Leichtmatrosen – Drei Mann in einem Boot

Golo Euler, Stephan Szasz, Gabriel Merz, Clemens, Hering. Klamauk und Klischees

Foto: SWR / Hardy Spitz
Foto Tilmann P. Gangloff

Den vielen Filmen über wunderbare Männerfreundschaften hat Stefan Hering leider keinen weiteren hinzugefügt. Dabei hätte die Geschichte durchaus das Potenzial dafür: Finke, ein halberwachsener Mittdreißiger, hat für sich und seine Freundin Cora eine romantische Bootsfahrt auf der Havel gebucht. Als Cora eine Beziehungspause einlegt, überredet er zwei Sportfreunde, mitzukommen. Während der Tour werden die grundverschiedenen Männer wahre Freunde. Leider erstickt Regisseur Stefan Hering die vielversprechenden Denkansätze in plumpem Klamauk, und weil es der Komödie gleichzeitig an Spannung und Tempo ermangelt, wirkt „Leichtmatrosen – Drei Mann in einem Boot“ wie ein Debüt, das mit wenig Geld und noch weniger Erfahrung zustande gekommen ist.

Die Idee ist eigentlich reizvoll: Drei grundverschiedene Stuttgarter, die sich zuvor nur vom Sport kannten, machen gemeinsam Urlaub auf einem Boot. Jeder der drei hat sein Päckchen zu tragen: Finke (Golo Euler) wird eines Tages von seiner Freundin (Susanne Bormann) mit der Nachricht überrascht, dass sie schwanger ist. Das Paar war sich zwar einig, keine Kinder zu wollen, aber Sängerin Cora scheint es sich anders überlegen zu wollen und nimmt sich eine Auszeit von der Beziehung. Weil Finke bereits eine romantische Bootswoche auf der Havel gebucht hatte, überredet er seine beiden Badmintonpartner, ihn zu begleiten. Im Verlauf der Bootsfahrt gesteht Henner (Stephan Szasz), ein protestantischer Pfarrer, dass er seinen Glauben verloren hat. Simon (Gabriel Merz) wiederum hadert mit seinem Dasein als Handwerker: Er musste den Betrieb des Vaters übernehmen, dabei wollte er Schauspieler werden. Und Finke lernt von Henner, dass Kinder das Schönste im Leben sind.

Diese durchaus ernsthaften Untertöne verstecken Silja Clemens (Buch) und Stefan Hering (Regie) jedoch gerade in der ersten Hälfte des Films hinter viel zu viel Klamauk, der zudem mitunter fast laienhaft inszeniert wirkt. Vor allem die Szenen mit dem Chef (Michael Gaedt) einer Rockerbande wirken, wenn überhaupt, allenfalls unfreiwillig komisch: Simon schuldet dem Kerl 10.000 Euro, weshalb ihn die Rocker bis in die Uckermark verfolgen. Wie mittlerweile nahezu jeder zweite Film beginnt auch „Leichtmatrosen“ (das Drehbuch basiert auf einem gleichnamigen Roman von Tom Liehr) mit dem Höhepunkt der Feindseligkeiten: Der Rocker wirft eine Handgranate ins Boot. Was anschließend passiert, hebt sich die Komödie für den Schluss auf; jetzt heißt es erst mal „Zwei Wochen vorher“.

Leichtmatrosen – Drei Mann in einem BootFoto: SWR / Hardy Spitz
Eigentlich wollte Finke (Golo Euler) mit seiner Freundin Cora (Susanne Bormann) die Bootsfahrt machen. Doch ihre Schwangerschaft, seine heftige Reaktion darauf und die eingeläutete Auszeit der Beziehung sind eine schrecklich stereotyp konstruierte Exposition. Dramaturgisch erinnert das an unselige Degeto-Zeiten. Die Referenzspur zu dem 50er-Jahre-Lustspiel „Drei Mann in einem Boot“ ist wohl auch kein Zufall.

Ärgerlich an der Umsetzung ist vor allem der völlige Verzicht auf Subtilität. Dass die drei Hauptfiguren wandelnde Klischees sind, hätte Hering in seinem zweiten Film nach „Abseitsfalle“ ja auch nutzen können, um das Spiel ironisch auf die Spitze zu treiben, aber davon kann keine Rede sein. Henner ist ein Streber, der stets auf die Einhaltung der Regeln pocht und beim fahrenden Händler, der die Kumpane mit Chips und Bier versorgt, nach Biogemüse fragt. Simon repräsentiert die feierfreudige Arbeiterklasse und muss daher demonstratives Schwäbisch sprechen; immerhin ist Gabriel Merz gebürtiger Stuttgarter. Wie schlicht die Figuren entworfen sind, zeigt sich schon bei der Anreise: Henner hört im Auto Klassik, Simon den Ballermann-Schlager „Party, Palmen, Weiber und’n Bier“. Gleich zu Beginn illustriert der Regisseur einen leidenschaftlichen Küchentischsex von Finke und Cora, indem er das halbe Inventar wackeln lässt. Ähnlich hat er offenbar auch die Schauspieler geführt.

Immerhin fällt die Hauptrolle etwas differenzierter aus, auch wenn Finke eine typische Komödienfigur ist: ein Mann Mitte 30, der keine Lust hat, erwachsen zu werden, im Verlauf der Handlung aber einen Reifeprozess durchlebt. Natürlich bekennt er sich schließlich doch noch zu dem Kind, zumal Cora ihm telefonisch klarmacht, dass es sie nur „im Doppelpack“ gibt. Außerdem ist es keineswegs so, dass er keine Kinder mag, im Gegenteil: Die Begegnung mit dem kleinen Finn-Lukas, der „Per Anhalter durch die Galaxis“ liest, offenbart, dass Finke sogar sehr gut mit Kindern kann; aber weil er einst vom eigenen Erzeuger vernachlässigt worden ist, fürchtet er, ebenfalls kein brauchbarer Vater zu sein. Als Metapher für diese Ebene müssen Coras Zierfische herhalten, um die er sich kümmern soll. Einen Bezug zu den Tieren bekommt er jedoch erst, als Finn-Lukas ihnen Namen gibt.

Leichtmatrosen – Drei Mann in einem Boot
Mehr Klischee & Klamauk geht nicht. Werner (Micha Gaedt) & seine Devil Angels sind hinter einem der Hausbootfahrer her.

Soundtrack: Peter Wackel („Party, Palmen, Weiber und’n Bier“), The Gaslight Anthem („Howl“), Sisters Of Mercy (“Temple Of Love”)

Die Geschichte birgt also durchaus eine gewisse Tiefe, aber ein Vergleich mit der im Kern ganz ähnlichen, qualitativ allerdings um Klassen besseren Degeto-Komödie „Ich will (k)ein Kind von Dir“ verbietet sich, denn die wenigen vielversprechenden Denkansätze gehen meist unter. Als beispielsweise Henner beim Kirchenbesuch sein Halskettchen mit dem Kreuz bei den Opferkerzen ablegt, verpufft die Wirkung umgehend, weil gleichzeitig sein Polohemd Feuer fängt. Was der Film in Szenen wie diesen zu viel hat, fehlt ihm dort, wo es wirklich wichtig wäre: „Leichtmatrosen“ hat weder Tempo noch innere Spannung, und die Dialoge sind nicht witzig. Auch die angekündigten situationskomischen Gags funktionieren nur halbwegs: Bei seiner Bootseinweisung lernt das Trio die wichtigsten Regeln der Flussschifffahrt, und selbstredend werden sie ausnahmslos gebrochen. Der Fehler, das Boot in der Schleuse zu vertäuen, sorgt sogar für ein bisschen Spektakel, als der Wasserstand rapide sinkt. Witzig ist auch die Idee mit Engeln und Teufeln: hier die Rockerbande namens „Devil’s Angels“, dort ein verkleidetes Damenkränzchen, das aus einem Engel und einem Club attraktiver Teufelinnen besteht; die Party an Bord unterlegt Hering kontraststark mit dem „Ave Maria“. Teufelchen Anna (Xenia Assenza) würde Finke gern das Leben zur Hölle machen, aber der weiß mittlerweile, was er will, nämlich Caro, die selbstredend ausgerechnet dann auftaucht und die Situation falsch versteht, als er Anna eine freundliche Abfuhr erteilt. Auch wenn der Film in der zweiten Hälfte deutlich ernstzunehmender ist: Unterm Strich wirkt „Leichtmatrosen – Drei Mann in einem Boot“ wie ein Debütfilm, der mit wenig Geld und noch weniger Erfahrung zustande gekommen ist. Allenfalls die entspannt rockige Musik (Christopher Dierks, Oliver Schwarz) klingt ziemlich cool.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Fernsehfilm

ARD Degeto, SWR

Mit Golo Euler, Stephan Szasz, Gabriel Merz, Susanne Bormann, Michael Gaedt, Xenia Assenza, Ramona Kunze-Libnow, Konstantin Brackelmann

Kamera: Marcus Kanter

Szenenbild: Petra Albert

Schnitt: Nicola Undritz, Claudia Gleissner

Musik: Christopher Dierks, Oliver Schwarz

Produktionsfirma: Flare Film

Drehbuch: Silja Clemens – Vorlage: Tom Liehr

Regie: Stefan Hering

Quote: 3,24 Mio. Zuschauer (11% MA)

EA: 12.05.2017 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach