Seit acht Jahren ist Clara nicht mehr sie selbst. Damals ist ihre Tochter verschwunden. Die Mutter hat im Gegensatz zu ihrem Mann die Hoffnung nie aufgegeben, sie zu finden. Bisweilen reimt sie sich abwegige Theorien über das Schicksal ihrer Kleinen zusammen, hinter denen sich die Unfähigkeit versteckt, das Liebste in ihrem Leben loszulassen.
So auch jetzt wieder. Nach einem seelischen Zusammenbruch wird Clara in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Dort fällt ihr eine Illustrierte in die Hände, in der sie ein Foto entdeckt mit einem Mädchen, das aussieht wie ihre Lilly. “Ich tu’, was ich tun muss”, sagt sie zu ihrem verständnisvollen, aber ratlosen Mann – und büchst aus. In Richtung Schweden. Denn der Zeitungsbericht mit dem Foto beschäftigte sich mit einer schwedischen Schiffskatastrophe der letzten Jahre. Aus der fixen Idee entsteht eine aussichtslose Suche in einem fremden Land. Doch Clara, die bald in einem dänischen Drogenfahnder Unterstützung findet, hält sich an jeder neuen Information wie an einem Strohhalm fest.
“Ins Leben zurück” ist ein schwieriger Film. Eine typische Herbst-Geschichte. Ein Film, der sein Thema ernst nimmt und es dem Zuschauer nicht leicht machen will. 90 Minuten sehen wir einer Frau bei ihrer ganz persönlichen Trauerarbeit zu. Autor Fabian Thaesler hat nichts dramaturgisch geglättet: keine neue Liebe, keine Bettszene, keine künstliche Spannung – jede Szene hat ihre eigene Wahrheit. Und der Langmut der Heldin entspricht die Langsamkeit der Inszenierung. Schweden, das ist der Ort, den Clara bisher noch nicht gefunden hatte, ein Ort, an dem sie Abschied nehmen kann. Reisebekanntschaft Eric ist der Mann, der ihr dabei hilft.
Die Reise ins ferne Schweden ist aber auch eine Reise ins eigene Innere der Heldin, ins Verdrängte. Martina Gedeck spielt ihre Clara ohne zu psychologisieren. Sie schaut, sie handelt, sie fühlt – ohne ein Wort, ohne eine Erklärung zu viel. Schweden verpflichtet. Sparsam zeichnet sie ihre Frau am Rande des Zusammenbruchs, gibt ihr Schwäche und Stärke zugleich. Der zwischen strenger Bildkomposition (Kamera: Jo Heim) und knappen Dialogen austarierte Film von Markus Imboden besticht vor allem durch die Radikalität seiner Erzählung: die Heldin als Nabel der Welt. Ihre Wahrnehmung, ihre Empfindungen bestimmen alles. Da ist es nur konsequent, dass die schwedischen Passagen nicht untertitelt wurden, um so zur weiteren Irritation der verzweifelten Mutter beizutragen. (Text-Stand: 10.10.2003)