie sich selbst bemitleidet, hat sie nicht genügend Mut, sich der Erinnerung zu stellen. Ich musste sie provozieren.“ Professor T. ist ein unruhiger Geist, er ist schwer einzuschätzen. Seine Manien, Marotten und Methoden haben erst einmal nichts Komisches, werden allerdings durch die Situationen (T. öffnet Türen vornehmlich mit seinem Arm, was oft ziemlich lächerlich aussieht) und den Kontext der Serie (selbst der Dekan kuscht vor dem Professor) in ein ironisches Licht getaucht. Während Uwe Mantel, Fan der belgischen Vorlagenserie, auf DWDL bei Koen De Bouw als Jasper Teerlinck „ein unverwüstliches Lächeln im Gesicht“ ausmacht, verzieht Matthias Matschkes Professor in den ersten beiden Folgen kaum eine Miene. Allein im Gefühl des sicheren Sieges überkommt ihn zwei, drei Mal ein mildes Lächeln, das sich nicht eindeutig lesen lässt. Sehr viel klarer dagegen sind die strenge Physiognomie, die Steifheit in der Körpersprache, die abgezirkelten Bewegungen im Raum, mit denen sich Matschke die Figur einverleibt. Dem entspricht der sinnliche Look der ZDF-Serie mit den scharfen coolen Schwarzweiß-Kontrasten (auch bei Kostüm- und Maskenbild) und dem Spiel mit Licht und Schatten, was sich sinnlich & stimmungsvoll auch in der von Thalheim verehrten japanischen Kultur (Zen, Tee-Zeremonie, Sitzen auf dem Boden, Samuraischwert) mit ihrer minimalistischen Zeichensprache widerspiegelt. tit.

Professor T.Foto: ZDF / Martin Valentin Menke
„Wir sind in unserer Wahrnehmung beschränkt, aber Wissen ist der erste Schritt zur Besserung.“ Mit der neuen Krimiserie „Professor T.“ will das ZDF auch jüngere Zuschauer ansprechen. Das erkennt man u.a. an der coolen visuellen „Ansprache“.

Matthias Matschke ist „Professor T.“. Matschke ist ein arrivierter Theaterschauspieler, glänzt(e) im Fernsehen in Comedyformaten wie „Ladykracher“ oder „Pastewka“ und der satirischen „heute-show“, war einige Jahre der Kollege von „Helen Dorn“ in der gleichnamigen Reihe. In vielen weiteren Krimis wirkte er mit, aber er stand meist in der zweiten Reihe. Jetzt hat er verdientermaßen den Sprung geschafft: Seit 2016 ist er neben Claudia Michelsen Kommissar in der ARD-Krimireihe „Polizeiruf 110“, und nun spielt er die Titelrolle in der neuen ZDF-Krimiserie. Diese Rolle zelebriert er förmlich vor der Kamera: Hier kann er als Charakterdarsteller glänzen, aber auch seine komödiantischen Fähigkeiten ausspielen, insbesondere sein großes Gespür für das richtige Timing. Dieser Jaspar Thalheim ist schrullig, schräg, hat trockenen Humor und ist ein Formulierungskünstler. Und er hat diverse Macken, allen voran eine Ansteckungsphobie. So trägt er ständig Einweghandschuhe, öffnet nie die Türe mit der nackten Hand, ruft seine Sekretärin, ob gebrauchte Taschentücher entfernen zu lassen. Matschke gibt dem Sonderling eine markante Physiognomie, setzt präzise die Pointen, spielt aber auch die Arroganz und berufliche Besessenheit dieses Professors gekonnt aus. Lucie Heinze als seine attraktive Auftraggeberin und Mitstreiterin ist mit ihrer taffen Art und ihrem frischen Spiel ein gelungener Gegenpol zum Professor. So kann man sich auf die Folgeepisoden freuen. Drei weitere Sechzigminüter sind abgedreht, laufen samstags, lagen aber leider noch nicht zur Beurteilung vor. (Text-Stand: 15.1.2017)

Ergänzung (Stand: 3.2.17): Nach Sichtung aller vier Folgen festigt sich der positive Gesamteindruck der kompakten Ein-Stunden-Serie. Gelungen ist vor allem die moderate horizontale Erzählweise und der Verzicht auf klassische Nebenplots. Die Szenen sind dafür häufig umso komplexer, zielen auf den Krimi-Fall, charakterisieren die Figuren und sorgen immer wieder für amüsanten Subtext. In Folge 2 platzt beispielsweise in eine Szene, in der T. sich mit seinem Stamm-Escort-Girl amüsieren will, ausgerechnet seine nervige Mutter. Und dass die Titelfigur kein Taktgefühl kennt, vertieft mit seiner (verletztlichen) Analyse von Situationen die Kommunikation und verdichtet die Handlung. Die Tonlagen der Folgen sind unterschiedlich. Mal lebt T. durch die Beratertätigkeit bei der Polizei geradezu auf, mal ist er am Boden zerstört, verzweifelt und sieht sich sogar in Gedanken vom Dach stürzen. (tit.)

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ZDF

Mit Matthias Matschke, Lucie Heinze, Andreas Helgi Schmid, Paul Faßnacht, Julia Bremermann, Hedi Kriegeskotte, Peter Harting, Alexandra von Schwerin, Thomas Goritzki, Marie Rönnebeck

Kamera: Thomas Jahn

Szenenbild: Ingrid Henn

Schnitt: Amina Lorenz

Musik: Jens Oettrich

Produktionsfirma: Rowboat Film- und Fernsehproduktion

Produktion: Sam Davis

Drehbuch: Ben Braeunlich

Regie: Thomas Jahn

Quote: 1. Folge: 4,96 Mio. Zuschauer (16,8% MA); 2. Folge: 4,56 Mio. (15% MA); 3. Folge: 4,48 Mio. (15% MA); 4. Folge: 4,55 Mio. (15,8% MA)

EA: 04.02.2017 21:45 Uhr | ZDF

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