Lehrer kann jeder!

Christoph Maria Herbst, Marc Terjung, Rasper. Ein Geist, der nicht ins Jenseits findet

01.02.2025 12:15 ZDF
Foto: ZDF / Marc Meyerbroeker
Foto Tilmann P. Gangloff

„Lehrer kann jeder!“ (ZDF / Real Film) ist eine sehenswerte Gute-Laune-Komödie über einen arbeitslosen Mathematiker, der von seiner Frau, einer Lehrerin, vor die Tür gesetzt worden ist. Um sie zurückzugewinnen, nimmt er an der gleichen Schule einen Job als Quereinsteiger an. Mag sein, dass Erfolgsautor Marc Terjung auch mit gängigen Vorurteilen aufräumen wollte, weshalb Richard erkennen muss, dass er die Herausforderung maßlos unterschätzt hat. Sehenswert ist der durchgängig heitere Film aber vor allem wegen des ausnahmslos guten Ensembles, zumal die Mitwirkenden dafür sorgen, dass sich ihre Rollen alsbald von den Stereotypen emanzipieren. Gerade die Jugendlichen hat Regisseur Ingo Rasper vorzüglich geführt. Unangefochtener Star ist dennoch Christoph Maria Herbst, der die ständigen Missgeschicke der Hauptfigur in bester Clown-Tradition verkörpert.

Was gibt es nicht alles an Vorurteilen über diesen Beruf. Nur ein Spruch von vielen: „Lehrer haben morgens Recht und nachmittags frei“; von den ständigen Ferien ganz zu schweigen. Andererseits ist die Burn-out-Quote besorgniserregend hoch. Wie sehr dieser Job an die Substanz gehen kann, hat viele Jahre lang die RTL-Serie „Der Lehrer“ gezeigt: Die Verpackung war zwar heiter, doch die Herausforderungen für die Hauptfigur hatten es in sich. Ganz ähnlich funktioniert die ZDF-Komödie „Lehrer kann jeder!“. Der Ansatz ist allerdings ein anderer: Richard Glossat, arbeitsloser Mathematiker, fühlt sich keineswegs dazu berufen, jungen Menschen den Weg ins Leben zu ebnen. Während des Studiums hatte er für all’ jene, die sich aufs Lehramt vorbereiteten, bloß Verachtung übrig. Trotzdem ist es nicht bloß eine Laune des Schicksals, die ihn eines Tages mit einer zehnten Klasse konfrontiert.

Lehrer kann jeder!Foto: ZDF / Marc Meyerbroeker
Hahn im Korb? Richard Glossat (Christoph Maria Herbst) im Kreise seiner neuen Kolleginnen: Dilek Günes (Banafshe Hourmazdi), Anke Glossat (Brigitte Zeh), Marie Breuning (Mara Luka), Tanja Erb (Thanh Ho), Beate Klimm (Ramona Kunze-Libnow) und Ulrike Hirsch (Anne-Kathrin Gummich). Arbeitstitel: „Leerkräfte“!

Vordergründig erzählt Marc Terjung, Schöpfer der modernen Serienklassiker „Edel & Starck“ sowie „Danni Lowinski“ (beide Sat.1), eine romantische Komödie. Mit seinem Quereinstieg ergreift Richard (Christoph Maria Herbst) einen letzten Strohhalm: Seine Frau (Brigitte Zeh) will sich scheiden lassen, er musste das gemeinsame Haus bereits verlassen. Weil die Rektorin (Ramona Kunze-Libnow) der Schule seiner Tochter am Elternsprechtag über den eklatanten Personalmangel klagt, fasst er einen folgenschweren Entschluss: Gattin Anke ist an eben dieser Schule Französischlehrerin. Als Kollege, hofft Richard, gelingt es ihm womöglich, sie zurückzugewinnen. Allerdings hat er die Rechnung ohne Sportlehrer Geiger (Kai Lentrodt) gemacht, denn der liebt Anke ebenfalls; die beiden sind längst ein heimliches Paar.

Schon der ironische Titel deutet an, dass Terjung auch mit ein paar Vorurteilen aufräumen wollte (der Arbeitstitel lautete „Leerkräfte“); das tut er allerdings mit der gebotenen Zurückhaltung. Entsprechend beiläufig vollzieht sich Richards Sinneswandel. Der einst als Genie gefeierte Mathematiker hat über das Dreikörperproblem promoviert und ist überzeugt, den Schulalltag ohne größeren Aufwand bewältigen zu können. Die entsprechende Arroganz verfliegt bereits nach den ersten Minuten: Die Klasse besteht aus einer Horde ganz normaler Teenager, die sich für alles Mögliche, aber nicht für Richards Unterricht interessieren. Das Kollegium ist keinen Deut besser, auch hier wird die Stimmung ständig durch kleine und große Animositäten vergiftet: Ein reformresistenter älterer Kollege (Alexander Hörbe) verkörpert Zucht und Ordnung, die jungen Frauen mit sichtbarem Migrationshintergrund (Banafshe Hourmazdi, Thi Le-Thanh Ho) sind gender-sensibel, vegan und auch sonst ziemlich „woke“. Sehr witzig ist die Rolle einer überforderten Kollegin (Mara Luka), die nach einer äußerst unangenehmen ersten Begegnung mit Richard regelmäßig einen Asthmaanfall bekommt, wenn sie ihn sieht. Im Klassenzimmer wiederum gibt es das Mobbing-Opfer, den Lautsprecher, die Hochbegabte, die Schulschönheit und das Plattenbaumädchen.

Lehrer kann jeder!Foto: ZDF / Marc Meyerbroeker
Anke Glossat (Brigitte Zeh) und Christoph Geiger (Kai Lentrodt) verstecken ihre heimliche Liebschaft in der Sporthalle.

Das klingt nach einer Ansammlung von Klischees, aber die Mitwirkenden sorgen nicht zuletzt dank der Führung durch Ingo Rasper dafür, dass sich ihre Figuren alsbald von den Stereotypen emanzipieren. Gerade die jugendlichen Mitwirkenden (Tua El-Fawwal, Florian Appelius, Riccardo Campione, Malene Becker) hat der Regisseur ausnahmslos ausgezeichnet geführt. Abgerundet wird das Ensemble durch Virginia Leithäuser in ihrer ersten Rolle. Sie spielt Richards 15jährige Tochter, die ihrem Vater vorhält, er sei „wie ein Geist, der nicht ins Jenseits findet“, weil er nicht loslassen kann, und macht das formidabel. Michael Hanemann schließlich verkörpert einen pensionierten Lehrer, der für Richards Supervision zuständig ist, dessen Abhängigkeit von seinem Urteil jedoch missbraucht, um ihn zur Sklavenarbeit im Garten zu zwingen. Raspers Komödien, zuletzt meist im Auftrag der ARD-Tochter Degeto entstanden („Liebe ist unberechenbar“, „Gloria, die schönste Kuh meiner Schwester“ oder „Meine Nachbarn mit dem dicken Hund“), sind ohnehin stets sehenswert. Bei „Lehrer kann jeder!“ sorgt schon der Einstieg für gute Laune, als Richard ein Malheur nach dem anderen unterläuft. Herbst, ein Meister des ungesprochenen Worts, obwohl er nie eine Schauspielschule besucht hat, setzt das in bester Clown-Tradition um, indem er die Missgeschicke stoisch über sich ergehen lässt: Das Drumherum ist witzig genug; zusätzliche mimische Komik würde die Szenen bloß übertrieben wirken lassen. (Text-Stand: 14.8.2022)

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Mit Christoph Maria Herbst, Brigitte Zeh, Michael Hanemann, Kai Lentrodt, Virginia Leithäuser, Ramona Kunze-Libnow, Banafshe Hourmazdi, Alexander Hörbe, Thi Le-Than Ho, Tua El-Fawwal, Florian Appelius, Malene Becker, Riccardo Campione, Mara Luka

Kamera: Andreas Höfer

Szenenbild: Harald Turzer

Kostüm: Bettina Weiß

Schnitt: Bernd Schriever

Musik: Andy Groll

Soundtrack: Richard Sanderson („Reality“)

Redaktion: Alexander S. Tung

Produktionsfirma: Real Film

Produktion: Jakob Krebs

Drehbuch: Marc Terjung

Regie: Ingo Rasper

Quote: 3,79 Mio. Zuschauer (14,2% MA)

EA: 01.09.2022 10:00 Uhr | ZDF-Mediathek

weitere EA: 08.09.2022 20:15 Uhr | ZDF

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