Fünf Jahre Berlin, neuer Job, neue Wohnung, das klingt eigentlich ganz gut. Doch Hanna (Banafshe Hourmazdi) sieht das völlig anders. Sie fühlt sich abgehängt: Alle seien sie erfolgreicher, cooler und glücklicher als sie. Ihre älteste Freundin und Ex-Geliebte Franzi (Lena Klenke) hat in Autorin Alma (Jobel Mokonzi) ihre große Liebe gefunden, Tobi (Leonard Kunz) wird überglücklicher Vater, und die Frauen, die sie einst begehrten, haben als Verlegerin (Karin Hanczewski) oder Tantra-Göttin (Emma Drogunova) groß Karriere gemacht. Und was hat SIE mit Ende 20 erreicht? Ein Volontariat beim Szene-Magazin „Spice“, dessen 24-jähriger Boss (Max Schimmelpfennig) sie ständig nur demütigt, und ein eher freudloses Privatleben, kein Sex in Aussicht, geschweige denn Liebe. Doch das kann sich im schnelllebigen Berlin mit einem Wimpernschlag ändern. Plötzlich sieht sie „Sie“: Isabel (Annick Duràn Kandzior), die Frau ihrer schlaflosen Nächte. Als „cool, intelligent, taff, lustig, sexy, selbstbewusst, auch ein bisschen geheimnisvoll“, beschreibt sie Hanna, und deshalb wird sie wohl unerreichbar bleiben für eine Frau wie sie, die voller Selbstzweifel steckt. Oder?!
Foto: ZDF / Marcus Glahn
Soundtrack: Pvris („Goddess“), Shura & Rosie Lowe („Obsession“), Sophie Hunger („I Opened a Bar“), Tegan and Sara („Closer“), Lola Young („Don’t Hate Me“), Elise LeGrow („You Never Can Tell“), Billie Toppy („Men I Trust“), Major Lazer („Pon De Floor“), Connan Mockasin („Do I Make You Feel Shy?“), Valerie June („You And I“), Jackie DeShannon („What The World Needs Now is Love“), Cass Elliot („Didn’t Want To Have to Do it“), Arlo Parks („Weightless“), Lorde („The Louvre“), Karin Ann („If I Fall For You“), Joy OLadokun („Breathe Again“), Billie Eilish („Everbody Dies“ / „Happier Than Ever“), Till Brönner („Auld Lang Syne“), Moby feat. Mindy Jones („Heroes“), Lady Gaga („Hold My Hand“)
Nicht lange tritt die so selbstkritische Hanna in der zweiten Staffel von „Loving her“ auf der Stelle. Getrieben vom eigenen Ehrgeiz, dem Wunsch, den Freunden nachzueifern und den Möglichkeiten des wilden Berlins, kniet sie sich bald richtig rein, zunächst ins Schreiben, besonders in die Themen, die ihr wichtig sind. Die Biographie ihrer mütterlichen Freundin Miriam (Robin Gooch) bringt sie auf die Idee, sich mit queeren Beziehungen im Alter zu beschäftigen. Die ersten Porträts schlagen ein, und bald hat sie eine eigene Kolumne. Auch in Sachen Liebe könnte es Fortschritte geben, wäre Hanna nicht so ungeduldig und fordernd. „Die queere Carrie Bradshaw hat endlich eine eigene Wohnung und die Frau ihrer Träume will nicht bei ihr einziehen. Ich wünschte, das wären Fake News“, bringt es die Journalistin im Aufwind etwas egozentrisch auf den Punkt. Ob Liebe, Arbeit oder Freundschaft – ganz häufig vermasselt es diese queere Chaos-Queen of Color selbst. So ist ihre Zukunft als Printkolumnistin keineswegs sicher, die Beziehung zu Isabel hängt jedoch an einem noch viel dünneren Faden: Ein Seitensprung mit der abgebrühten Ex, die noch immer auf die naive „Reinheit“ Hannas steht und ihr sogar ein Jobangebot macht, könnte Hannas Hoffnung, mit Isabel längerfristig glücklich zu werden, endgültig zunichtemachen.
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Das Leben bleibt eine Baustelle. Darin erinnert die zweite Staffel von „Loving her“ mehr denn je an ihre berühmten Vorbilder. Die Heldin nutzt privates Umfeld und eigene Erfahrungen, die sie in der Großstadt macht, für ihren Job als Kolumnistin, das kennt man aus „Sex and the City“. Als Hauptfigur einer Serie hat Hanna alle Sympathien auf ihrer Seite, dabei ist sie doch als Mensch ähnlich ambivalent – um nicht zu sagen egoistisch – wie die andere beliebte Namensvetterin, Hannah Horvath aus „Girls“: die allerdings verrät für den eigenen Vorteil oftmals noch dreister ihre „guten“ Freundinnen. Die Berliner Hanna hat dabei allerdings immer ein schlechtes Gewissen und ihre unüberlegten Eskapaden und kleinen Ausbrüche nagen kräftig an ihrem Selbstwertgefühl. Weiter entfernt ist Hanna von zwei anderen twentysomethings in Serie, den Anti-Heldinnen aus „Fleabag“ und „Oh Hell“. Auch sie dreht sich um ihren kleinen Kosmos, vornehmlich um sich selbst und ihre leicht neurotischen Befindlichkeiten. Die von Phoebe Waller-Bride und Mala Emde verkörperten Figuren müssen allerdings keine Serienstaffel durchlaufen, um wie Hanna zu erkennen, dass man sich nicht verbiegen und dass man zu sich selbst stehen muss und notfalls gar nicht dazuzugehören sollte: Sie reiben sich existentieller, tiefgründiger an der gleichförmigen Oberflächenwelt.
Die Reihe von Serien, in der „Loving her“ steht, kann sich sehen lassen. Auf den ersten Blick kann diese ZDF-Dramedy da nicht mithalten. Wie auch? Die Produktionsbedingungen sind grundverschieden, und das sogenannte „Instant“-Format ist mehr noch zum schnellen Gebrauch gedacht, inklusive etwas weniger gesellschaftskritischem Tiefgang. Als schnelle Serie für zwischendurch, für junge Leute oder solche, die am Zeitgeist der Generation Z oder den jung gebliebenen Millennials interessiert sind, weiß „Loving her“ mit ihren 15- bis 22-minütigen Folgen durchaus zu gefallen. Der Tonfall bleibt zwar immer leicht und locker, dennoch werden die Probleme mit der Liebe, der Fruchtbarkeit, dem missbrauchten Vertrauen oder dem freundschaftsgefährdenden Narzissmus nicht auf die leichte Schulter genommen oder gar zum Pointen-Futter verarbeitet. Vor allem gelingt es den Autorinnen Marlene Melchior (Headwriter), Olivia Lauren Requat sowie Regisseurin Eline Gehring, dass die chronologische Kurzszenen-Dramaturgie nicht zu narrativen Klischees und videoclippigen Bildstereotypen verkommt. Der Rhythmus stimmt. Die Szenen kommen ohne Erklärungen schnell zur Sache. Und ob im Club oder zu Hause ganz intim – wie mit Kamera(auschnitt), Farben, Licht und Schnitt Stimmungen erzeugt werden, das ist clever und immer effektiv. Alle Figuren sind durchweg gut besetzt. Trotz der Kürze der Szenen umschiffen die Schauspielerinnen, allen voran Banafshe Hourmazdi, Annick Duràn Kandzior und Lena Klenke, die Gefahr, in zu kurzer Zeit zu viele Gefühle ausdrücken zu wollen. Am schönsten sind die Szenen, die emotional und sinnlich sind, ohne großen Bedeutungszwang.
Foto: ZDF / Marcus Glahn
Gewöhnungsbedürftig sind anfangs die Off-Kommentare der Hauptfigur – bis man als Zuschauer:in merkt, dass die Art des Vortrags wohl kein Zufall ist. Hanna ist Journalistin, eine Frau des Wortes also, mitteilungsbedürftig, analytisch, oft krampfhaft genau; etwas verkopft, was bei anderen oft als uncool, sperrig oder schwierig rüberkommt. Und genau so sind – trotz ein-gestreuter Ironie, die allerdings oft passend gewollt wirkt – eben auch die recht monoton vorgetragenen Kommentare. Das ist Hanna: Einerseits will sie (der Chefredaktion) gefallen, das Glück erzwingen, dann ist sie gelangweilt, genervt, uninspiriert. Und am Ende hat sie es dann wieder mal verbockt. „Liebe und Scheitern“ heißt ihr neues Projekt. Und weil Tod und Trauer(arbeit) dabei eine Rolle spielen, ist ein Teil-Happy-End nicht auszuschließen.