Mord in bester Gesellschaft – Das Scheusal

Fritz & Sophie Wepper, Wayne Carpendale. Statt Schmunzeln klasse Krimi-Thrill

Foto: Degeto / Kerstin Stelter
Foto Tilmann P. Gangloff

Mit der heiteren Leichtigkeit der früheren Fälle, als „Mord in bester Gesellschaft“ bestenfalls amüsanter Zeitvertreib war, hat der raffiniert konstruierte Krimi „Das Scheusal“ nichts mehr zu tun: Als er die Taten eines verurteilten Serienmörders rekonstruiert, stößt Psychiater Wendelin Winter (Fritz Wepper) auf Ungereimtheiten und landet selbst in der Psychiatrie. Wer angesichts des Hauptdarstellers mit komödiantischer Unterhaltung rechnet, der könnte bei diesem dramaturgisch und filmisch starken Krimi einen verstörenden Abend erleben.

Es ist schon erstaunlich und durchaus beeindruckend, wie radikal sich die Degeto-Reihe „Mord in bester Gesellschaft“ verändert hat. Abgesehen vom Titel und dem Hauptdarstellerpaar (Fritz Wepper und Tochter Sophie Wepper) gibt es kaum noch Ähnlichkeiten zwischen dem jüngsten Film, „Das Scheusal“, und den ersten Episoden. Der Wandel ist schon mit dem im Dezember 2013 ausgestrahlten elften Fall („In Teufels Küche“) eingeleitet worden, als Stefan Cantz und Jan Hinter, die Väter des „Tatort“ aus Münster, Rolf René Schneider als Autor ablösten. Mit Episode Nummer zwölf („Die Täuschung“, 2014) wurde „Mord in bester Gesellschaft“ endgültig zur ernstzunehmenden Krimireihe.

„Das Scheusal“ geht noch einen Schritt weiter. Der Prolog gibt einen unmissverständlichen Vorgeschmack darauf, dass dieser Film keine fröhliche Unterhaltung sein wird. Die ersten BiIder zeigen eine reizvolle Parallelmontage, die mit Erfolg die Neugier auf die Geschichte weckt: Die Polizei findet eine Leiche, und Wendelin Winter (Fritz Wepper) wird mit Gewalt ruhiggestellt; dazu singt Johnny Cash „You’ll Never Walk Alone“. Dann erst beginnt die eigentliche Handlung: Winters Tochter Alexandra (Sophie Wepper) will einen Artikel über den inhaftierten Serienmörder Gerd Granitzka, genannt das Scheusal (Felix Vörtler), schreiben. Ihr Patenonkel Konstantin Karoschek (Fred Stillkrauth) war für das psychiatrische Gutachten verantwortlich und stellt den Kontakt zu dem Mörder her. Winter ist umgehend fasziniert von dem angeblich psychopathischen Mann, lässt sich die Ermittlungsakten schicken und stößt alsbald auf Ungereimtheiten. Granitzka hat alle Morde gestanden und verfügt über sogenanntes Täterwissen, aber als Winter eine der Taten rekonstruiert, stellt er fest, dass sie sich unmöglich wie vom Mörder beschrieben abgespielt haben kann. Doch bevor er seinem Verdacht weiter nachgehen kann, wird er zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen.

Mord in bester Gesellschaft – Das ScheusalFoto: Degeto / Kerstin Stelter
Ungewöhnlich (guter &) düsterer Fall: Psychiater Wendelin Winter (Fritz Wepper) entdeckt Ungereimtheiten im Falle des gefürchteten Psychopathen (Felix Vörtler).

Dank ihrer Faktenvielfalt ist die Geschichte von ähnlich eindrucksvoller Komplexität wie sonst eigentlich nur Romanverfilmungen. Das Drehbuch stammt von Dirk Kämper und Lars Montag, den Autoren der ersten Fälle für Devid Striesow als „Tatort“-Kommissar aus Saarbrücken sowie eines herausragenden Münchener „Polizeirufs“ mit Stefanie Stappenbeck („Die Lücke, die der Teufel lässt“, 2010); hier hat Montag ebenfalls Regie geführt. Bei seiner Inszenierung von „Das Scheusal“ lässt er mit Hilfe von Bildgestaltung (Wolf Siegelmann) und Musik (Stephan Massimo) von Anfang an keinen Zweifel daran, dass dieser Film nichts mit dem harmlosen Krimizeitvertreib zu tun, für den die Reihe früher stand. Gerade die Tonspur bedient sich immer wieder typischer Thriller-Elemente: Ein beharrliches Wummern im Hintergrund verhindert, dass man sich wohlig berieseln lassen kann; gleiches gilt für die geräuschvollen Szenenwechsel. Wie groß der Einfluss der Akustik ist, zeigt sich, als Wendelin und Alexandra Winter den Hochsicherheitstrakt besuchen: Es ist vor allem die Tonspur, die dafür sorgt, dass man die Beklemmungen der jungen Frau gut nachvollziehen kann; kein Wunder, dass sie schließlich die Nerven verliert und den Bereich fluchtartig verlassen muss.

Trotzdem drängt sich das ausgezeichnete Handwerk nicht in den Vordergrund; es ist die raffiniert eingefädelte Handlung, die die Faszination des Films ausmacht. Als Inspiration diente den Autoren ein schwedischer Justizskandal, was die Geschichte noch ungeheuerlicher macht. Winter findet heraus, dass drei Personen durch die Verhaftung und Verurteilung Granitzkas Karriere gemacht haben: der damalige Leiter der Ermittlungen, eine Staatsanwältin und schließlich Psychiater Karoschek; das einflussreiche Trio hat selbstredend wenig Interesse daran, dass die alten Fälle wieder aufgerollt werden, zumal Granitzka auch die Verantwortung für die viele Jahre zurückliegende bestialische Ermordung eines Jungen übernimmt, dessen Leiche durch Zufall erst jetzt entdeckt worden ist. Winters Schicksal liegt nun in der Hand von Kommissar Becker (Carpendale), der den wahren Mörder finden muss.

Abgesehen von wenigen Szenen mit Sophie Wepper verzichtet „Das Scheusal“ komplett auf die Leichtigkeit der Anfangsjahre. Die Morde werden zwar nur geschildert, aber die in rascher Schnittfolge gezeigten Polizeifotos genügen, um sich ein Bild von der Grausamkeit der Taten zu machen. Die alptraumartigen Szenen in der Psychiatrie sind nicht minder bedrückend. Wer diesen Film einschaltet, weil Wepper dank Dutzender Komödien und der Serie „Um Himmels Willen“ für leichte Unterhaltung steht, der könnte einen verstörenden Abend erleben.

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Reihe

ARD Degeto

Mit Fritz Wepper, Sophie Wepper, Wayne Carpendale, Felix Vörtler, Norman Hacker, Fred Stillkrauth, Katja Bürkle, Johanna Bittenbinder

Kamera: Wolf Siegelmann

Szenenbild: Michaela Weniger

Schnitt: Marc Schubert

Musik: Stephan Massimo

Soundtrack: Johnny Cash („You’ll Never Walk Alone“), Louis Armstrong („You’ll Never Walk Alone“)

Produktionsfirma: Tivoli Film

Drehbuch: Dirk Kämper, Lars Montag

Regie: Lars Montag

Quote: 4 Mio. Zuschauer (15,4% MA)

EA: 11.06.2015 20:15 Uhr | ARD

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