„Das ist ein ganz normaler Überfall.“ Mit diesen Worten stöckeln zwei Männer in Frauenkostümen und billigen Perücken in die Geschäftsräume eines hanseatischen Edeljuweliers. Sie erbeuten Diamanten im Werte von 25 Millionen Euro und nehmen die zwei hübschesten Verkäuferinnen als Geiseln. Einer der beiden Männer ist Freddy Kunkel (gewohnt göttlich: Roeland Wiesnekker), ein Liebesgestörter, der hofft, mit den Klunkern bei seiner Ex-Frau (Cosma Shiva Hagen) wieder zu landen. Kommissar Erichsen und Polizeipsychologin Brenner haben die junge Frau bereits kennen gelernt – während eines Einsatzes bei den Nachbarn: einem Ehepaar mit Privatzoo, das ein ausgewachsenes Krokodil in ihrem Bad hält.
Kunkel schlägt seine Frau. Die Tochter bekommt es mit der Angst und holt ein paar Stunden später zwei Polizisten aus dem nächsten Imbiss – nichts ahnend, dass es sich dabei um zwei falsche Bullen handelt. Kraut (Florian David Fitz) und Hoppek kommen gerade von einem selbst gewählten Einsatz: die gelernten Kfz-Mechaniker haben sich mit einem zum Polizeiauto umgespritzten Klauwagen ihren Kindheitstraum „Wir sind die Polizei“ erfüllt und haben dabei ahnungslose Verkehrssünder abgezockt. Gerade wollen sie ihren verdienten Feierabend begehen, steht die kleine Kunkel-Tochter mit traurigen Augen vor ihnen. Wer kann da schon nein sagen?! Minuten später fallen tödliche Schüsse.
„Nachtschicht“, 2002 gestartet, eine Episode pro Jahr, stets geschrieben und inszeniert von Genre-Fan Lars Becker, ist die innovativste deutsche Krimi-Reihe des letzten Jahrzehnts. Das Erzählprinzip hat sich über die Jahre kein bisschen abgenutzt. Es ist die originelle Art und Weise, wie die unterschiedlichen Geschichten kunstvoll miteinander verwobenen werden, die den besonderen Reiz des siebten KDD-Nachteinsatzes ausmacht. Als Realismus suggerierendes Prinzip hatte die „Alles-in-einer-Nacht“-Dramaturgie nach vier Episoden ihre Möglichkeiten weitgehend ausgereizt. Die beiden letzten Filme, „Ich habe Angst“ (2008) und „Blutige Stadt“ (2009), wirkten artifizieller in ihrer geradezu schicksalhaften Tragödien-Konzeption. In „Wir sind die Polizei“ (Szene) wird das Erzählprinzip wieder stärker hervorgekehrt, nicht der Realitätswahrnehmung, sondern der komischen Nebeneffekte wegen. Ein überdrehtes Vergnügen. Sogar Barbara Auer lächelt.
Soundtrack: Arctic Monkeys („Red light Indicates doors are secured“), Fleetwood Mac („You make loving fun“), Sezen Aksu („Asktan ne haber“), Lou Reed („The Gun“), Rare Earth („Get Ready“), The Verve („Slide away“), Ben Harper („Fly One Time“)
Die siebte „Nachtschicht“ ist ein ungewöhnlich süffiger, großartig besetzter Großstadtkrimi, der sich traumwandlerisch sicher durch viele Tonlagen bewegt, der packend ist, der zum Schmunzeln anregt, der voller Ironie steckt, ohne je in die Genreparodie zu kippen. Und die Nacht hat mal wieder ihre eigenen Gesetze. Es ist die Lust am Geschichtenerzählen, am Fabulieren, am herum Spinnen, die in jeder Szene spürbar ist. Hier erklären uns weder Lars Becker noch Erichsen & Co die (Unter-)Welt, hier melden sich die kleinen Leute, die Verlierer, die zu kurz Gekommenen selbst zu Wort. Seltsame Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder ein bisschen Diebesgut für die sozial Schwachen – das sind sympathische, kleine Utopien, die sich die anderen, stärker an den Buchstaben des Gesetzes ausgerichtete Fernsehkrimis hierzulande viel zu selten wagen. Auch das augenzwinkernde Feelgood-Ende ist etwas, das bei uns nicht einmal die Kinofilme hinbekommen. Ein Ende, das nach der nächsten „Nachtschicht“ verlangt…