Auch wenn es zum Auftakt der vier neuen Filme keine Zusammenfassung der Teile eins und zwei gibt: Man findet sich rasch zurecht, selbst wenn einige Fragen offen bleiben; etwa die nach der angeknacksten Beziehung der Heldin (Patricia Aulitzky) zu ihrer einstmals besten Freundin Julia (Liane Forestieri). Weitere wichtige Details werden zumindest angedeutet: Die Hebamme hat in Berlin bei ihrem Lebensgefährten Alex (Marc Ben Puch) gelebt, ist aber aus irgendeinem Grund in ihre oberbayerische Heimat und auf den Hof ihrer Mutter Eva (Eva Mattes) zurückgekehrt, obwohl das Verhältnis der beiden Frauen ebenfalls nicht unbelastet ist.
Die Regie der Filme 3 & 4 hat Thomas Jauch übernommen, aber an der Anmutung ändert sich nichts. Glaubt man den Bildern, gibt es im Sommer keinen schöneren Fleck auf Erden als das Berchtesgadener Land, zumal die Welt hier offenbar noch einigermaßen heil ist. Zwar hat Großbauer Huber (Michael Roll) nach wie vor ein Auge auf Eva und ihren Hof geworfen, aber seine entsprechenden Vorstöße halten sich in höflichen Grenzen. Die betriebliche Verschuldung kann dank des Engagements von Hofhelfer Basti (Bieling), den Eva schließlich mit einer Beteiligung belohnt, ebenfalls abgewendet werden, und auch die altersbedingten Aussetzer vom liebenswürdigen Opa Leo (Fred Stillkrauth) halten sich in überschaubarem Rahmen. Dafür konzentriert sich alles Pech des ersten von vier neuen Filme auf die Heldin.
Geschickt verknüpft das Drehbuch die verschiedenen Erzählebenen der Episode mit der durchgehenden Rahmenhandlung. Der Film beginnt mit zwei Bergwanderungen: Lena und ihr türkischstämmiger Freund Ersun (Bülent Sharif) klettern ein bisschen vor sich hin, während in der Nähe die hochschwangere Frau Veronika Glasner (Hilde Dalik) mit ihrem Mann (Stefan Murr) unterwegs ist. Es kommt, wie es kommen muss: Die Wehen setzen ein, die Frau schafft es mit letzter Kraft in eine Hütte, Lena kommt rechtzeitig dazu, aber das Baby liegt verkehrt herum. Die Hebamme hat natürlich keinerlei Instrumente dabei, und so kommt das Kind erst mit Hilfe des herbeigerufenen Gynäkologen (Thomas Limpinsel) zur Welt.
„Von weit her“ (21.4.): Lena Lorenz steckt mitten in Renovierungsarbeiten für ihre eigene Praxis, Eva und Basti planen Umbauarbeiten, da bringen die Flüchtlinge von Himmelsruh auch das Leben der Hebamme durcheinander. Eine hoch schwangere Frau erkrankt an einer Infektion. Weil es nirgends Platz für sie gibt, quartieren die Lorenz-Frauen sie und ihren kleinen Sohn auf ihrem Hof ein. Zwischen Mutter und Tochter kracht es mal wieder ordentlich, weil die verliebte Eva Reisepläne schmiedet und ausgerechnet jetzt Lena alleine lassen will.
„Ein Fall von Liebe“ (28.4.): Lena steht der Kopf eigentlich nicht nach einem Flirt. Doch dann begegnet sie Quirin, der gerade die Scheune auf dem Lorenzhof umbaut. Lena mag seinen Humor und seine Kreativität. Nur seine Leidenschaft fürs Klettern ist mit ihrer Höhenangst nicht vereinbar. Bei einer Klettertour kommt es zu einem Unglück: Ein Freund stürzt ab. Trifft Quirin tatsächlich keine Schuld?
Für einen Prolog ist das scheinbar gut ausgegangene Ereignis allerdings viel zu lang, und tatsächlich ist die Sache noch nicht ausgestanden: Das Kind ist aufgrund der schwierigen Geburt vermutlich behindert; das verbitterte Ehepaar verklagt Lena und fordert ein Schmerzensgeld in sechsstelliger Höhe, der Schadenersatz für die Krankenkasse käme noch dazu. Dieser Teil der Handlung erinnert an das Hebammendrama „Nacht der Angst“ (Herbst 2015 im ZDF), böte also genug Stoff für eine eigene Geschichte. Aber die Beiträge zu der Reihe sollen allenfalls dramatische Züge tragen, keinesfalls jedoch zu Problemfilmen ausarten. Deshalb bekommen die weiteren Ebenen einen ähnlich großen Stellenwert, darunter Lenas ungeklärte Beziehung zu Ersun, der gern mehr als nur ein Freund wäre, aber ganz andere Sorgen hat: Seine Frau ist aufgetaucht und will ihn dazu überreden, gemeinsam in die Türkei zu fliegen. Das Paar ist einst von den Eltern verheiratet worden und hat sich schon vor Jahren getrennt, ohne die Familien zu informieren, um ihnen die Schande zu ersparen.
Soundtrack. Titelsong: Silbermond („Leichtes Gepäck“). Film 1: London Grammar („Wasting My Young Years“), Tom Odell (“Long Way Down”). Film 2: “Ike & Tine Turner (“Nutbush City Limits”), Bill Haley & His Comets (“Rock Around The Clock”), Pharrell Williams (“Happy”), Mighty Oaks (“Seven Days”)
Und so reiht das Drehbuch fast wie in einer täglichen Serie Episode an Episode. Einige enden glimpflich, andere nicht; ausgerechnet Lenas Freund Schorschi (Sebastian Edtbauer), der stets gut gelaunte großherzige Sonnenschein der Reihe, macht gemeinsam mit seiner Frau (Verena Altenberger) eine bittere Erfahrung. Der vierte Film konzentriert sich dagegen stärker auf einen zentralen Handlungsstrang. Lena hat ihre „Entscheidung fürs Leben“, wie der dritte Film heißt, getroffen, und kann sich daher ganz auf ihre Arbeit konzentrieren, ist nun aber mehr als Detektivin denn als Hebamme gefragt: Das Baby eines jungen Elternpaares (Annina Hellenthal, Marian Kindermann) ist entführt werden. Täterin ist ausgerechnet eine gute Freundin (Friederike Linke), die sich auf diese Weise den eigenen Kinderwunsch erfüllt hat und das Land verlassen will. Astrid Ströher, die das Drehbuch zu „Spurlos verschwunden“ allein geschrieben hat, macht zwar nicht direkt einen Krimi daraus, zumal Jauchs Inszenierung die Spannung auch nicht auf die Spitze treibt, aber das Verbrechen bringt eine neue Farbe in die Reihe. Trotzdem sind die entsprechenden Anteile längst nicht so spannend umgesetzt wie bei den ansonsten durchaus vergleichbaren Serien „Die Bergretter“ oder „Der Bergdoktor“.
Ohnehin sind Tonfall und Stimmung der betont im Dialekt gesprochenen Filme (wobei nicht alle Darsteller wirklich einheimisch klingen) unterm Strich positiv, erst recht dank der feuchtfröhlichen Szenen mit den Freundinnen, die am Ende von Teil drei eine mitreißende Karaoke-Nummer zu Nenas „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ darbieten; in Teil 2 erzählt Julia im Rahmen eines amtlichen Frauensaufens endlich, was ihr seit Jahren auf dem Herzen liegt. Sehr schön ist auch die Rolle für Eva Mattes, die für eine Bäuerin zwar erstaunlich viel Freizeit hat, sich aber von der Rabenmutter zur Frau im dritten Frühling wandeln darf, als sich Eva ein wenig in einen Weltenbummler (Christoph Grunert) verliebt. Die Kalenderblatt-Aufnahmen der herrlichen Landschaft, gern im Schein der auf- oder untergehenden Sonne, signalisieren ohnehin unentwegt, dass am Ende alles gut wird, auch wenn ausgerechnet das Wetter für einen Regiefehler sorgt: Beim Prolog von Teil drei fällt malerisch fast waagerecht das Sonnenlicht in die Hütte. Tatsächlich ist es aber weder Morgen noch Abend, zumal die Sonne bei den Außenaufnahmen ohnehin von einer dichten Wolkendecke verborgen wird. Ein ähnlicher Lapsus unterläuft Jauch in „Spurlos verschwunden“, als der Vollmond von einer Einstellung zur nächsten sein halbes Volumen eingebüßt hat. (Text-Stand: 14.3.2016)