Große Männer braucht der kleine Bildschirm. Zumindest an deren Heldentaten will das Fernsehen des 3. Jahrtausends telegen teilhaben. Nach Julius Cäsar und den vergleichbaren historischen Fliegengewichten Andreas Hofer und Friedrich von der Trenck und vor Märchenkönig Ludwig II. stürzt sich ab heute Napoleon, der große Feldherr und Frauenfreund, ins Schlachtengetümmel. Das vierteilige Historienepos ist eines der teuersten TV-Produktionen aller Zeiten. Es wurde europäisch koproduziert, mit vielen internationalen Stars – im Erscheinungsbild aber stilistisch einheitlich, deutlich unter französischer Flagge.
Im Mittelpunkt steht der Mensch Napoleon, ein kleiner großer Mann zwischen Politik und Privatleben, zwischen Schlachtfeld und Familiensinn. Ein Mann mit vielen Schwächen, aber auch mit einigen bisher weniger bekannten Seiten: “Wir sehen Napoleon immer als Soldaten und großen Strategen, er war aber auch ein Intellektueller”, betont sein Darsteller Christian Clavier, der schon einmal einen kleinen ganz großen Franzosen verkörperte: Asterix in dem Kinohit “Asterix und Obelix gegen Cäsar”. Er ist nicht nur wegen seiner Größe, 1,68 Meter, genau so große wie der “kleine Korporal”, die Idealbesetzung. Vieldeutig auch sein Blick: zwischen gestrenger Schärfe, verträumter Vision, zwischen Melancholie und selbstgefälliger Ironie sind alle emotionalen Regungen in seiner Physiognomie angelegt.
“Napoleon” schafft weitgehend den Spagat zwischen Film-Biografie und epochalem Epos. Nur selten sieht man die Ausstattung, die angeklebten Koteletten, die Kostümierungsorgie und die steifen Komparsen im Felde. Nur selten wird einem bewusst, was hier alles aufgefahren wurde, um großes Fernsehen zu machen: die 40 Millionen Euro Budget, die 3000 Kostüme, die 150 Perücken, die 3000 Pferde und 20.000 Statisten. Dass der Zuschauer das alles wahrnimmt und doch darüber hinwegsieht – das ist ein großes Kompliment, das man zuletzt keiner der historischen Großproduktionen machen konnte. Das liegt weitgehend an den Schauspielern, allesamt physisch starke Charakterdarsteller, denen Theater und historische Rollen nicht fremd sind und die problemlos gegen historisches Dekor anspielen können: Gérard Depardieu, Isabella Rossellini, John Malkovich, Anouk Aimée und die Deutschen Heino Ferch, Sebastian Koch, Alexandra Maria Lara, Marie Bäumer und Mavie Hörbiger.
“Napoleon” war ein künstlerischer und organisatorischer Kraftakt. “Oft wurde an einer Szene zwei Tage lang gedreht”, erinnert sich die ZDF-Redakteurin Birte Dronsek. Dennoch wurde der Drehplan mit 120 Drehtagen nicht überschritten. Und das, obwohl “grundsätzlich alle Szenen zweimal gedreht wurden, das heißt einmal komplett in französischer und einmal in englischer Sprache”, so Dronsek. Doch der Regisseur Yves Simoneau hatte noch ein anderes Produktionsnovum zu bewerkstelligen: Der Francokanadier musste fünf Fassungen herstellen. Die beiden Hauptfassungen, eine vierteilige europäische und eine vierteilige amerikanische Fassung. Dazu wurden eine dreiteilige, eine zweiteilige und eine 26-minütige Version herausgebracht. Simoneau: “Damit haben wir ’Napoleon’ in jeder Länge und können ihn optimal weltweit vermarkten.” (Text-Stand: 6.1.2003)