Kommissar Dupin – Bretonische Flut

Aleardi, Schütte, Redl, Pistor, Murath, Thomas Roth. Krimi mit Gänsehautmomenten

Foto: Degeto / Wolfgang Ennenbach
Foto Tilmann P. Gangloff

Es ist schon faszinierend, wie sehr kaum merkliche Veränderungen genügen, um mit demselben Team einen völlig anderen Film zu drehen: Während der Tonfall bei der letzten Episode, „Bretonischer Stolz“, mitunter fast heiter war, ist „Bretonische Flut“ dank kleiner Horror- und Mystery-Elemente deutlich düstererer, zumal auch die Musik viel stärker die Thriller-Ebene betont. Parallelen gibt es dafür bei der Geschichte: Erneut soll ein Mord als Eifersuchtstat kaschiert werden. Dem Protagonist steht diesmal ein klassischer Antagonist gegenüber, und Pasquale Aleardi hat mit Christian Redl einen Gegenspieler von Format.

Mit „Bretonische Flut“ ist nun auch der fünfte und bislang letzte „Kommissar Dupin“-Roman von Jean-Luc Bannalec verfilmt worden. Gerade aufgrund der Qualität, die die Reihe mit den letzten beiden Filme erreicht hat, ist es umso interessanter, wie der Autor und die ARD-Tochter Degeto weiter mit Dupin verfahren werden. Bannalec, der nur einen Roman pro Jahr verfasst, könnte sich darauf einlassen, dass kommende Drehbücher nur noch auf seinen Figuren basieren. Anderswo ist das recht gut gelungen; die ZDF-Reihe „Der Kommissar und das Meer“ zum Beispiel basiert schon lange nicht mehr auf Vorlagen von Mari Jungstedt. Die Erwähnung der Gotland-Krimis passt bei „Bretonische Flut“, der Titel deutet es an, noch aus einem anderen Grund: Ähnlich wie dort Robert Anders hat auch Georges Dupin eine tiefe Abneigung gegen das Meer; deshalb ist es ja so grotesk, dass der Pariser Kommissar ausgerechnet in die Bretagne versetzt worden ist. Bootsfahrten vermeidet er nach Möglichkeit, aber als kurz nacheinander die Leichen zweier junger Frauen gefunden werden, muss er ständig aufs Meer hinaus: Die eine ist in einem Container mit Fischabfällen entsorgt worden, die andere in einem frisch ausgehobenen Grab auf dem Friedhof der nahen Île de Sein. Céline war Fischerin, Laetitia Meeresbiologin, und weil die beiden ein Paar waren, fällt der Verdacht umgehend auf Célines Ex-Freund, zumal sein Messer in Laetitias Wohnung entdeckt wird.

Kommissar Dupin – Bretonische FlutFoto: Degeto / Wolfgang Ennenbach
Der nächste ungewöhnliche Leichenfundort: ein Friedhof über dem Meer. Inspektor Kadeg (Jan Georg Schütte), die eigenwillige Joséphine Jumeau (Krista Stadler), Bürgermeister Antoine Manet (Ludger Pistor) und Dupin (Pasquale Aleardi)

Ein Eifersuchtsmotiv als Ablenkung: Das gab es auch schon eine Woche zuvor in „Bretonischer Stolz“. Davon abgesehen ist „Bretonische Flut“ jedoch ein völlig anderer Film in einer vollkommen anderen Stimmung. Sorgte Jan Georg Schütte als Dupins Mitarbeiter Kaleg zuletzt mit seinen witzigen Auftritten für einige Heiterkeit, ist der Tonfall diesmal auch dank diverser Anleihen beim Horrorfilm deutlich düsterer. Dupin (Pasquale Aleardi) schreckt mehrfach aus einem immer wieder gleichen Albtraum hoch, der schließlich in einen echten Gänsehautmoment mündet; Célines etwas verwirrte Mutter hat ihm seinen Tod prophezeit. Die Frau verleiht dem Film ohnehin einen gewissen Mystery-Touch, zumal auch die Bildgestaltung dafür sorgt, dass die Bretagne hier fast unwirtlich erscheint. Die Gegend ist ohnehin berüchtigt für ihre meteorologischen Kapriolen, aber nun verzichten Thomas Roth (Regie) und Arthur W. Ahrweiler (Kamera), die auch „Bretonischer Stolz“ gedreht haben, vollends auf Urlaubsbilder. Die Kameraführung hebt sich dank ungewöhnlicher Blickwinkel (etwa aus dem Grab heraus) und längerer Fahrten, um bei Dialogszenen Schnitte zu vermeiden, ohnehin deutlich vom optischen Einerlei vieler Fernsehproduktionen ab.

Pasquale Aleardi über das Besondere an seinem Kommissar Dupin:
„Dupin hat einige skurrile Macken, etwa wenn an einem Fall arbeitet, dann rund um die Uhr. Er nimmt dann auch mal die Fotos der Opfer mit nach Hause und tapeziert damit sein Wohnzimmer. Dupin ist immer online, sein Hirn arbeitet pausenlos, er träumt auch von seinen Fällen. Außerdem ist er rebellisch Obrigkeiten gegenüber, leidenschaftlich und ruhelos. Ein toller komplexer Charakter. In den neuen Folgen sieht der Zuschauer, wie er seine Eigenarten auch in seinem privaten Umfeld auslebt und so seine Beziehung belastet. Verständlich, wer, außer Dupin, steht schon auf Fotos von Leichen im Wohnzimmer? “

Kommissar Dupin – Bretonische FlutFoto: Degeto / Wolfgang Ennenbach
Antagonist mit Format: Christian Redls Großunternehmer Morin. Seine Fischerboote sind entgegen der gesetzlichen Bestimmungen mit industriellen Netzen ausgestattet, er ignoriert Fangquoten und lässt die Tanks seiner Boote auf dem Meer reinigen.

Darüber hinaus ist es durchaus faszinierend zu beobachten, wie sehr kleine Änderungen genügen, um eine ganz andere Atmosphäre entstehen zu lassen. Auch die Musik der beiden Filme unterscheidet sich deutlich, obwohl sie jeweils von Fabian Römer und Steffen Kaltschmid stammt. In „Bretonische Flut“ dominieren die elektronischen Elemente, die Komposition ist dank wuchtiger Streicherpassagen deutlich „hanszimmeriger“ und viel stärker auf Thriller getrimmt. Dass sich Meer-Muffel Dupin angesichts der vielen Fahrten zur Insel ausgesprochen unwohl in seiner Haut fühlt, kommt noch hinzu. Pasquale Aleardi löst diese Szenen auch nicht komödiantisch auf; dem Kommissar ist kotzübel, und das ist nicht komisch. Witzig wird es erst, als er den gleichen Gesichtsausdruck in eine völlig andere Umgebung transferiert und deshalb ein Blick genügt, um zu begreifen, wie angewidert Dupin beim Anblick seines Schnecken verzehrenden Vorgesetzten (Udo Samel) ist

Die Geschichte ist nicht ganz so komplex wie bei „Bretonischer Stolz“ (das von Roth bearbeitete Drehbuch stammt erneut von Clemens Murath). Dafür wird Dupin nun mit einem Gegenspieler konfrontiert, der das Zeug zum echten Kontrahenten hat. Christian Redl spielt einen einflussreichen Großfischer, der als einer der wichtigsten Arbeitgeber der Gegend hohes Ansehen genießt, aber regelmäßig gegen Umweltschutzauflagen und Fischfangquoten verstößt und nebenbei ein florierendes Schmuggelgeschäft betreibt; außerdem war Laetitia seine uneheliche Tochter. Aber es gibt noch eine weitere Ebene, und die ist deutlich reizvoller als die zwischenmenschlichen Verwicklungen: Der Legende nach befindet sich irgendwo vor der bretonischen Küste die versunkene Stadt Ys, in der sich sagenhafte Schätze befinden sollen, und womöglich hat Delfinforscherin Laetitia bei ihren Exkursionen Spuren der Stadt entdeckt. Einen kleinen Wermutstropfen gibt es bei diesem ansonsten vorzüglichen Film allerdings doch, wenn auch nur für erfahrene Krimizuschauer: Weil es die Verantwortlichen bei der Besetzung von Nebenrollen allzu oft an der nötigen Fantasie mangeln lassen, tauchen in Krimis und Serien immer wieder die gleichen Verdächtigen auf. Aber das ist in diesem Fall wirklich nur eine Petitesse, zumal das Finale trotzdem angemessen spannend ist. (Text-Stand: 7.2.2017)

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

ARD Degeto

Mit Pasquale Aleardi, Jan Georg Schütte, Ludwig Blochberger, Annika Blendl, Udo Samel, Janina Rudenska, Christian Redl, Ludger Pistor, Arnd Klawitter, Dörte Lyssewski, Johann Adam Oest

Kamera: Arthur W. Ahrweiler

Szenenbild: Detlef Provvedi

Kostüm: Brigitte Nierhaus

Schnitt: Birgit Gasser

Musik: Fabian Römer, Steffen Kaltschmid

Produktionsfirma: filmpool fiction

Produktion: Mathias Lösel, Iris Kiefer

Drehbuch: Clemens Murath – Romanvorlage: Jean-Luc Bannalec

Regie: Thomas Roth

Quote: 5,04 Mio. Zuschauer (15,1% MA); Wh. (2020): 3,75 Mio. (13,4% MA)

EA: 09.03.2017 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach