Pinocchio

Adorf, Tukur, Anna Justice und ein viel zu langatmiger zweiteiliger Kinderfilm

Foto: WDR / B-Walter Studios / LAVAlabs
Foto Tilmann P. Gangloff

Die am Computer entstandene kulleräugige Titelfigur, die nachträglich in den Film integriert wurde und aussieht wie Chucky, die Mörderpuppe, ist nur eines der vielen Mankos dieser weihnachtlichen „Pinocchio“-Verfilmung der ARD. Mit seinem Infantilitätsniveau ist der Zweiteiler ein lupenreiner Kinderfilm, dafür ist er mit zwei Mal 90 Minuten aber viel zu lang. Da kann selbst die hochkarätige Besetzung mit Mario Adorf, Ulrich Tukur, Inka Friedrich, Benjamin Sadler oder Sandra Hüller nicht viel ausrichten. Das Spiel bleibt Kindertheater.

Im vergangenen Jahr hat die ARD mit der Neuverfilmung „Baron Münchhausen“ einen großartigen Weihnachts-Zweiteiler für die ganze Familie beschert. Gemessen an Witz, Tempo, Charme und Einfallsreichtum des Abenteuerfilms ist „Pinocchio“ eine herbe Enttäuschung.

Die durch das Jugenddrama „Max Minsky und ich“ bekannt gewordene Regisseurin Anna Justice hält sich bei ihrer Umsetzung (Drehbuch: Alexandra Maxeiner) zwar eng an das Kinderbuch von Carlo Collodi, inszeniert „Pinocchio“ aber als Kinderfilm, und zwar mit einer Konsequenz, die dem Film nicht guttut. Das gilt gar nicht mal so sehr für die infantilen Späße, die ein ganz junges Publikum ohne Frage erheitern werden, sondern vor allem die Hauptfigur: Der Titelheld ist nachträglich am Computer entstanden und in die Bilder integriert worden. Das allein wäre natürlich nicht problematisch, derlei ist bei Fantasy-Filmen längst Alltag, aber Pinocchio ist dem Geist der Geschichte zum Trotz nur im technischen, nicht jedoch im übertragenen Sinn animiert: Der Entwurf wirkt alles andere als ansprechend.

Das erzählt der ARD-Weihnachtszweiteiler „Pinocchio“ (ARD-Pressetext):
Der arme, alte Geppetto (Mario Adorf) staunt nicht schlecht, als die von ihm aus einem Stück Holz geschnitzte Figur plötzlich quicklebendig wird. Schnell sorgt Pinocchio im ganzen Dorf für Aufregung. Die Holzpuppe hat fast alles, was einen richtigen Jungen ausmacht, vor allem einen gesunden Appetit und jede Menge Unsinn im Kopf. Mit der Wahrheit nimmt es Pinocchio nicht immer so genau. Doch bei jeder Lüge wird seine Nase länger und länger. Pinocchio schwänzt die Schule, rührt den Direktor des Puppentheaters, Mangiafuoco (Ulrich Tukur), zu Tränen und stürzt sich von einem Abenteuer ins nächste. Auf einer fantastischen Reise macht Pinocchio Bekanntschaft mit Füchsin (Sandra Hüller) und Kater (Florian Lukas), zwei zwielichtigen Gesellen, gelangt in das märchenhafte Wunderland, wird in einen Esel verwandelt – und findet sich schließlich sogar im Bauch eines riesigen Fisches wieder. Einen Traum verfolgt er dabei mehr als jeden anderen: endlich ein richtiger Junge zu werden, ein Junge aus Fleisch und Blut.

PinocchioFoto: WDR / B-Walter Studios / LAVAlabs
„Pinocchio“. Die Ganoven-Füchsin (Sandra Hüller) & der Kater-Tolpatsch (Florian Lukas). Die Besetzung ist jedenfalls formidabel!

Gleiches gilt im Übrigen für die Grille Coco, die den Holzscheit bewohnt hat, bevor er in den Händen des Puppenschnitzers Gepetto zur Figur eines kleinen Jungen wurde. Die Leblosigkeit ausgerechnet des Helden, der als notorischer Lügner ohnehin nicht besonders liebenswert ist, entpuppt sich als großes Manko, das selbst so namhafte Schauspieler wie Mario Adorf als Gepetto, Ulrich Tukur, Inka Friedrich oder Benjamin Sadler nicht wettmachen können. Auch in Collodis Märchen hat Pinocchio den Teufel im Leib, aber infolge der kulleräugigen Animation erinnert die Filmfigur auf fatale Weise an Chucky, die Mörderpuppe.

Erschwerend kommt hinzu, dass der Film selbst auf zwei Tage verteilt mit insgesamt 180 Minuten viel zu lang ist; auch und gerade als Kinderfilm. Vor allem die erste halbe Stunde, in der nach Pinocchios Erwachen außer ein paar Slapstickszenen im Grunde nichts passiert, hätte entschieden gekürzt werden müssen. Interessant wird Teil eins erst, als die Heldenreise beginnt: Zunächst will der Puppenspieler Pinocchio noch verbrennen, doch dann hat er Mitleid mit dem Holzkopf und schenkt ihm fünf Goldstücke, damit er wieder zu Gepetto zurückkehren kann. Der Reichtum weckt jedoch die Gier von Fuchs und Kater. Für Sandra Hüller ist die Rolle der Füchsin zwar im Vergleich zu ihrem sonstigen filmischen Repertoire ungewöhnlich komödiantisch, aber die beiden Diebe (den Kater spielt Florian Lukas) agieren wie Figuren aus dem Kindertheater: immer eine Spur zu laut, gern eine Grimasse zu viel. Hörenswert ist dagegen Anke Engelke, die ihre Stimme der Grille leiht, doch die Animation Cocos ist wie der gesamte erste Teil frei von jedem Zauber. Der Film- und Medienstiftung war das Werk dennoch eine Fördersumme in Höhe von 1,5 Millionen Euro wert: weil der Film, wie es heißt, den Eintritt in eine neue Produktionstechnik in NRW markiere.

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Mit Mario Adorf, Ulrich Tukur, Inka Friedrich, Benjamin Sadler, Sandra Hüller, Florian Lukas, Arved Friese, Nicolais Borger, Aaron Kissiov, Axel Neumann, Claudia Funke, Valentino Fortuzzi, Maelle Giovanetti-Metzger und Luca Zamperoni

Kamera: Mathias Neumann

Szenenbild: Bertram Strauß

Schnitt: Ulrike Leipold

Musik: Julian Maas, Christoph M. Kaiser

Produktionsfirma: FFP New Media

Drehbuch: Alexandra Maxeiner – Bearbeitung: Anna Justice – nach dem Kinderbuch von Carlo Collodi

Regie: Anna Justice

EA: 25.12.2013 20:15 Uhr | ARD

weitere EA: 2. Teil: 26.12.2013 16:10 Uhr | ARD

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