Im Unterschied zu anderen Auslands-Krimireihen wie den Donna-Leon-Verfilmungen aus Venedig oder „Kommissar Dupin“ hat „Mordkommission Istanbul“ einen nicht zu unterschätzenden zusätzlichen Reiz zu bieten: Die Atmosphäre ist geprägt von diesem ganz speziellen Lebensgefühl an der Nahtstelle von Orient und Okzident. Die Zwischenschnitte mit ihren Panorama-Aufnahmen zeigen eine Metropole, die tatsächlich beides ist: westlich vertraut sowie exotisch und fremd. Die Geschichten machen sich dieses Potenzial viel zu selten zunutze. Das gilt auch für „Ausgespielt“. Das Drehbuch lässt die Motive, die zur Ermordung eines deutschen Au-pair-Mädchens geführt haben, lange Zeit offen, aber letztlich geht es um Homosexualität im Fußball und den Versuch, mit allen Mitteln das Outing eines Profis zu verhindern. Dass dies in der Türkei womöglich noch größere Wellen schlagen würde als bei uns, lässt Autor Jörg Tensing in seinem ersten Drehbuch für die Reihe leider beiseite.
Auch die Inszenierung von Thomas Jauch bleibt hinter den Erwartungen zurück. Schon seine erste Arbeit für die Reihe, die im Frühjahr ausgestrahlte Episode „Der Broker vom Bosporus“, konnte nicht an die Qualität der beiden letztjährigen Filme anknüpfen; mit „Die zweite Spur“ und „Das Ende des Alp Atakan“ hat Thorsten Schmidt 2014 hohe Maßstäbe gesetzt. „Ausgespielt“ dagegen zeigt sogar darstellerische Schwächen; selbst Erol Sander, sonst immer ein zuverlässig guter Grund, sich „Mordkommission Istanbul“ anzuschauen, hat Szenen, in denen seine Dialoge nicht glaubwürdig klingen. Gleiches gilt für Mimi Fiedler (bekannt als Kriminaltechnikerin im „Tatort“ aus Stuttgart), die hier die Model-Gattin eines früheren Fußballstars verkörpert. Auch Nina Kronjäger scheint mit ihrer Rolle als Mutter des ermordeten Mädchens zu fremdeln. Selbst erfahrene Schauspieler brauchen Spielmaterial; womöglich lassen sich diese ungewohnten Schwächen damit erklären, dass das Drehbuch den Rollen einfach nicht genug Tiefe verleiht. Dabei sind einige der handelnden Personen hochinteressant und auch gut besetzt, bleiben aber Randfiguren; Adrian Can zum Beispiel spielt den einstigen Star, der heute die Geschicke seines Clubs leitet. Ohnehin hätte schon allein die Fußballverrücktheit Istanbuls mit seinen konkurrierenden Spitzenclubs viel mehr Potenzial gehabt. Tensings Geschichte ist zwar handlungsreich, sodass der Film nicht zuletzt aufgrund der vielen Schauplatzwechsel und diverser Straßenszenen sehr aufwändig aussieht, aber mitunter wirken die Ereignisse auch aktionistisch. Immerhin darf Erol Sander einmal mehr bei einer Verfolgungsjagd im Vollsprint bemerkenswerte Fitness zeigen.
Optik und Akustik sind dafür umso besser gelungen. Der Film ist gerade auch dank der vielen Impressionen sehr schön anzuschauen (Bildgestaltung: Uli Kudicke). Trotzdem sind die Bilder fast eine Nummer zu klein für die große Musik von Karim Sebastian Elias. Das Grundschema besteht ähnlich wie bei seiner Komposition zu „Der Broker vom Bosporus“ aus einer harmonischen Mischung aus elektronischen und orientalischen Klängen; kleine Akzent-Verschiebungen genügen, um den Szenen eine ganz bestimmte Stimmung zu verleihen. Auf diese trägt Elias ganz maßgeblich dazu bei, dass „Ausgespielt“ mal spannend und mal melancholisch ist. Ein anderer akustischer Aspekt ist dagegen ärgerlich, aber auch nichts Neues bei dieser Art Filmen: Alle reden dieselbe Sprache, ganz gleich, wo sie herkommen. Der Liebhaber des Fußballers ist Norweger, aber Özakin kann sich mit ihm genauso mühelos verständigen wie mit der deutschen Mutter des Mädchens. (Text-Stand: 11.10.2015)