Jetzt hat auch Berlin seine Polizeidienststelle im ARD-Vorabend: Das „Hauptstadtrevier“ setzt auf das Lokalkolorit-Erfolgsrezept des Dauerbrenners „Großstadtrevier“ – allerdings in gänzlich anderem Look. Moderne Optik, cooler Sound, Impressionen der Hauptstadt in schneller Bildfolge, dazu pfiffige Geschichten und ein launiges Team. Doch – und das tut gut – die Serie nimmt sich bei allem Tempo immer auch Zeit, hat ruhige Momente, die Balance stimmt. Endlich mal wieder ein Lichtblick unter dem Regional-Krimi-Label „Heiter bis tödlich“, das bisher vornehmlich uninspirierte Serien-Standardunterhaltung zu bieten hatte.
Die Elitepolizistin und der Aktenlurch prallen im „Hauptstadtrevier“ am Berliner Spittelmarkt aufeinander. Friedrike Kempter, Dauer-Assistentin des Münsteraner „Tatort“-Duos, ist für die Rolle der Julia Klug die Idealbesetzung: Natürlichkeit, Frische, prima Timing – hier kann sie sich aus dem Schatten spielen. Und die Chance nutzt sie vortrefflich. Sie ist die Elitepolizistin, die der Liebe wegen bei einem Immobilienprojekt in Kuba abgezockt wurde, auf einer viertel Million Euro Schulden sitzt und jetzt heimkehrt unter dem Motto: Köpenick statt Kuba. Matthias Klimsa darf nach „Berlin, Berlin“ wieder im Vorabend ran, gibt den Johannes Sonntag, den stoischen Leiter des Betrugsdezernats in der Polizeidirektion 7 und ist der dramaturgisch geschickt gesetzte Gegenpol zur unkonventionell, aber klug ermittelnden Frau Klug im Betrugsdezernat. Deren Familie hat den Rest der Wache quasi in Besitz genommen: Papa Jürgen (Torsten Michaelis) ist der Revierleiter, Mama Marianne (Kirsten Block) arbeitet hier und Julias Bruder Patrick (Oliver Bender) geht auf Streife. Eine hübsche Grundidee, mit dieser Konstellation lässt sich im Verlauf der Serie wunderbar spielen.
Doch nicht nur die Familiengeschichten und die Situation Julias als alleinerziehende Mutter, die ihre Kleine gerne mit zu den Ermittlungen nimmt, bieten intelligent-witzige Unterhaltung, auch die einzelnen Fälle der insgesamt acht Episoden haben Substanz, sind – wie zuletzt häufiger in den „Heiter bis tödlich“-Serien – nicht nur Staffage für einen humorigen Allerweltskrimi. Erzählt werden die Storys um Bauspekulanten, Heiratsschwindler, Klinikchefs, die mit Organen handeln, und Mehrwertsteuerbetrüger – mit leichter Spannung und viel Augenzwinkern. Die Drehbücher stammen von Andy Cremer und Klaus Rohne.
Tür auf für das „Hauptstadtrevier“, willkommen bei den Klugs, sie könnten durchaus zu einer festen Institution am Vorabend werden. Muss ja nicht für mehrere Jahrzehnte und weit über 20 Staffeln sein wie beim Hamburger „Großstadtrevier“, aber eine Fortsetzung über die acht bisher gedrehten Folgen hinaus wäre durchaus wünschenswert. (Text-Stand: 29.10.2012)