„Anschaulicher, lehrreicher und zugleich unterhaltsamer lässt sich Historie nicht ins fernsehfiktionale Gewand kleiden“, urteilte die „FAZ“. „Eine Originaltreue, die Gänsehaut machen kann“, hieß es in der „Süddeutschen“. Wer „Löwengrube“ im Dritten gesehen hat, schwärmte. Nur leider: Allzu viele waren es bisher nicht. Denn acht Jahre lang weigerte sich die ARD, die 32 Folgen der im bayerischen Dialekt verhafteten Serie, eine Koproduktion von BR und ORF, im Ersten auszustrahlen. Heute ist gesamtdeutsche Premiere für ein Stück TV-Geschichte.
Kleine Leute erleben große Weltgeschichte. Erzählt wird die Geschichte der weitverzweigten Familie Grandauer, in und um München herum von 1918 bis 1954. „Löwengrube“ ist eine multiperspektivische Familienchronik, die (ähnlich wie Reitz‘ „Heimat“) im privaten Alltag die großen historischen Ereignisse spiegelt. Im Mittelpunkt steht Dorfpolizist Ludwig Grandauer (Jörg Hube), der mit seiner Familie in die bajuwarische Landeshauptstadt übersiedelt und dort als Kriminalbeamter in der neu gegründeten Polizeidirektion Löwengrube Karriere macht.
Man muss sich einlassen auf diese Serie, die zu Recht mit vier Grimme-Preisen bedacht wurde. Sie ist keine Nebenher-Unterhaltung, und um den Anschluss nicht zu verlieren, sollte man nicht zu viele Folgen verpassen. Willy Purucker schrieb sie nach seiner Hörspielserie „Die Grandauersund ihre Zeit“. Der Fernsehspiel-Pionier Rainer Wolffhardt („Anton Sittinger“) führte Regie. Und die einzigartigen Bauten und damit viel von Atmosphäre und Zeitkolorit gehen auf das Konto des Filmarchitekten Helmut Gassner („Berlin Alexanderplatz“).
Die Tonlage der „Löwengrube“ ist weniger erdenschwer als die Reitzschen „Heimat“-Epen. Auch wenn der Norddeutsche nicht alles versteht, es ist die bayerische Schlitzohrigkeit, die viel zum Charme dieser Serie beiträgt, fern jeder Volkstümelei. Der Kleinbürger nicht nur als Spielball der Geschichte, der Eigensinn als Form des Widerstands. Das war genau auch die „Sprache“ Wolffhardts, dem besonders gefiel, „dass die Geschichten in der Form einer Komödie, einer menschlichen Komödie, erzählt werden. Denn die Komödie ist für mich die höchste Form des Dramas.“ (Text-Stand: 6.10.1997)