Seit Nele Schiller ihr Pharmazie-Studium geschmissen hat, blüht sie regelrecht auf. Möbel und der Pole Grzegorz sind ihre große Leidenschaft. Die Liebe zum Restaurieren wird allerdings dadurch geschmälert, dass die 23Jährige die seit Generationen im Familienbesitz der Schillers befindliche Apotheke im piefigen Bad Homburg übernehmen soll. Außerdem weiß ihr Vater nichts von dem, was seine Nele so alles in Berlin treibt. Zum Beispiel weiß er nicht, dass sie sich mit seiner gefälschten Unterschrift einen Kredit erschlichen hat. Ausgerechnet an dem Wochenende, an dem sie rund um die Uhr in Existenz entscheidenden Restaurationsarbeiten steckt, kündigt sich ihr alter Herr an. Offiziell will er in seinem Mietshaus nach dem Rechten sehen; eigentlich aber reist er seiner Frau Franziska nach, die in Berlin an einem Kunst-Symposium teilnimmt, sich aber vor allem auf eine Stelle als Kuratorin bewerben möchte. Nicht nur für den Hauptstadt-Phobiker Hans-Peter kommt es ganz schön dicke an diesem sonnigen Sommerwochenende an der Spree. Auch Neles Lebenslust erfährt einen deutlichen Dämpfer. Und auch bei ihrer Mutter, die mit ihrem Ausstellungskonzept „Kinderbilder – Bilderkinder“ eine ziemlich arrogante Abfuhr kassierte, kann es nur noch bergauf gehen.
„Solange mein Vater hier nicht auftaucht, ist alles okay.“ Spätestens bei diesem Satz weiß man in dem ZDF-Sonntagsfilm „Nele in Berlin“, wie der Hase laufen wird. Überraschende Haken wird die Dramaturgie eher keine schlagen. Dennoch ist das, was sich in den 90 Minuten so alles ereignet zwischen launigem Kiez-Charme und luftigem Prenzl-Chic, eine unterhaltsame Familienkomödie, in der der Pulsschlag der Hauptstadt und die individuelle LebensArt der Generation Y auch dem Film ein Stück weit eine fürs „Herzkino“ mit seiner 55plus-Zielgruppe ungewöhnliche Lebendigkeit verleihen. So kommt es, nachdem die Lügen in die Handlung Schwung und in die Dialoge gelegentlich etwas Boulevardeskes gebracht haben, nach deren Offenbarung zu so mancher wundersamen Verwandlung. Eine Familie erfährt und erfindet sich neu – das ist hübsch von Drehbuchautorin Andrea Solter und Regisseurin / Ko-Autorin Katinka Feistl („Wenn Liebe doch so einfach wäre“) ausgedacht und hält routiniert die Waage zwischen lockerer Selbstfindungsgeschichte und komödiantischem Selbstzweck.
Foto: ZDF / Pola Sieverding
Und die Lügen haben mitunter schöne Beine: Cornelia Gröschel jedenfalls gibt Everybody’s Darling im alternativen Sommerlook, immer in Bewegung und gern auch mal beinfrei. Katharina Müller-Elmau ist einmal mehr hinreißend als Endvierzigerin, die sich noch nicht aufs Altenteil begeben will. Und Zirner darf mal wieder ein bisschen den August von der Leine lassen. Jeder ihrer drei Charaktere macht seine ganz spezifischen Berlin-Erfahrungen – das sorgt für reichlich Abwechslung auf der Handlungsebene (da ist beispielsweise auch noch das Kiez-Faktotum Ulli „das Universum sorgt für mich“ Müller – unverwechselbar: Dominique Horwitz) und ergibt viele ansehnliche Miniaturen. Was „Nele in Berlin“ allenfalls fehlt sind – über August Zirners komische Kleinstädter-Karikatur hinaus – ein paar zündende Gags und mal ein Dialogwitz zur rechten Zeit. Dennoch kann sich dieses Familien(film)-Update im Rahmen des ZDF-Romantik-Updates am Sonntag sehen lassen. (Text-Stand: 9.2.2015)