„Der folgende Film, seine Ereignisse und Figuren sind frei erfunden“, heißt es zu Beginn. Dann folgt der Satz: „Aber es könnte sich auch genauso zugetragen haben“. Nun, vieles ist wahr in „Perfect Match“. Alle Personen, die vorkommen, gibt es: Steffi Graf, ihre Eltern Peter und Heidi, Andre Agassi und seinen Bruder, Brooke Shields und und und. Und alle sportlichen Ereignisse auch: die Triumphe von Steffi und Andre in Wimbledon, bei ihr einige Titel mehr als bei ihm. Auch private Ereignisse sind belegt: die Beziehung von Steffi mit dem Rennfahrer Michael Bartels, Agassis Ehe mit Schauspielerin Brooke Shields, Peter Grafs Steuerbetrug samt anschließender Haftstrafe. Nicht belegbar, aber zentraler Punkt des Films ist die aufkommende Romanze zwischen der deutschen Tennis-Ikone und dem amerikanischen Tennis-Punk. Dass sie 1999 ihre Beziehung bekannt gaben, 2001 heirateten, zwei Kinder haben und immer noch zusammen sind, das weiß jeder. Aber wann hat es geknistert und gefunkt zwischen den beiden? Das wissen nur die beiden. So zeigen die Drehbuchautoren Florian Gallenberger und Chris Silber wie es gewesen sein könnte. Sie vertrauen dabei auch auf Agassis Autobiografie, in der er bekannte, dass er sich früh in die „Gräfin“ verliebt hat.
Foto: Bravado / MarVista / Poto
Die Geschichte hat alles, was eine gute Love-Story braucht: einen eher schüchternen Charming Boy (Toby Sebastian als Andre Agassi), der im Hotel mit seinem Bruder übt wie er sein Traum-Girl ansprechen soll; eine nach außen kühl und perfektionistisch wirkende junge Frau (Lena Klenke als Steffi Graf), die unter der Dominanz des Vaters leidet. Es gibt erste Begegnungen, die zeigen wie unterschiedlich sie sind. Er macht sich Hoffnungen, wird enttäuscht, flüchtet in eine Ehe mit Schauspielerin Brooke Shields (Bianca Bardoe). Dann begegnen sie sich in Rom, die Romanze mit einer Rollerfahrt, einem Spaßmatch auf einem alten Tennisplatz und Lebensbeichten, auf dem Aschenplatz liegend, könnte nicht schöner sein. Dann wieder ein Tiefpunkt: Steffi reist ab, weil ihr Vater Peter (Michael Kessler) die Steuerfahnder im Haus hat und in U-Haft kommt, Andre denkt, sie ist seinetwegen abgereist. Und schließlich wieder Wimbledon: Andres Ehe ist längst passe, Steffis Beziehung mit Michael Bartels (Leonard Scheicher) kriselt. So macht es klick. Und am Ende wird es so kitschig, dass man denkt, Regisseur Florian Gallenberger wollte das Finale nicht nur hoch in den Bergen drehen, sondern zugleich so stark überhöhen, dass allen klar ist, hier geht es um Fiktion, weil man nicht weiß, wie es wirklich gewesen ist.
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Fast ein Vierteljahrhundert sind Steffi Graf und Andre Agassi zusammen – sie, die so erfolgsbesessen unnahbar erschien, er, der als lockerer Sonnyboy das Image des ewigen Schürzenjägers hatte. Und die Ehe hält und hält. Beide müssen sich nicht ständig in die Schlagzeilen bringen, sie sind ein Vorzeigepaar. Das wollen die Zuschauer sehen, dachte sich wohl Amazon, ein Stück Eskapismus, raus aus der Welt der Kriege, Katastrophen und kaputten Ehen. Florian Gallenberger, in jungen Jahren Oscar-Gewinner mit dem Kurzfilm „Quiero ser“, der nach „Schattenzeit“, „John Rabe“ und „Colonia Dignidad“ zuletzt eine Komödie („Es ist nur eine Phase, Hase“) und einen Krimi („Tatort – Murot und das Paradies“) gedreht hat, liefert mit seinem Liebesfilm gelungene Unterhaltung. Romantik und Emotionen dominieren den Film. Aber der Autor und Regisseur weiß auch in die Tiefe zu gehen. Er zeigt zwei Kids, die zu Ballmaschinen geformt wurden: sie von ihrem Vater Peter Graf, er von Toptrainer Nick Bollettieri, der als harter Hund reihenweise Stars geformt hat. Die Tennis-Teenager machen das mit, genießen den Ruhm, doch dann wird ihnen klar, dass das nicht alles sein kann. Agassi bricht aus, stürzt sportlich ab, genießt das Leben mit Brooke Shields. Steffi macht weiter, lächelt die Eskapaden des Vaters weg – bis der im Knast landet. Dort besucht sie ihn und zieht einen Schlussstrich: „Es gibt kein Wir mehr.“ Wie beide mit den äußeren Umständen und innerer Zerrissenheit umgehen, das zeigt Gallenberger in wunderbar intensiven Szenen. In Rom entfliehen sie dem Rummel, erzählen sich gegenseitig was sie belastet, fühlen sich verstanden. Und Agassi offenbart Steffi sein großes Geheimnis. Und wenn sie Jahre später im Museum in London sitzen (auf einer weißen Bank in einem weißen Raum), ist das ein Moment, der stimmig inszeniert ist und nachwirkt: wahres „Herzkino“.
„Perfect Match“ ist ein Film, der vor allem von seinen Hauptdarstellern lebt: Toby Sebastian spielt Andre Agassi. Der Brite war unter anderem in fünf Folgen von „Game of Thrones“ zu sehen. Lena Klenke kennt man als Laura in allen drei Teilen von „Fack ju Göhte“. Sie war zudem in der Netflix-Serie „How to Sell Drugs Online (Fast)“ und in „Das schweigende Klassenzimmer“ in tragenden Rollen zu sehen. Nicht nur optisch sind die beiden eine Top-Wahl. Sie haben Gestik und Mimik der Tennis-Größen drauf, bewegen sich gekonnt und sicher durch die Tennis-Szenerie. Überzeugend auch Michael Kessler und Inka Friedrich als Peter und Heidi Graf. „Perfect Match“ ist sicher nicht der perfekte Film, aber ein gelungenes romantisches Biopic, in dem es einen klaren Sieger gibt: die Liebe! (Text-Stand: 16.6.2024)