Undercover in der Wiesbadener High Society. Kommissarin Heller (Lisa Wagner) mischt sich im Glitzerfummel unter die Reichen und Schönen, um Beweise gegen den Gutsbesitzer und Edelwinzer Gregor Riselius (Lukas Miko) zu sammeln. Der feine Herr soll auf minderjährige Mädchen stehen, die er auch gern mal an Geschäftsfreunde weiterverleiht. Behilflich sind ihm dabei Loverboys, die sich an vernachlässigte Teenager heranmachen, ihnen die große Liebe vorgaukeln, bevor sie sie mit Engelszungen zur Prostitution nötigen. Heller sollte an diesem Abend nur observieren, greift aber trotzdem ein, als ein älterer Mann mit einem blutjungen Mädchen in einem Zimmer verschwindet. Die Polizeiaktion läuft aus dem Ruder, der Loverboy des Mädchens flüchtet – und wird von Hellers Kollegen Timo Lübke (Maximilian Pekrul) erschossen. Ein sinnloser Einsatz, denn Riselius und seiner Frau Nicola (Cordelia Wege) ist nach wie vor nichts nachzuweisen. Da sie nun gewarnt sind, kann die von Panikattacken geschüttelte Kommissarin den beiden auch ins Gesicht sagen, was sie von ihnen hält. Auch ihrem Chef (Peter Benedict), der einzuknicken droht vorm großen Name Riselius, geigt sie die Meinung – und wird suspendiert. Natürlich ermittelt sie weiter. Denn der Verdacht erhärtet sich, dass Nina (Franziska Neiding), die Tochter ihres Ex-Kollegen Verhoeven (Hans-Jochen Wagner), ebenfalls in die Fänge eines Loverboys namens Luca (Daniel Axt) geraten ist. Noch ist sich Heller nicht sicher, ob sie Verhoeven einweihen sollte.
Foto: ZDF / Hannes Hubach
„Sobald sie anfängt, sich im Kreis zu drehen und man beginnt, sich satt zu sehen, ist es Zeit zu gehen“, kommentiert Schauspielerin Lisa Wagner, die bekannt dafür ist, nicht nur in ihren Rollen klare Worte zu finden, das Ende von „Kommissarin Heller“. Das habe sie sich schon 2013 gesagt, als die Reihe geplant und die erste Episode gedreht wurde. Diese Winnie Heller sei zu „besonders“, so Wagner – um sie sich im seriellen Getriebe des Krimieinerleis totlaufen zu lassen, ließe sich ergänzen. Die Reihe begann durchwachsen, der Konfrontationskurs der erkennbar interessanten, ambivalenten Hauptfigur mit der von Anfang an vielschichtig präsenten Lisa Wagner wirkte anfangs noch etwas krampfhaft, und die Gepflogenheiten des Ermittler-Krimis konnten vom Außenseiter-Image der Heldin auch nur bedingt gebrochen werden. Vielleicht aber brauchte man auch ein paar Episoden, um diesen Charakter richtig zu verstehen. Der Bann war für den Kritiker endgültig gebrochen, als sich die Krimis von den Vorlagen der Silvia-Roth-Romane entfernten und der Eigensinn der Heldin stärker die Geschichten und die Genre-Mixturen beeinflusste, die sich nun noch stärker emanzipierten vom – lange Zeit typisch deutschen – konventionellen realistischen Ermittler-Krimi.
Foto: ZDF / Hannes Hubach
Ein schönes Bild, das das Innenleben der Hauptfigur wunderbar spiegelt (und dem Kritiker erst jetzt in der Abschiedsstimmung ins Auge fällt), ist das Aquarium, das vom Fisch-Bild an der Wand semantisch unterstützt wird: Unnahbarkeit, Verzicht auf wohltuende Berührung, ein Wasserwesen, nicht von dieser Welt und mit einem eigenen Element als Lebensraum – alle diese Bedeutungen haben viel mit der „Heldin“ zu tun. Und Fische sind zum Ansehen – eine Konnotation, die zum Fern-Sehen passt und zu der stets beeindruckenden Inszenierung der Episoden, für die mit nur einer Ausnahme (auch das eine Qualität von „Kommissarin Heller“) Regisseurin Christiane Balthasar und Kameramann Hannes Hubach verantwortlich waren. „Panik“ bestätigt das filmästhetische Knowhow der Reihe. Bereits das Intro, das das Unheil und mit Hilfe vom „Rotkäppchen“-Märchen auch die Moral der Geschichte vorwegnimmt, ist ein extrem stimmungsvoller Einstieg. Und auch der darauf folgende Undercover-Einsatz im hochherrschaftlichen Ambiente kann sich sehen lassen. Da ist im Bild mächtig was los: It’s Partytime im edlen, wilden Stil der 1920er Jahre. Der schöne Schein, der die grausame Realität (der Mädchen) verdecken soll, wird hier für den Zuschauer in Szene gesetzt. Auch später wird die Location des Riselius-Anwesens für die Geschichte wirkungsvoll eingesetzt. Wie sich Heller in dieser vermeintlich einschüchternden Umgebung bewegt, betont noch einmal – bei allen Selbstzweifeln, die sie überkommen – das gesunde Selbstbewusstsein, das sie in Gegenwart von Heuchlern, Lügnern und falschen Autoritäten entwickeln kann.
Foto: ZDF / Hannes Hubach
Soundtrack: Benny Goodman („Sing, sing, sing„), Dean Martin („Sway„), Radiohead („Creep„), Stephanie („Irresistible„), Billie Eilish („Ilomilo„)
Autor Mathias Klaschka, ein Serientäter auch er mit seinen acht Drehbüchern zur Reihe, hat den finalen Fall clever eingefädelt. Jeder bekommt noch seinen Auftritt und seinen Abgang: Hellers Mutter (Maria Hartmann) darf noch einmal „helfen“, dagegen gibt Psychotherapeutin Dr. Jacobi (Lena Stolze) keine Ratschläge mehr, sie zieht sich aus dem Berufsleben zurück. Und dann ist da natürlich noch der Kollege von früher, Henrik Verhoeven, der mehr denn je mit seiner Noch-Ehefrau (Nina Kronjäger) im alltagsnah treffsicheren Clinch liegt: gepflegt bissiges Nebeneinanderher-Leben als Motiv für diese amourösen Fluchten ihrer Tochter. Vor allem dieses Zusammentreffen der Ex-Kollegen, jetzt allerdings beide ohne Dienstmarke, die auf der Zielgeraden gemeinsam den Fall zu einem guten, unblutigen Ende führen wollen, macht trotz des hohen Gefahrenpotenzials und der sich daraus ergebenden Spannung Laune (ist ja nur Film!). Man wird sie vermissen, diese coole Socke von Kommissarin. Die Wehmut hält sich aber in Grenzen. Das hätte man auch nicht anders erwartet bei dieser respektlosen Einzelgängerin mit frecher Schnauze, die es so gar nicht mit Nähe und Gefühlen hat.