Katie Fforde – Mama allein zu Haus

Gesine Cukrowski, Oliver Mommsen, Rössler, Metzger. Die Sache mit dem Empty-Nest-Syndrom

Foto: ZDF / Rick Friedman
Foto Tilmann P. Gangloff

Seine letzten Beiträge für die Sonntagsreihe „Katie Fforde“ waren unterhaltsamer Zeitvertreib, doch mit der Dramedy „Mama allein zu Haus“ (ZDF / Network Movie) bleibt Regisseur Helmut Metzger Vieles schuldig; vor allem hinsichtlich der heiteren Anteile. Aus der Geschichte nach dem Drehbuch von Elke Rössler über eine Schulpsychologin, die in einem echten Dilemma steckt, als sich ihre Tochter in einen ihrer Patienten verliebt, hätte sich auch ein Drama machen lassen können; eigentlich die beste Voraussetzung für eine gute Komödie. Ausgerechnet die beiden Hauptdarstellerinnen wirken jedoch unglaubwürdig; dabei zeichnen sich Metzgers Filme regelmäßig durch die gute Führung der Darsteller aus.

Früher, als die „Katie Fforde“-Filme tatsächlich noch auf Vorlagen der britischen Bestsellerautorin basierten, waren die Geschichten oft dramatisch. Zuletzt haben das ZDF und seine Tochter Network Movie unter der Dachmarke bevorzugt Komödien produziert. Die meisten der an besonders schönen Schauplätzen in New England spielenden Romanzen hätten sich allerdings genauso gut in Pilcher-Cornwall oder in Lindström-Öland zutragen können. Das gilt auch für „Mama allein zu Haus“. Schon der Titel signalisiert ein gewisses Heiterkeitspotenzial, dabei geht es um ein weithin unterschätztes Problem, das vielen Frauen um die fünfzig zu schaffen macht: Sie sind beruflich erfolgreich und würden weit von sich weisen, ihren Lebensinhalt allein aus familiären Faktoren wie Partnerschaft und Erziehung zu gewinnen, und doch werden sie von einem tiefen Mutter-Blues befallen, wenn das (oftmals einzige) Kind das Nest verlässt; Fachleute sprechen daher vom Empty-Nest-Syndrom.

Drehbuchautorin Elke Rössler bettet das Phänomen in eine passende Rahmenhandlung: Lydia Elman (Gesine Cukrowski) ist Psychologin an einer Provinz-High-School und alleinerziehende Mutter. Tochter Holly (Emilia Bernsdorf) hat gerade ihren Abschluss gemacht, will aber erst mal nicht aufs College, sondern lieber mit Rucksack und Zelt durch Südamerika reisen. Zu diesem Zweck lernt sie Spanisch in einem Online-Kurs und hat sich ein bisschen in den jugendlichen Lehrer verliebt. Lydia, der der bevorstehende Abschied jetzt schon schwerfällt, würde die letzten Wochen mit Holly gern genießen, aber da macht Rössler ihr in Gestalt von Simon (Tobias John von Freyend) einen Strich durch die Rechnung. Da der Junge schon von mehreren Schulen geflogen und erneut negativ aufgefallen ist, stellt ihm der Elternbeirat ein Ultimatum: Entweder macht er eine Therapie bei Lydia, oder der nächste Schulverweis ist fällig. Im Gespräch gesteht Simon, er habe mit anderen Jungs gewettet, wer die meisten Mädchen ins Bett kriegt; Holly ist die nächste auf seiner Liste. Lydia fragt sich, wie sie ihre Tochter vor der Enttäuschung schützen kann, ohne ihre Schweigepflicht zu verletzen, und muss außerdem damit leben, dass Simon sich in sie verliebt. Zum Eklat kommt es, als sie bei seinem attraktiven Vater Peter (Oliver Mommsen) schwach wird: Der Junge überrascht die beiden und rächt sich, indem er die Psychologin bei der Schulrektorin der sexuellen Belästigung bezichtigt. Als Holly auch noch herausfindet, dass ihre Mutter die ganze Zeit über Simons unmoralische Absichten informiert war, liegt Lydias Leben endgültig in Scherben.

Katie Fforde – Mama allein zu HausFoto: ZDF / Rick Friedman
Empty-Nest-Syndrom. Lydia (Gesine Cukrowski) hat endlich einen Ersatz für ihre flügge gewordene Tochter gefunden.

Das ist ein durchaus ernstzunehmender Stoff, der auch als Drama funktioniert hätte; die Voraussetzungen für eine gute Komödie sind also gegeben. Dass daraus nichts geworden ist, hat nicht zuletzt mit der Hauptdarstellerin zu tun: Gesine Cukrowski verkörpert die Figur nicht, sie spielt sie bloß. Das gilt gar nicht mal so sehr für die Szenen, in denen sie die Psychologin mimt, sondern vor allem für die emotionale Ebene: weil es angestrengt wirkt, wenn sie Gerührtheit vermitteln will; selbst die Küsse, die Lydia mit Peter tauscht, sehen verkrampft aus. Auch Emilia Bernsdorf, die in denen letzten Jahren in unterschiedlichsten Filmen kleine Glanzlichter gesetzt und sowohl als Komödiantin („Inga Lindström: Liebe deinen Nächsten“) als auch in Krimis („Unter anderen Umständen: Das Versprechen“, „Tatort: Fünf Minuten Himmel“) nachhaltig auf sich aufmerksam gemacht hat, zeigt ungewohnte Schwächen. Da der Hintergrund gar nicht komisch ist, funktionieren prompt auch jene Ideen nicht, die – wenn überhaupt – ohnehin nur in der Theorie witzig sind, wenn beispielsweise die verliebte Holly beim Frühstück Kaffee statt Sirup auf ihren Pfannkuchen gießt.

All das ist auch deshalb ungewöhnlich, weil sich gerade die „Katie Fforde“-Inszenierungen des erfahrenen Regisseurs Helmut Metzger (zuletzt vor allem „Tanz auf dem Broadway“, „Mein Sohn und seine Väter“ sowie kürzlich „Meine verrückte Familie“) regelmäßig durch eine gute Führung der Schauspieler ausgezeichnet haben. Diesmal jedoch lässt der Routinier selbst plumpe Informationsdialoge durchgehen („Sie als Schulpsychologin“ lautet einer der ersten Sätze). Nicht lustig umgesetzt und ohnehin unpassend ist auch die Idee, Lydias Vater mit seinem roten Sportflitzer beim Bremsen ständig übers Ziel hinausschießen zu lassen. Dabei ist Jazzliebhaber Axel seiner Einführung zum Trotz keineswegs eine jener komischen Altersrollen, wie sie gern von Dietrich Hollinderbäumer gespielt werden, sondern ein würdevoller Part, den Charles Brauer als Fels in der emotionalen Brandung seiner Tochter verkörpert; aus seinem Mund klingen sogar typische „Herzkino“-Merksätze wie „Jeder Mensch hat das Recht auf seine eigenen Fehler“ wie buddhistische Weisheiten. Ähnlich sympathisch ist eine von Sandra Speichert gespielte Nebenfigur. Die einst viel beschäftigte Schauspielerin war schon lange nicht mehr in Fernseh- oder Kinofilmen zu sehen. Hier spielt sie Lydias beste Freundin Sam; die beiden Frauen teilen sich die Praxisräume. Sam ist Tierheilpraktikerin und weiß für Lydias Probleme stets einen passenden Vergleich aus dem Tierreich. Deshalb ist es umso unglaubwürdiger, dass sie nichts mit dem Begriff „Empty Nest“ anfangen kann; auch das ein typisches Drehbuchkonstrukt, weil Lydia das Syndrom nun ihr und damit auch dem Publikum erläutern kann. Dabei sollten die Vertreter von Regie, Produktion und Redaktion, die zusammen auf an die 100 Jahre Berufserfahrung kommen, eigentlich wissen, dass neben dem Unterhaltungsgebot „Du sollst nicht langweilen“ ein zweites, nicht minder wichtiges existiert: Beleidige niemals die Intelligenz deiner Zuschauer.

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Reihe

ZDF

Mit Gesine Cukrowski, Oliver Mommsen, Emilia Bernsdorf, Tobias von Freyend, Charles Brauer, Sandra Speichert

Kamera: Meinolf Schmitz

Szenenbild: Lars Brockmann

Schnitt: Angelika Sengbusch

Musik: Jens Langbein, Robert Schulte Hemming

Soundtrack: The Shirelles („Mama Said“), Chicago („Just You ’N’ Me”), Brandi Carlile („Heart’s Content”), Leighton Meester feat. Robin Thicke („Somebody To Love”)

Redaktion: Verena von Heereman

Produktionsfirma: Network Movie

Produktion: Jutta Lieck-Klenke, Sabine Jaspers

Drehbuch: Elke Rössler

Regie: Helmut Metzger

Quote: 5,08 Mio. (13,9% MA); Wh. (2020): 3,78 Mio. Zuschauer (10,5% MA)

EA: 21.01.2018 20:15 Uhr | ZDF

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