Lotta & der schöne Schein / & der Mittelpunkt der Welt

Josefine Preuß, Birgit Maiwald, Schiewe/Menck. Lotta & das erste instinktive Contra

Foto: ZDF / Oliver Ziebe
Foto Rainer Tittelbach

Lotta ist wieder da. Wir haben sie vermisst. Gerade in Zeiten, in denen das Helfersyndrom allzu simpel in die ständig gleichen Erzählmuster gepresst wird. In der „Lotta“-Reihe kreisen die Probleme um die Hauptfigur und ihre Liebsten und kaum um irgendwelche Patienten. In „Lotta & der schöne Schein“ (ZDF / H&V Entertainment) muss sie wieder mal erkennen, dass sie nicht in allem Recht hat. Und „Lotta & der Mittelpunkt der Welt“ verhandelt erstmals Verdrängtes aus der Familien-Geschichte der Titelfigur und begibt sich damit tiefer ins Innenleben der Charaktere als frühere Episoden der immer noch frischen Wohlfühl-Dramedy. In der Summe sind die acht Filme eine Art filmischer Entwicklungsroman. Das ist umso faszinierender, weil es nie so geplant war. Die Reihe steht und fällt mit Josefine Preuß.

So langsam scheint Lotta (Josefine Preuß) in Berlin anzukommen. Doch die Hektik der Großstadt potenziert deutlich ihren Hang, sich zu überfordern. In der Praxis, in der sie arbeitet, läuft es mit den Patienten gut, mit ihrer Chefin (Kirsten Block) dagegen weniger. Ihre Tochter Lilo (Sophia Louisa Schillner) hat Probleme in der Schule, Mitbewohnerin Mona (Carol Schuler) macht dauernd nur Party, und dann stehen auch noch ihre Brinkhämmer auf der Matte: Bruder Sebastian (Bernhard Pisk) wurde von seiner Frau verlassen, und Papa Meinolf (Frank Röth) macht nachts kein Auge zu – bis er Maren (Catherine Flemming), die Naturheilkunde-Therapeutin von gegenüber, kennenlernt. Die beiden Männer kommen zur Unzeit, befindet sich Lotta doch gerade mitten in den Vorbereitungen für ein Medizin-Repetitorium an der Uni, dem eine längerfristige Anstellung folgen könnte. Dann wäre sie den Stress in der Praxis los und könnte sich auch wieder mehr um Lilo kümmern. Doch die Streberstudenten von heute scheinen nicht so richtig auf ihrer Wellenlänge zu liegen, und auch die Lern- und Präsentationsmethoden haben sich geändert. Mit der Technik hilft ihr ein Student (Dennis Mojen), der in Magda (Camille Dombrowsky), die Medizin studierende Tochter von Lottas Chefin, verliebt ist. Und auch Lotta muss wieder helfen, da sich ungesunde Lernmethoden bei einigen Studenten eingeschlichen haben.

Lotta & der schöne Schein / & der Mittelpunkt der WeltFoto: ZDF / Oliver Ziebe
Lottas Männer spielen wieder eine größere Rolle in ihrem Leben – obwohl sich ihr Vater neu verliebt. Bernhard Piesk, Josefine Preuß, Sophia Louisa Schillner, Frank Röth & Catherine Flemming.

Lotta ist wieder da. Wir haben sie vermisst. Gerade in Zeiten, in denen das Helfersyndrom allzu simpel in die ständig gleichen Erzählmuster gepresst wird. Selbst wenn diese kleine Person, mittlerweile Anfang 30, auch immer schon am liebsten alle Probleme dieser Welt auf ihre schmalen Schultern genommen hat, so ist und bleibt sie doch ein ganz anderer Figuren-Typus. Schließlich sind auch die Geschichten völlig andere. In der „Lotta“-Reihe kreisen die Probleme um die Hauptfigur und ihre mehr oder weniger existente Familie. Lotta ist zwar – über den Umweg der Pflege – Ärztin geworden, weil sie den Menschen helfen will, die Patientengeschichten stehen jedoch immer weniger im Zentrum der Handlungen. In „Lotta & der schöne Schein“ muss sie wieder mal erkennen, dass sie nicht in allem Recht hat. Die Dauergestresste macht Fehler bei der Erziehung ihrer Tochter, wirft selbst Aufputschmittel ein, um ihre Prüfungsvorlesung zu meistern, und bei dem Tempo, mit dem sie ihre Arbeit in der Praxis macht, möchte man ihr nicht unbedingt als Patient gegenübersitzen. Aber Lotta bleibt immer lernfähig. Und sie hat am Ende auch einen guten Spruch für die übermotivierten Studenten parat: „Wir müssen nicht immer alles schaffen, sonst werdet Ihr keine Ärzte, sonst werdet Ihr Patienten.“ Sie selbst zieht als erste Schlüsse aus dieser Erkenntnis. Ihre ständige Bereitschaft, nach einem ersten instinktiven Contra die Perspektive zu wechseln, zeigt sich auch und besonders in der zweiten neuen Episode, „Lotta & der Mittelpunkt der Welt“.

Lotta & der schöne Schein / & der Mittelpunkt der WeltFoto: ZDF / Oliver Ziebe
Die Familie und ihre Vergangenheit, insbesondere der Krebstod von Lottas Mutter, geraten zum ersten Mal in der Reihe stärker als sonst in den Fokus. Preuß, Schillner

Für ein paar Ferientage mit Tochter Lilo nach Schwielow heimgekehrt, bringt hier Papas neue Flamme Maren Lotta auf die Palme. Es ist nicht nur deren entspanntes Beharren auf Naturheilkunde, von der sich die dauergestresste Medizinerin provoziert fühlt, mehr noch ärgert es sie, dass Vater Meinolf ihr Elternhaus verkaufen will, weil er für längere Zeit mit Maren nach Thailand gehen möchte. Sebastian, der sich noch nicht sicher ist, ob er Männer oder Frauen liebt, käme die Auszeit seines Vaters sehr entgegen – endlich könnte er sich einmal emanzipieren von seinem alten Herrn. Für Lotta aber, für die Schwielow und die damit verbundene Erinnerung an ihre viel zu früh verstorbene Mutter offensichtlich „der Mittelpunkt der Welt“ ist, kommen die Erinnerungen an alte Zeiten wieder hoch. Und so langsam spürt die gern mit dem Verstand fühlende Ärztin, dass sie dieses Heimkommen und ihr Elternhaus, mit dem sie eine glückliche Kindheit und ein schwieriges Jugendalter verbindet, noch immer als Ruhinsel benötigt. Ausgerechnet Maren spricht diesen Gedanken aus. Natürlich dauert es, bis Lotta ihn an sich herankommen lässt. Aber als sich die beiden ge-meinsam als Geburtshelferduo von Lottas Freundin Maike (Sylta Fee Wegmann) bewähren, scheinen sie fast so etwas wie Freundinnen werden zu können. Doch dann kehrt ein altes Trauma der Brinkhämmer zurück und stellt vor allem Vater Meinolf auf eine schwere Probe.

Lotta & der schöne Schein / & der Mittelpunkt der WeltFoto: ZDF / Christoph Assmann
Gesundheitliche Probleme. Kopfmensch Lotta (Josefine Preuß) lässt sich zumindest ein kleines bisschen auf die esoterisch angehauchte Maren (Catherine Flemming) ein.

Diese achte Episode der „Lotta“-Reihe, die 2010 begann und vom Erwachsenwerden mit all seinen Höhen und Tiefen, seinen Entscheidungen und Kehrtwenden erzählt, verhandelt erstmals Verdrängtes der Familiengeschichte, und die Reihe begibt sich damit tiefer ins Innenleben der Charaktere als die bisherigen Episoden. Vater und Bruder sind (in beiden neuen Filmen) mehr als  nur Störfaktoren für Lottas Entwicklung; beide bekommen mehr Eigenleben, und die Vorgeschichte mit der Krebskrankheit von Lottas Mutter rückt erstmals ins Zentrum. „Lotta & der Mittelpunkt der Welt“ besitzt entsprechende große emotionale Ausschläge. Das mit emotionalen Erinnerungen aufgeladene Scenario wirkt aber keineswegs ausgedacht, und auch die harmonieträchtigen Lösungen ergeben wie selbstverständlich aus der Handlung. Mögen sie am Ende auch den Konventionen einer solchen Dramedy entsprechen, so entsprechen sie ein Stück weit auch der Wirklichkeit. So dürften vor allem in der Wahrnehmung des Zuschauers Realitätsnähe und der Wunsch nach einem glücklichen Ausgang zu einem utopischen Komplex verschmelzen, den man sich für Lotta & Co, aber auch den eigenen Alltag erhofft. Gerade weil die durchgehenden Figuren Fehler machen, kommen sie einem nahe. Lotta ist keine Filmheldin, sie ist ein Mensch. Und weil einem das alles so locker & leicht, so sympathisch & unpädagogisch präsentiert wird, akzeptiert man diese frohen Botschaften als willkommene Moral und nicht als uncooles Gutmenschentum.

Filmsprachlich unterscheiden sich die beiden neuen „Lotta“-Folgen. Wovon diese Filme erzählen, das spiegelt sich in der Inszenierung: „Der schöne Schein“ von Christina Schiewe („Be my Baby“) wird getragen vom Rhythmus der Großstadt, der sich wiederum entscheidend im Lebenstempo von Lotta niederschlägt. Dagegen legt „Der Mittelpunkt der Welt“ von Andreas Menck („Club der roten Bänder“) eine geradezu entschleunigte Erzählweise an den Tag. Introspektion sind da wie dort Mittel zur Selbsterkenntnis. In der Summe sind die acht Filme eine Art filmischer Entwicklungsroman. Das ist umso faszinierender, weil es nie so ge-plant war. Am Anfang stand ein einzelner Fernsehfilm: „Lotta & die alten Eisen“ nach dem Roman „Die letzten Dinge“ von Annegret Held, der mit 5,3 Millionen Zuschauer alle Erwartungen übertraf. Hier war die Einschaltquote ausnahmsweise mal zu etwas gut: zu einem Unterhaltungsfilm-Lichtblick über ein ganzes Jahrzehnt, der retrospektiv betrachtet nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Dass die Stimmigkeit, der Erfolg und das lebensbejahende Image der Reihe maßgeblich gekoppelt ist an Hauptdarstellerin Josefine Preuß, die mittlerweile auch in historischen Prestige-Dramen wie „Das Adlon“, „Das Sacher“ oder „Die Pilgerin“ reüssieren konnte, das sollte nicht vergessen werden.

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Reihe

ZDF

Mit Josefine Preuß, Frank Röth, Bernhard Piesk, Catherine Flemming, Sophia Louisa Schillner, Carol Schuler, Dennis Mojen, Kirsten Block, Camille Dombrowsky, Ulrich Friedrich Brandhoff, Sylta Fee Wegmann, Jytte-Merle Böhrnsen

Kamera: Julia Baumann, Eddie Schneidermeier

Szenenbild: Fryderyk Swierczynski

Kostüm: Bettina Weiß

Schnitt: Diana Matous, Ulrike Leipold

Musik: Ali N. Askin

Produktionsfirma: H&V Entertainment

Produktion: Lynn Schmitz

Drehbuch: Birgit Maiwald

Regie: Christina Schiewe, Andreas Menck

Quote: 2,52 Mio. Zuschauer (8,8% MA); 4,45 Mio. (15,8% MA); Wh.: 2,94 Mio. (12,1% MA)

EA: 18.04.2019 20:15 Uhr | ZDF

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