Janus

Alexander Pschill, Franziska Weisz, Andreas Kopriva. Horizontaler Ösi-Krimithrill

Foto: ORF / Petro Domenigg
Foto Tilmann P. Gangloff

Seltsam, dass diese schon vor drei Jahren im ORF ausgestrahlte österreichische Serie erst jetzt ins deutsche Fernsehen kommt: Die Geschichte ist fesselnd umgesetzt, die mit Ausnahme von Franziska Weisz hierzulande kaum bekannten Schauspieler sind ausgezeichnet, und die Schauwerte entsprechen durchaus dem Niveau eines hiesigen Fernsehfilms. Die Grundzüge der Handlung von „Janus“ sind nicht neu (es geht um die Machenschaften eines Pharmakonzerns), aber das Drehbuch sorgt immer wieder für Überraschungen.

Hauptfigur von „Janus“ ist Leo Benedikt (Alexander Pschill), ein forensischer Psychologe. Er behandelt zu Beginn von Folge 1 einen Klinikpatienten, der sich in einem Labyrinth wähnt und den Therapeuten tätlich angreift. 2 Jahre später, Benedikt hat sich mittlerweile selbstständig gemacht, bittet ihn die Polizistin Cara Horvath (Weisz) um Hilfe: Sein früherer Patient ist dem Labyrinth entkommen und entlassen worden, aber ein Nachbar fühlt sich bedroht und hat Angst um seine Frau. Offenbar nicht zu Unrecht, denn kurz drauf wird Benedikt erneut alarmiert: Anscheinend hat sein Patient wie von Sinnen auf die Frau eingestochen.

Geschickt streut das Drehbuch von Jacob Groll und Sarah Wassermair schon früh Hinweise ein, dass „Janus“ mehr als nur eine normale Krimiserie sein soll. Im Badezimmer des Patienten, der angeblich keine Medikamente nimmt, entdeckt Benedikt eine Schachtel mit Tabletten, auf die ein stilisiertes Labyrinth geprägt ist; und die Wohnung wird von einem Mann beobachtet, der einen Ring mit dem gleichen Symbol trägt. Ähnlich reizvoll ist der Umgang mit Rückblenden. Regisseur Andreas Kopriva hat die Methode nicht erfunden, aber faszinierend inszeniert: Wenn Benedikt den Hergang der Ereignisse rekonstruiert, wird er vor seinem geistigen Auge Zeuge der Tat. Als der Psychologe weitere Details erfährt, gibt es eine erneute Rückblende, die die gleichen Ereignisse nun in einem völlig anderem Licht zeigt. Genauso verfahren Buch und Regie mit Gesprächsituationen; auch hier stellt sich oftmals später raus, dass die erste Szene nur die halbe Wahrheit offenbart hat.

JanusFoto: ORF / Petro Domenigg
In diesem Team stimmt was nicht. Gibt es da einen Maulwurf? Liebmann, König, Echerer, Strömer, Pschill

Da hat sich der ORF etwas getraut, ermutigt vom Erfolg der nicht minder eigenwilligen Serie „Schnell ermittelt“ – und braucht den internationalen Vergleich nicht zu scheuen. Regisseur Andreas Kopriva ist eine spannende Inszenierung gelungen – dass die Story wenig wahrscheinlich ist, stört Serienjunkies bekanntlich nicht. Schräge Charaktere (vor allem unter den Ermittlern) sind in TV-Krimis ohnehin en vogue: Alexander Pschill gleitet als Psychologe Leo immer wieder in visionäre Zustände ab, Barbara Romaner bleibt als unterkühlte Ehefrau und pharmazeutische Geheimnisträgerin undurchschaubar, Franziska Weisz als Bezirksinspektorin Cara wirkt emotional unterentwickelt, und Christopher Schärf ist als Sicherheitsboss von „Janus“ im wahrsten Sinne eine unheimlich überzeugende Idealbesetzung. (: Die Presse, 11.11.2013)

Diese Methode ist typisch für den Stil der Serie, denn das Buch gibt auch die Hintergründe der Hauptfiguren nicht auf Anhieb preis. Das gilt vor allem für Benedikts Gattin Agnes (Romaner). Zunächst macht die Pharmazeutin nur den Eindruck einer Frau, die sich zwischen Beruf und Familie aufreibt, aber Folge eins verrät am Schluss, dass sie die gleichen Tabletten nimmt wie der vermeintliche Mörder. Später stellt sich heraus, dass sie an einer genetischen Krankheit leidet, die auch ihr Sohn hat, und gegen Ende der Serie wird sie gar zu Leos Gegenspielerin. Die weiteren wichtigen weiblichen Rollen sorgen dafür, dass die Serie zwischendurch auch mal einen anderen Tonfall annimmt: Benedikts neue Assistentin Miriam (Kaudelka), jung, attraktiv und clever, ist ein eher unkonventioneller Typ und findet Gefallen am besten Freund ihres Chefs, einem Staatsanwalt (Kiendl). Als sich Miriam in die Höhle des Löwen wagt, ist es aber nicht nur um ihre Unbekümmertheit geschehen. Polizistin Horvath wiederum ist das exakte Gegenteil: Die Inspektorin ist knallhart und wirkt unromantisch, dabei hegt sie große Gefühle für den Psychologen; gut möglich, dass diese Figur in gewisser Weise als Vorbild für Weisz’ Rolle als neue Partnerin von Wotan Wilke Möhring im NDR-„Tatort“ diente. Das Drehbuch erfreut immer wieder mit unerwartet witzigen Momenten, aber die Musik von Mathias Weber erinnert rasch daran, dass „Janus“ ein Thriller ist.

Die sechs weiteren Folgen ergänzen den horizontal erzählten Hauptstrang um in sich abgeschlossene Handlungen: Eine Trinkwasseraktivistin wittert Verrat in den eigenen Reihen, dabei ist sie nur das Opfer eines abgefeimten Psychotricks; ein Mädchen entpuppt sich als Quälgeist seines kleinen Bruders; ein Mann ist überzeugt, er sei der britische Thronfolger; ein Clubbesitzer vergiftet seine Besucher, unter ihnen auch Cara Horvath. Ungleich interessanter ist jedoch die zentrale Geschichte: Eine Reihe mysteriöser Selbstmorde führt Leo zu einer offenbar Jahrhunderte alten mysteriösen Organisation namens Janus, für die auch Agnes arbeitet. Janus tritt heute als Unternehmen auf, das beste Beziehungen in die Politik hat und unantastbar scheint. Umso bedauerlicher, dass die letzte Folge nicht alle Fragen beantwortet; eine Fortsetzung ist vom ORF offenbar nicht geplant. (Text-Stand: 20.6.2016)

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ORF

Mit Alexander Pschill, Barbara Romaner, Franziska Weisz, Andreas Kiendl, Christopher Schärf, Barbara Kaudelka, Morteza Tavakoli, Moritz Uhl

Kamera: Josef Mittendorfer

Szenenbild: Maria Gruber

Schnitt: Bernhard Schmid

Musik: Matthias Weber

Produktionsfirma: MR-Film

Drehbuch: Jacob Groll, Sarah Wassermair

Regie: Andreas Kopriva

EA: 05.07.2016 20:15 Uhr | 3sat

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