Polizeiruf 110 – Verdammte Sehnsucht

Kogge, Krause, Stokowski, Dinda und ein Krimi auf den Spuren des "Jungen Törless"

Foto: RBB / Sandor Domonkos
Foto Rainer Tittelbach

Tatort Internat: schnöselige Jungmänner, abgeschnitten von der sozialen Realität, konzentrieren sich ganz auf die interne Hackordnung, der offenbar ein Mitschüler zum Opfer gefallen ist. Mit 2,4 Promille Alkohol im Blut wurde er im Wald gefunden – abgeladen wie ein totes Tier… Erpressung, Dekadenz, Sadismus, sexuelle Demütigung sind so alt wie die Menschheit. Konzentrierter, großartig besetzter Ein-Schauplatz-Krimi von Stefan Rogall.

Es herrschen harte Sitten im Internat „Friedrich von Eisenbruch“. Der Stipendiat und Musterschüler Bastian Kröner kann ein Lied davon singen. Er wirkt verschlossen, blockt ab bei der Vernehmung. Dabei ist sein bester Freund ermordet worden, ein Diplomatensohn, der besonders oft leiden musste. Er hatte einen Intimfeind, einen unverschämten jungen Mann, der sich jedem überlegen fühlt – weil er seinen mächtigen Vater hinter sich weiß.

Der neunte „Polizeiruf 110“ mit Imogen Kogge als kluge Kommissarin und Horst Krause als eifriger Polizeihauptmeister spielt weitgehend in den Hallen eines ehrwürdigen Internats, in dem vorwiegend die Kinder betuchter Eltern nicht nur lernen, sondern auch ihre sadistischen Spielchen treiben. Schnöselige Jungmänner, abgeschnitten vom realen Leben, konzentrieren sich ganz auf die interne Hackordnung, der offenbar ein Mitschüler zum Opfer gefallen ist. Mit 2,4 Promille Alkohol im Blut wurde er im Wald gefunden – abgeladen wie ein totes Tier. „Verdammte Sehnsucht“ ist von der rbb-Redaktion nicht als Anti-Werbung für Privatschulen gedacht. Eher als Nachdenkhilfe für Eltern, die zu schnell bereit sind, ihre Kinder auszulagern und der optimalen Ausbildung wegen in jungen Jahren aufs Internat zu schicken.

Auch jener Ermordete wurde abgeschoben, weil in der Ehe seiner Eltern nichts mehr funktionierte und so die Fassade der glücklichen Familie leichter aufrechterhalten werden konnte. Es ist kein Zufall, dass er sich in eine 20 Jahre ältere Frau verliebt. Nina Petri, die Darstellerin der Mutter, bringt es auf den Punkt: „Würde ich einen Sohn haben, der als 18-Jähriger mit einer 20 Jahre älteren Freundin nachhause kommt, würde ich mich fragen: ‚Was habe ich falsch gemacht, dass er sich mit seiner Freundin auch eine Mutter sucht?’.“

Polizeiruf 110 – Verdammte SehnsuchtFoto: RBB / Sandor Domonkos
„Was habe ich falsch gemacht, dass er sich mit seiner Freundin auch eine Mutter sucht?“ Nina Petri als Mutter des Ermordeten, Hans-Werner Meyer, Imogen Kogge

Durch das Eintauchen in den Mikrokosmos Internat haftet diesem Krimi von vornherein etwas Künstliches an. In einer solchen realitätsfernen Welt kann die am Ende etwas überkonstruierte Geschichte leichter hingenommen werden. Ohnehin kommen bei einem solchen Sujet Erinnerungen an den literarischen Internats-Klassiker „Der junge Törless“ auf. Musils Roman und auch Schlöndorffs Film spielen zwar in einer anderen Zeit, Erpressung, Dekadenz, Sadismus und sexuelle Demütigung waren wie im Drehbuch von Grimme-Preisträger Stefan Rogall aber auch damals schon die Triebkräfte der Handlung. Bei so viel ästhetischer Tradition ließ sich Regisseur Bodo Fürneisen auch nicht lumpen – was die Besetzung angeht: Inka Friedrich, kurz, aber besonders nachhaltig im Einsatz, außerdem Nina Petri, Hans-Werner Meyer, Oliver Stokowski, Alexander Held und eine ganze Reihe aufstrebender Jungtalente wie Marlon Kittel oder Franz Dinda machen „Verdammte Sehnsucht“ zu einem verdammt guten „Polizeiruf 110“. (Text-Stand: 24.8.2008)

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Reihe

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Mit Imogen Kogge, Horst Krause, Nina Petri, Hans-Werner Meyer, Marlon Kittel, Franz Dinda, Oliver Stokowski, Inka Friedrich, Alexander Held

Kamera: Frank Sthamer

Schnitt: Gisela Zick

Musik: Ulrich Reuter

Produktionsfirma: antaeus Film

Drehbuch: Stefan Rogall

Regie: Bodo Fürneisen

EA: 24.08.2008 20:15 Uhr | ARD

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