Nächste Ausfahrt Glück

Niehaus, Borchardt, Stötzner, Georg Weber, Meletzky. Romantisch, witzig, (n)ostalgisch

Foto: ZDF / Frizzi Kurkhaus
Foto Rainer Tittelbach

War es nur eine Jugendliebe, oder sind Katharina und Juri auch noch 30 Jahre, nachdem sie sich vor der Botschaft in Prag getrennt haben, füreinander bestimmt? Ob die beiden ersten Neunzigminüter der ZDF-Reihe „Nächste Ausfahrt Glück“ (Producers at work) Liebesfilme sind, die mit der frischen Beiläufigkeit eines episodischen Alltagsrealismus‘ daherkommen, oder ob die Beziehung von Katharina und Juri im Grunde nur wunderbar die Möglichkeit bietet, Geschichten von Familie und Freundschaft, Liebe und Glück, Lebenslust und Älterwerden zu erzählen, das liegt ganz im Auge des Betrachters. Für den „Herzkino“- Sendeplatz jedenfalls ist diese neue Reihe eine absolute Bereicherung, ja geradezu ein Novum. Das Privatleben der Hauptfiguren steht im Zentrum, der Beruf ist allenfalls Mittel zum Zweck. Voller Überraschungen steckt auch die vorzügliche Besetzung bis in kleinste Nebenrollen. Der Top-Cast geht sicherlich maßgeblich auf das Konto der renommierten Regisseurin Francis Meletzky, die dem Film mit seinen zahlreichen Subplots einen angenehm undramatischen Flow verleiht. Grundlage für diese kitschfreie Romanze ist das situationsstarke, lebenskluge Drehbuch von Georg Weber.

War es nur eine Jugendliebe, oder sind Katharina (Valerie Niehaus) und Juri (Dirk Borchardt) auch noch 30 Jahre, nachdem sie sich vor der Botschaft in Prag getrennt haben, füreinander bestimmt? Beide schlugen völlig unterschiedliche Lebenswege ein. Sie blieb im thüringischen Eisenach und ist verheiratet mit Georg (Max Hopp), dem Burghauptmann der Wartburg. Beide sind glücklich und haben eine Tochter (Runa Greiner) und einen Sohn (Se-bastian Schneider). Er dagegen wanderte früh nach Kanada aus, wo er heute Touren durch die Wildnis organisiert. Jetzt ist er zum ersten Mal wieder in seiner alten Heimat, weil sein Vater Hilfe braucht. Zwar ist Willi (Ernst Stötzner) noch mobil und recht unternehmungslustig, aber im Kopf hakt es immer öfter aus. Das Wiedersehen des ehemaligen „Traumpaars“ verläuft zunächst in erwachsenen Bahnen. Man hält freundlich Distanz, erzählt sich ein bisschen, wie es einem ergangen ist, und die als Kindergärtnerin bestens vernetzte Katharina hilft in Sachen Heimplatz oder Pflegekraft. Juri, der ein eher angespanntes Verhältnis zu seinem Vater hatte, fühlt sich überraschend heimisch, versteht sich mit seinem alten Freund Christian (Christian Erdmann) wieder richtig gut; was dessen Frau Yvonne (Winnie Böwe) ziemlich eifersüchtig beäugt. Trotzdem will Juri bald zurück nach Kanada. Das ist auch ganz im Sinne von Katharina, die offenbar befürchten muss, wieder dem Charme ihrer alten Liebe zu verfallen.

Nächste Ausfahrt GlückFoto: ZDF / Frizzi Kurkhaus
Der Mythos der großen Liebe, die auch noch nach Jahrzehnten dem Verstand leidenschaftliche Streiche spielt. Das ist „Herzkino“ in Reinform, hat entsprechend wenig mit Alltags- und Wahrscheinlichkeitslogik zu tun. „Nächste Ausfahrt Glück“ mit den ersten beiden Episoden, „Juris Rückkehr“ und „Beste Freundinnen“, gehört neben „Ella Schön“ und „Ein Tisch in der Provence“ zu den Reihen-Highlights auf dem ZDF-Sonntagssendeplatz. Die Chemie stimmt: Valerie Niehaus, Dirk Borchardt

Ob die beiden ersten Neunzigminüter der ZDF-Reihe „Nächste Ausfahrt Glück“ Liebesfilme sind, die mit der frischen Beiläufigkeit eines episodischen Alltagsrealismus‘ daherkommen, oder ob die Beziehung von Katharina und Juri im Grunde einfach nur wunderbar die Möglichkeit bietet, Geschichten von Familie und Freundschaft, Liebe und Glück, Lebenslust und Älterwerden zu erzählen, das liegt ganz im Auge des Betrachters. Für den „Herzkino“- Sendeplatz jedenfalls ist diese neue Reihe eine absolute Bereicherung, ja geradezu ein Novum. Das Privatleben der Hauptfiguren steht im Zentrum, der Beruf ist allenfalls Mittel zum Zweck, es gibt also keine standardisierten Episoden-„Fälle“ wie im Helfer*innen-Genre, sieht man von den drei, vier Szenen pro Film ab, in denen die „Probleme“ auffälliger Kita-Kinder ebenso beiläufig wie lebensklug gelöst werden. Und hat man erst einmal die Plot-Prämisse geschluckt (wer wandert schon aus, wenn er der „Liebe seines Lebens“ ein Jahr später wieder nah sein kann?!), dann ermöglichen die ersten beiden Filme dieser Reihe ein breites Spielfeld für zarte Anflüge von Romantik, für herzhaft komische Knallbonbons aus der Kategorie Alzheimer und für Nostalgie-Effekte wohliger Art. Wer hätte gedacht, dass ein „Herzkino“-Film einmal maßgeblich und sogar textlich passend mit Bruce-Springsteen-Songs bestückt sein würde?!

Voller Überraschungen steckt auch die Besetzung. Dirk Borchardt muss einmal nicht den knallharten Kerl mit oftmals krimineller Energie verkörpern, sondern sein Juri darf mit Künstlermähne nicht nur der Frau seines Herzens gefallen; denn auch die beste Freundin der Heldin, gespielt von Susanna Simon, zeigt lebhaftes Interesse an dem urwüchsigen Single. Valerie Niehaus darf ihre blauen Augen mal wieder in einer Rolle strahlen lassen, in der sie ihr „natürliches“ Spiel ganz in den Dienst einer alltagsnahen Handlung stellen kann und in der sie nicht übertrieben witzig sein muss. Nicht gerechnet am Sonntag im ZDF hätte man mit Ernst Stötzner. Er verleiht seinem Mann, für den es nicht „Nächste Ausfahrt Glück“, sondern in naher Zukunft „Letzte Ausfahrt Pflegeheim“ heißen könnte, tragikomische Züge. Wenn er ver-rückte Pläne schmiedet, ritualisiertes Klassenbewusstsein abruft, wenn er am ersten Tag im Heim auf der Wiese, sein Gewehr über der Schulter, fröhlich Walzer tanzt, und ein paar Tage später einen „Betriebsausflug“ in den Puff veranstaltet, dann liegt die Betonung auf komisch. Doch es gibt auch andere Momente: eine Umarmung, ein Kuss, der Abschied vom Sohn und Augenblicke, in denen auch er seinen Aussetzer zu erkennen scheint. Ebenfalls keine „Herzkino“-Gesichter sind Schauspieler wie Christian Erdmann („Aufbruch in die Freiheit“), Winnie Böwe („Bibi & Tina“), Ulrike Krumbiegel („Die Anfängerin“) oder Bettina Lamprecht („Pastewka“) in einer Episoden-Nebenrolle. Sie alle reihen sich ein in einen Reigen aus Alltagsgeschichten mit einem zumeist sehr zurückgenommenen Spiel ohne übermäßige Pointierungen. Und die meisten reden, wie man so redet im Alltag („Ja – wo genau in Afrika, du Nase“). Herzerfrischend echt. Und Freudsche Versprecher der Liebe sind auch mal dabei.

Nächste Ausfahrt GlückFoto: ZDF / Christiane Pausch
Diese Liebesgeschichte mit Rückgriffen auf die deutsche Geschichte will dem Zuschauer nicht die Welt erklären, fungiert aber auch nicht im (gesellschafts)politisch völlig luftleeren Raum. Auch das Komische hat seinen Platz. „Eine Pflegerin, also so weit kommt’s noch! Hatte der etwa eine Pflegerin“, sagt in einer späteren Szene Willi (top: Ernst Stötzner) zu seinem Sohn Juri (Dirk Borchardt) und zeigt auf das Foto von Che Guevara.

„Mir hat auf Anhieb die Thematik gefallen. Erwachsene Freunde in der Mitte eines glücklichen Lebens begeben sich miteinander, ohne es geplant zu haben, auf eine völlig neue Reise in ihrem Leben, die beginnt, als Juri wieder auftaucht. Es wird in unserer Geschichte getanzt, gelebt und gealtert, kleine und größere Kinder kommen zu Wort, es geht um Liebe im und zum Alltag. Das Ganze spielt in dem Teil und in der Gesellschaft Deutschlands, die für mein Empfinden nur im Krimi oder im Dokumentationszusammenhang im Fernsehen auftaucht.“ (V. Niehaus)

Der Autor und die Regisseurin gehören ebenfalls nicht zu den üblichen Verdächtigen auf jenem Sendeplatz, den Reihen wie „Rosamunde Pilcher“ oder „Inga Lindström“ nicht nur bei Kritikern in Verruf gebracht und den zuletzt „Ella Schön“ und „Ein Tisch in der Provence“ deutlich aufgewertet haben. Georg Weber („Meine Frau, ihr Traummann und ich“), kein Vielschreiber, was für ein solches Projekt erkennbar von Vorteil ist, hat jenen situationsstarken Reigen mit leichter Hand und Weitsicht verfasst. Wie es im dritten Film weitergehen wird, das lässt sich zwar an den dreißig Fingern von Katharina, Juri und Georg abzählen, dennoch werden die Konflikte nie künstlich hochgespielt. Allein an einer Nacht zu dritt hält sich in der zweiten Episode die Geschichte etwas lange auf. Gezeigt werden soll die Eifersucht der Heldin; dass diese Nacht auch für die Ehe von Christian und Yvonne zum Stolperstein wird, dient dagegen nur der Dramaturgie. Ansonsten gibt es zwischen den Handlungssträngen keinerlei Brüche, alles fließt, ganz selbstverständlich. Die Überschaubarkeit des Städtchens tut ihr Übriges. Zu diesem vorzüglichen, undramatischen Flow trägt natürlich maßgeblich die sorgfältige Regie von Francis Meletzky („Anne Burda“ / „Vorwärts immer“) bei, deren hohes Ansehen in der Branche den Top-Cast erleichtert haben dürfte. Ihr ästhetisches Prinzip: Realismus statt öder Hochglanz. Und wenn immer es nur möglich ist, übernehmen die Bilder die Regie. Mal ist vom Lebensraum der Protagonisten viel zu sehen, mal begegnen sich Köpfe in wilder Großaufnahme … Dann obsiegt für Augen-Blicke Leidenschaft über Vernunft.

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Reihe

ZDF

Mit Valerie Niehaus, Dirk Borchardt, Ernst Stötzner, Max Hopp, Susanna Simon, Christian Erdmann, Winnie Böwe, Runa Greiner, Sebastian Schneider, Pauline Werner

Kamera: Bella Halben

Szenenbild: Monika Nix

Kostüm: Corinna Baum

Schnitt: Jörg Volkmar

Musik: Freya Arde

Redaktion: Wolfgang Grundmann, Anika Kern

Produktionsfirma: Producers at work

Produktion: Christian Popp

Drehbuch: Georg Weber

Regie: Francis Meletzky

Quote: (1): 5,84 Mio. Zuschauer (16,8% MA); (2): 5,09 Mio. (14,5% MA)

EA: 28.02.2021 20:15 Uhr | ZDF

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